#Hyggepost aus Dänemark: Gibt es Briefe bald nur noch im Museum?
Unsere Kolumnistin Simone Mischke lebt in Dänemark und schreibt über ihren Alltag. Etwa darüber, warum Briefe so lange unterwegs sind und dass es trotzdem schade wäre, wenn bald gar keine Post mehr käme.
Ich weiß ja nicht, wie es euch geht: Einen schönen, handgeschriebenen Brief oder eine Postkarte aus dem Briefkasten zu holen, das hat doch was, oder nicht? Immerhin zeigt es, dass man dem Absender etwas wert ist: Schließlich hat er oder sie das wertvollste hergegeben, das es heutzutage gibt: Lebenszeit. Im Film würde spätestens jetzt dieses Krrruussstsssch-Quitsch-Geräusch kommen: Erstens schreibt kaum noch einer Briefe, zweitens sind wir hier in Dänemark. Und da stellt das staatliche Unternehmen Postnord ab kommendem Jahr gar keine Briefe und Postkarten mehr zu.
Briefversand in Dänemark: Post höchstens alle paar Tage
Ich erinnere mich gut an meine erste Zeit in Dänemark. Zuerst wunderte ich mich ein bisschen über diese schmucklosen Briefkästen vor den Häusern. Alle sahen irgendwie gleich aus. Wie diese Briefkästen, die es im Baumarkt gibt. Dann wunderte ich mich über etwas anderes: dass eben dieser Kasten meist leer war. Tagelang oft. Jeden Tag stiefelte ich wieder hin, schloss die Klappe auf, schaute hinein: nichts. Gibt's doch nicht, dachte ich. Mein Nachbar - der Mann namens Ove - guckte doch auch jeden Tag nach der Post! Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass Ove seine Zeitung aus dem Briefkasten holte.
Brieftauben sind schneller
Irgendwann verstand ich dann, dass die Post gesammelt und erst dann zugestellt wird, wenn genug für einen bestimmten Bereich zusammengekommen ist. Blöd natürlich, wenn man dadurch irgendwelche Fristen verpasst. Oder man sich wundert, warum es keine Weihnachtspost von Muttern gibt (gibt's ja, aber die kommt dann halt erst zu Silvester an). Wenn man bedenkt, dass eine Brieftaube mehrere Hundert Kilometer mit bis zu 120 Kilometer pro Stunde fliegt: das öffnet doch den Blick für ganz neue Geschäftsmodelle.
Wenn man aus Deutschland kommt, wo es ja ohne Papierkram mit Behörden so gar nicht geht, ist das alles schon seltsam anfangs. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt: Kommunikation mit der Steuerbehörde, Bank oder Versicherung: geht alles über das elektronische Postfach "eboks", das fast alle Dänen haben. So weit, so digital.
Briefkästen werden in Dänemark ab dem Sommer abgebaut
Weil hier eben alles durchdigitalisiert ist, wird das dänisch-schwedische Staatsunternehmen Postnord also den Briefversand am 31. Dezember einstellen. Und die insgesamt 1.500 roten Briefkästen, die vom Stil an die roten Telefonzellen in London erinnern, abmontieren. Schon am 1. Juni wollen sie damit anfangen. Was damit passiert? Die Briefkästen sollen einen neuen Zweck erfüllen, schrieb mir eine Sprecherin (nein, nicht per Post). Welchen, hat sie noch nicht verraten. Eine Versteigerung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht geplant. Schade. So ein roter Briefkasten würde schön aussehen vor unserem Haus.
Briefe bald nur noch im Museum?
Für Ove und seine Frau Jonna ist es längst normal, keine Briefe mehr zu bekommen. Sie leben seit 13 Jahren gut mit ihrem elektronischen Postfach. "Vermisst ihr das denn so gar nicht, mal einen Brief zu schreiben oder zu bekommen?", frage ich. Ove lacht. Nein, er sei sowieso nie der große Schreiber gewesen.
"Früher haben wir Weihnachtskarten geschrieben. Oder welche zu Ostern. Aber inzwischen schreiben wir uns eher Mails", erzählt er. Ein bisschen schade ist das ja mit den Briefen, finde ich. Allerdings kann man ab nächstem Jahr Briefe oder Postkarten über private Anbieter verschicken. Momentan kostet eine Postkarte nach Deutschland rund 6,70 Euro. Ich sag' nur: Brieftaube.
Privater Anbieter bringt sich in Position
Spannend wird auch, was künftig mit Briefen passiert, die aus dem Ausland nach Dänemark geschickt werden. Der private Anbieter DAO verhandelt darüber gerade mit dem dänischen Transportministerium. Das Unternehmen hat nach eigener Aussage bereits 1.500 Postkästen in deren Shops und will "an zentralen Stellen" weitere aufstellen. Wer künftig - oder auch jetzt schon - Briefe oder Postkarten über DAO verschicken will, geht einfach in den Shop oder nutzt die Webseite.
Wäre ja am Ende schön, wenn der Brief, vor allem der handgeschriebene, kein Fall fürs Museum wird. Ich nehme mir vor, die Nachbarn künftig mit einer kleinen handgeschriebenen Karte zu unserenHygge-Treffen einzuladen. Man hat es ja immer auch selbst in der Hand. Im wahrsten Sinne.
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