Hunde-Angriffe auf Sylt: Rangerin soll Schafe beschützen
Die Eigentümer der Nordspitze von Sylt haben eine Rangerin eingestellt. Der Grund: Im Listland töten oder verletzen frei laufende Hunde jährlich im Schnitt etwa zehn Schafe und Lämmer.
Nein, Wölfe gibt es bislang nicht auf Sylt. Trotzdem leben die mehr als 500 Schafe und Lämmer am nördlichsten Zipfel der Insel ziemlich gefährlich. Das Problem: Touristen, die den Jagdtrieb ihrer Hunde unterschätzen, wenn sie die Haustiere bei Spaziergängen unangeleint lassen - trotz Leinenpflicht. Deshalb gibt es im Sylter Listland jetzt eine Rangerin. Sie heißt Stella Kinne und hat vielleicht einen der schönsten Arbeitsorte in Schleswig-Holstein.
Bis zu zehn Kilometer täglich durchs Listland
Jeden Tag streift die Naturschützerin bis zu zehn Kilometer durch diese pittoreske, nahezu unberührte Dünenlandschaft. In der Weite und Schönheit des Listlandes können sich Besucher schnell verlieren. Stella Kinne hat dafür keine Zeit. "Moin, könnten Sie Ihren Hund vielleicht einmal an die Leine nehmen? Wir haben hier auf dem gesamten Ellenbogen die Leinenpflicht. Super, vielen Dank", ruft die 25-Jährige einer Familie am Strand zu, die mit ihrem Golden Retriever gerade auf den nördlichsten Land-Quadratmetern der Bundesrepublik steht. Der Ellenbogen ist die Landzunge des Listlandes. Ihr Name erklärt sich beim Blick von oben durch ihre Form.
Rangerin: "Die meisten Hundehalter sind einsichtig"
"Die meisten Hundehalter sind tatsächlich einsichtig, beziehungsweise die haben ihren Hund an der Leine. Man hat aber trotzdem diese fünf Prozent circa jeden Tag, die ihn eben nicht an der Leine haben, weil sie das meistens auch schon immer so gemacht haben", sagt Kinne. Das führt zu jährlich etwa zehn verletzten oder getöteten Schafen und Lämmern. Deshalb haben sich die Eigentümer des Gebiets dazu entschlossen, Stella Kinne als Listland-Rangerin einzustellen.
Areal ist seit Jahrhunderten in Privatbesitz
Das streng geschützte, rund 1.200 Hektar große Areal befindet sich seit Jahrhunderten in Privatbesitz. Seit dem Amtsantritt von Stella Kinne im Juli gab es erst ein verletztes Schaf. Der Besitzer des angreifenden Schäferhundes hat nun lebenslanges Ellenbogen-Verbot und eine Anzeige bekommen. Ihm drohen hohe Bußgelder.
Herdenschutzhunde sind keine Option
Der Einsatz von Herdeschutzhunden für die Schafe und Lämmer ist in Gebieten wie dem Sylter Listland keine Option. "Das Gebiet ist sehr groß - das ist der erste Punkt. Und es ist sehr touristisch, das ist das zweite Problem. Ich schätze mal, wir wären jeden Tag im Fernsehen, im Radio oder in der Zeitung, wenn wir Herdenschutzhunde hätten, die hinter den Leuten oder ihren Hunden her wären", sagt Schafhalter Jürgen Wolf-Diedrichsen.
Von der Buchwissenschaft zum Naturschutz
"Für meine Arbeit treibt mich an, dass sie sehr viel Sinn ergibt. Zum Beispiel, wenn man die Hundehalter dazu bringt, ihre Hunde an die Leine zu nehmen, dann hat man vielleicht ein Schaf gerettet im extremsten Fall", sagt Kinne, die ursprünglich aus dem Harz in Niedersachsen kommt und auf Sylt bereits als Naturschutzbotschafterin gearbeitet hat. Eigentlich hat sie Buchwissenschaft studiert. Für ihren Job wohnt Kinne jetzt in einem der wenigen Häuser im streng geschützten Listland.
"Man kann sehr viel mit kleinen Taten bewirken"
Auf ihrem Rundgang macht sie jetzt an einem abgesperrten Tümpel halt. Schilf wächst ihr hier bis fast über den Kopf. "Sylt hat die größte Kreuzkrötenpopulation Europas, und die größte Population der Kreuzkröten auf Sylt befindet sich hier vor uns in diesem Tümpel", erzählt sie. Rund 1.000 Verteter dieser seltensten Krötenart in Deutschland leben hier - auch dank der Schutzmaßnahmen von Stella Kinne: "Man kann sehr viel mit kleinen Taten bewirken, und das ist einfach ein sehr tolles Gefühl."
Stella Kinnes Saison ist gerade zu Ende gegangen. 2024 ist sie dann das gesamte Jahr als Rangerin fürs Listland und seine Tiere unterwegs.