Habeck: "Probleme bei Northvolt waren uns nicht bekannt"
Ist die im Bau befindliche Batteriefabrik des insolventen schwedischen Start-ups Northvolt bei Heide (Kreis Dithmarschen) in Schleswig-Holstein noch zu retten? Das hängt laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck davon ab, ob neue Investoren gefunden werden können.
Der Grünen-Politiker ist an diesem Wochenende auf Wahlkampf-Tour in seinem Heimat-Wahlkreis. Am Sonnabend hat er ein echtes Heimspiel. In den Südspeicher in Kappeln sind überwiegend Sympathisanten und Unterstützende gekommen. Die Stimmung in der Halle ist gut. Der Kanzlerkandidat der Grünen spricht über die Gefahr des Populismus, über analoge Räume, die man wieder schaffen müsse, und über den Klimaschutz, der in diesem Wahlkampf mal wieder eine viel zu unbedeutende Rolle spiele.
Über das größte Industrieprojekt, das die Energiewende voranbringen soll, spricht er nicht - über den Bau der Giga-Factory bei Heide. Dabei soll sie mehr als 3.000 neue Jobs in die Region Dithmarschen bringen und in Zukunft Batterien für knapp eine Million E-Autos pro Jahr liefern.
Habeck: Northvolt spricht mit Investoren
![Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) © dpa Foto: Marcus Brandt](/nachrichten/info/habeck1348_v-contentgross.jpg)
Auf die Frage des NDR Reporters, warum er das Projekt in seiner Rede nicht erwähnt habe, zögert Habeck zunächst. Dann räumt er ein, dass Northvolt in Schweden tatsächlich mit technischen Problemen kämpfe. Darüber hat der NDR zuletzt Ende vergangener Woche ausführlich berichtet. Im Interview fügt Habeck einen Satz hinzu, der aufhorchen lässt: "Die schwedische Mutter hat ein technisches Problem gehabt, es gibt Interessenten, das Ding zu übernehmen. Dann können die Probleme abgestellt werden und dann könnte es auch weitergehen in Heide - beziehungsweise in Heide geht es ja weiter. Also, das ist ein offenes Verfahren", sagt er. Und wenn nicht? Auf Nachfrage erklärt er, Northvolt führe derzeit Gespräche mit möglichen Investoren. "Ob das dann wirklich dazu führt, dass am Ende alles steht, das kann ich heute nicht sagen. Da ist eine Dynamik drin und hoffentlich passiert es auch positiv." Zuversicht hört sich anders an.
1,3 Milliarden Euro staatliche Förderung zugesagt
Habeck unterstreicht auch noch einmal, von den technischen und finanziellen Problemen bei Northvolt erst "weit nach Vertragsschluss" mit dem schwedischen Start-up erfahren zu haben. Northvolt hatte im Januar 2024 seine Entscheidung für den Bau einer Batteriefabrik bei Heide bekannt gegeben. Für diesen haben der Bund und das Land Schleswig-Holstein mehr als 1,3 Milliarden Euro in Aussicht gestellt: 600 Millionen Euro in Form eines Kredits der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), 700 Millionen Euro als Förderung.
Für die Abwicklung des staatlichen KfW-Kredits wurde der Weg eines sogenannten Zuweisungsgeschäfts gewählt. Die staatliche KfW-Bank führt in solchen Fällen in der Regel keine weitere eigene Prüfung durch, sondern stellt die Kreditmittel auf Veranlassung der Bundesregierung zur Verfügung.
Bund und Land stehen für Kredit gerade
Das schwedische Start-up Northvolt ist mit geschätzt rund sechs Milliarden Euro verschuldet und befindet sich derzeit in einem Insolvenzverfahren nach dem US-amerikanischen Chapter 11 vor einem Gericht in Houston im Bundesstaat Texas. Dabei geht es um die Restrukturierung der finanziellen Basis des angeschlagenen Unternehmens. Nachdem Northvolt in Schwierigkeiten geraten war, mussten der Bund und das Land Schleswig-Holstein für den Kredit der KfW-Bank in Höhe von rund 600 Millionen Euro aufkommen und die Summe aus Steuermitteln begleichen.
Berater bewerteten Ausfallrisiko offenbar als äußerst niedrig
Die finanziellen und technischen Grundlagen für das Geschäft wurden im Auftrag der Bundesregierung vorab durch die externe Beratungsfirma PwC geprüft. Das PwC-Gutachten hat nach Recherchen des NDR das Ausfallrisiko für den KfW-Kredit mit nur einem Prozent bewertet. Auf die Frage, ob das schwedische Unternehmen möglicherweise wichtige Informationen zurückgehalten habe, sagte Habeck am Wochenende im NDR Interview: "Die Probleme bei Northvolt wurden uns erst bekannt, weit nachdem die Verträge geschlossen wurden." Ob das davor nicht bekannt gewesen oder verheimlicht worden sei, das könne er nicht sagen.
Das Gutachten von PwC war im Dezember 2024 durch das Ministerium von Habeck als vertraulich eingestuft. Mehrere Politiker der Opposition und die Organisation "FragdenStaat" fordern inzwischen eine Offenlegung. Das Bundeswirtschaftsministerium hat dies bislang abgelehnt. Dazu sagte Habeck dem NDR, die mit dem Unternehmen vereinbarte Vertraulichkeit könne er nicht aufheben, weil das zu negativen Konsequenzen bei zukünftigen vergleichbaren Verfahren mit anderen Firmen führen würde.
Anfänglicher Widerstand aus dem Finanzministerium
Dem NDR liegen inzwischen auch vertrauliche Unterlagen zum Ablauf der politischen Entscheidung und zu Details der staatlichen Kreditvergabe vor. Demnach gab es offenbar im Vorfeld zunächst Widerstand aus dem Bundesfinanzministerium zum gewählten Verfahren des KfW-Kredits. Nach Dokumenten, die dem NDR vorliegen, hat der damalige Ressortchef Christian Lindner (FDP) dem KfW-Darlehen mit einer Bürgschaft von Bund und Land jedoch im Mai 2023 zugestimmt. Dem NDR liegt außerdem das vertrauliche Protokoll des Haushaltsausschusses des Bundestags vom 18. Oktober 2023 vor, bei dem die Mitglieder das Subventionsgeschäft zur Kenntnis genommen haben. Kritische Nachfragen dazu gab es dort laut Protokoll weder von Vertretern der Union noch von SPD, FDP oder den Grünen.
Northvolt-Chef und Günther äußern sich zuversichtlich
Und wie stehen nun die Chancen für das Milliarden-Investment bei Heide? Zuletzt hatten sich der Deutschland-Chef von Northvolt, Christofer Haux, und auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) zuversichtlich zum Bau der Fabrik in Schleswig-Holstein geäußert. Haux betonte im NDR, es gebe durch das Insolvenzverfahren nach wie vor keine Verzögerungen auf der Baustelle. Günther sagte, er sei optimistisch, dass 2027 die ersten Batterien produziert werden können.
Wirtschaftsminister Habeck antwortet in Kappeln auf die Frage, ob die Fabrik in Norddeutschland komme oder nicht, zunächst mit einer langen Pause. Er überlegt. Dann sagt er: "Da ist noch eine Chance da." Und fügt hinzu: "Eine gute". Damit verschwindet er im Auto, unterwegs zum nächsten Wahlkampftermin.
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