Haushaltssperre: Landtag streitet über richtige Art zu bremsen
Einig werden sie sich nicht mehr: Opposition und Regierung streiten über Sinn und Unsinn der kurzzeitigen Haushaltssperre. In der Sondersitzung des Schleswig-Holsteinischen Landtags ging es am Freitag (2.6.) teils hitzig zu.
Während der Kieler Wochenendverkehr schon aus der Stadt heraus rollt, geht im Parlament das eigentliche Geschehen erst los. Auf der Tagesordnung steht nur ein Punkt: "Mündlicher Bericht der Landesregierung zu den Ergebnissen der Mai-Steuerschätzung, zu der vom Kabinett am 16. Mai 2023 beschlossenen vorläufigen Haushaltssperre und deren am 24. Mai 2023 angekündigten Aufhebung." Was eher nüchtern klingt, lässt aber noch einmal die Emotionen hochkochen im Plenarsaal an der Kieler Förde.
"Prinzip Hoffnung" reicht der Finanzministerin nicht
Finanzministerin Monika Heinold (Grüne) erklärt ein weiteres Mal, warum sie eine Haushaltssperre für notwendig hielt: gesunkene Einnahmen, steigende Ausgaben. Dazu die stärkste und schnellste Zinserhöhung seit der Nachkriegszeit. "Als Finanzministerin kann ich bei der Frage, ob am Jahresende der Haushalt verfassungskonform ist, nicht auf dem Prinzip Hoffnung aufbauen", sagt Heinold. "Deshalb haben wir jetzt gehandelt."
Es folgt schwarz-grüner Applaus. Die Opposition dagegen protestiert während der Rede immer wieder - vor allem als die Finanzministerin eine Berichterstattung erwähnt, wonach Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) - scheinbar in Absprache mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) - Kürzungen auch im sozialen Bereich in Aussicht gestellt habe.
Handbremse oder Fußbremse?
Heinold nimmt am Ende Bezug auf den Vorwurf des SPD-Fraktionschefs Thomas Losse-Müller, der der Finanzministerin vorgeworfen hatte, bei voller Fahrt die Handbremse gezogen zu haben. "Wenn vor mir ein Warnschild steht, dann fahre ich doch nicht einfach ungebremst weiter", sagt Heinold in seine Richtung. Losse-Müller greift das auf: Wenn man 120 fahre, könne man auch mittels Fußbremse auf 100 runter bremsen - aber nicht mit der "Handbremse bis zum Anschlag."
Der Oppositionsführer bleibt dabei: "Die Haushaltssperre war ein Fehler, sie hat Chaos verursacht, sie war sinnlos und Sie hätten sich dafür hier an dieser Stelle entschuldigen müssen." Die Kabinettsmitglieder spricht Losse-Müller einzeln direkt an, fragt sie, warum sie der Bremse zugestimmt haben.
Und dass der Ministerpräsident im Vorfeld zwar Interviews gegeben hat, sich aber in der Debatte zurückhält, ärgert ihn besonders. Nicht nur, weil Daniel Günther (CDU) im Interview die SPD "beschimpft" habe. Der Ministerpräsident selbst lächelt und plaudert mit der Finanzministerin.
Wirbel um Koch-Äußerungen
CDU-Fraktionschef Tobias Koch greift seinerseits die Opposition an, die der Meinung ist, die Haushaltssperre sei bewusst erst nach der Kommunalwahl verkündet worden. Dass mit dem "Vorwurf der Wählertäuschung hantiert" werde, sagt Koch, bediene das "Narrativ der Anti-Demokraten" - dies sei "erbärmlich."
SSW-Fraktionschef Lars Harms will das zurückgenommen wissen. FDP-Fraktionschef Christopher Vogt rät Koch, sich an die eigene Nase zu fassen. Am Ende schreitet Landtagspräsidentin Kristina Herbst ein: "Alle hier im Saal sind Demokraten."
Harms nennt die Haushaltssperre "Blödsinn" - vor allem deshalb, weil die "Vollbremsung" aus seiner Sicht eigentlich die letzte Maßnahme sein müsste, "wenn alles im Dutt ist." In der Situation sei man aber noch nicht gewesen. Wie zuvor Losse-Müller bemängelt auch Harms, dass die Haushaltssperre im Kabinett ohne schriftliche Vorlage, quasi auf Zuruf beschlossen worden sei.
"Der Planet wartet nicht"
Die finanzielle Situation dürfte auf Dauer nicht besser werden, warnt Christopher Vogt die Landesregierung. Und er wirft Schwarz-Grün vor, keinen Plan zu haben. "Ihre aktuelle Sparliste hilft Ihnen da auf Dauer ja auch nicht wirklich weiter. Und Ihr Koalitionsvertrag ist längst Makulatur geworden", so der Fraktionschef.
Dass die Zeiten schwerer werden, darüber besteht indes Einigkeit. Investiert werden müsse trotzdem, sagt Lasse Petersdotter von den Grünen - etwa in den Klimaschutz: "Der Planet wartet nicht auf eine bessere Steuerschätzung."
Nach zwei Stunden ist die Debatte - und damit die Sondersitzung des Landtags - beendet. Zeit für die Abgeordneten, sich in den Kieler Wochenendverkehr einzureihen.