Zwei Mitarbeiter der Firma Nothvolt gehen über eine Baustelle im Kreis Dithmarschen. © picture alliance/dpa Foto: Frank Molter
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AUDIO: Krise bei Northvolt: Was wird aus dem Projekt in Heide? (9 Min)

Die Probleme von Northvolt: Ist das Werk bei Heide in Gefahr?

Stand: 07.02.2025 06:00 Uhr

Der schwedische Batterie-Hersteller Northvolt hat große Pläne für den Norden. In Schleswig-Holstein soll bei Heide eine riesige Fabrik entstehen. Aber der Mutterkonzern hat seit Monaten finanzielle Schwierigkeiten. Steht das Mega-Projekt vor dem Aus?

von Christian Stichler

Auf der Baustelle von "Northvolt Drei" bei Heide im Kreis Dithmarschen ist Ende Januar nicht viel zu sehen. Knapp ein Jahr nach dem Baustart ist der Blick zum Horizont noch weitgehend frei. Einige Baumaschinen, drei Drehbohranlagen und etliche Baucontainer stehen auf der Fläche des Milliarden-Projekts. Mehr nicht. Dabei soll hier eine gigantische Batterie-Fabrik entstehen. Schon im übernächsten Jahr will Northvolt die Produktion starten.

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Aber bei vielen Menschen in der Gegend mehren sich die Zweifel daran. So wie bei Rolf Eis. Er ist Rentner, wohnt nur gut einen Kilometer von der Baustelle entfernt. Er kommt fast jeden Tag mit seinem Hund am Bauzaun vorbei. "Wenn das hier eine Bauruine werden sollte, wäre es schon ziemlich schlecht für die Region", sagt Eis. Viele hätten ihre Hoffnungen auf die Fabrik gesetzt.

Heide: Ende 2027 soll die Produktion starten

Northvolt-Chef Christofer Haux. © NDR
"Alles läuft nach Plan", sagt Deutschland-Chef Christofer Haux mit Blick auf die Bauarbeiten bei Heide.

Gibt es Verzögerungen oder Probleme auf der Baustelle? Northvolt teilt dazu mit: "Die Bauarbeiten für die Batteriezellfabrik bei Heide schreiten voran." Und Deutschland-Chef Christofer Haux sagt im Interview mit dem NDR: "Alles läuft nach Plan." Der Manager gibt sich optimistisch, dass die norddeutsche Gigafactory Ende 2027 die ersten Batterien liefert.

Ob das tatsächlich so kommt, lässt sich heute nur schwer vorhersagen. Denn am Ende entscheidet sich das Schicksal des Konzerns nicht in Heide, sondern vor allem im Northvolt-Stammwerk in Schweden. Wenn die Produktion dort nicht im großen Stil anläuft, hat wohl auch Heide keine Chance.

Im Stammwerk läuft es noch nicht rund

"Northvolt Ett" - also die "Nummer eins" der Northvolt-Fabriken - liegt in der Stadt Skellefteå, 800 Kilometer nördlich von Stockholm. Bis zum Polarkreis sind es von hier nur noch gut zwei Stunden mit dem Auto. Mehr als 30 Meter reichen die silbernen Hallen in die Höhe. 70 Fußballfelder groß ist das Gelände. Hier sollen - wie später in Schleswig-Holstein - in der finalen Ausbaustufe E-Autobatterien mit einer Gesamtleistung von 60 Gigawattstunden pro Jahr hergestellt werden. Das würde für mehr als 800.000 E-Autos reichen. Davon ist das Werk noch weit entfernt.

Ein Schwabe soll es in Schweden richten

Ein neuer Werksleiter soll deshalb die Produktion richtig in Gang bringen. Sein Name: Markus Dangelmaier. Der Schwabe ist seit Anfang 2025 CEO für das Stammwerk. Dangelmaier kommt von einem irischen Elektronik-Konzern. Er sei stolz darauf, am Projekt für die "grünsten und nachhaltigsten Batterien der Welt" mitzuarbeiten. Im Interview mit dem NDR zeigt er sich optimistisch. Man habe in Schweden in den zurückliegenden Quartalen Fortschritte gemacht. Nun gehe es darum, die Produktion "zu stabilisieren und zu skalieren".

Er sei auch regelmäßig mit den Kollegen in Deutschland im Austausch, damit die Produktion im Werk bei Heide schon auf einem viel höheren Niveau starten könne. Für das Stammwerk in Schweden prophezeit er: "Skellefteå wird brummen." Wie viele Batterien den dortigen Standort jeden Tag verlassen, verrät Northvolt aber nicht. Das sei ein Betriebsgeheimnis.

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In den Hallen sind nur wenige Batterien zu sehen

Beim Rundgang durch das schwedische Werk zeigt sich: Wenig spricht für eine Produktion auf Hochtouren. Viele Maschinen stehen still. Autonome Transportwagen stehen nutzlos herum. Und dort, wo am Ende die fertigen Batteriezellen zu Tausenden vom Band laufen sollen, sind nur wenige Hundert Stück zu sehen.

Ein Kenner der Fabrik sagt: Es habe große Probleme mit den Maschinen aus China gegeben. Die Verständigung mit den chinesischen Monteuren habe nicht funktioniert. Fabrik-Chef Dangelmaier sagt dazu, man stelle sich breit auf und arbeite nicht nur mit einem Hersteller zusammen. Außerdem sei Northvolt ständig dabei, die internen Prozesse zu verbessern. Ein Programm zur Beschleunigung der Produktion sei im Herbst 2024 erfolgreich gestartet worden, teilt zudem die Pressestelle mit.

Nach dem Schock der Entlassungswelle

Lena Lundgren von der Gewerkschaft IF Metall hat harte Monate hinter sich. Um Kosten einzusparen, hat Northvolt im Herbst 2024 - mitten in der Anlaufphase der Produktion - weit mehr als 1.000 Mitarbeitende am Standort Skellefteå entlassen. Ein Viertel der gesamten Belegschaft. "Darunter waren Leute, die an Tag eins ihres Jobs die Kündigung erhalten haben", berichtet die Gewerkschafterin. "Die sind um die halbe Welt gereist, um hier anzufangen - zum Teil mit Familien, sie hatten schon Mietverträge unterschrieben und standen dann mit ihrer Entlassung da."

Offene Rechnungen in Schweden - Firmen fordern Millionen

Klar ist: Northvolt steckt in finanziellen Nöten. Nach Schätzungen lasten derzeit rund sechs Milliarden Euro Schulden auf dem Mutterkonzern und seinen Tochterfirmen. Ein Sanierungsverfahren in den USA dient vor allem dazu, einen Schnitt zu machen, um die Voraussetzung für neue Investoren zu ebnen. Man sei in guten Gesprächen, sagt Northvolt dazu. Beim sogenannten Chapter-11-Verfahren in den USA haben Konzerne in der Krise die Möglichkeit, ihre Finanzen eigenständig ohne Insolvenzverwalter neu zu ordnen und das Unternehmen im besten Fall zu retten.

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Wie eng die finanziellen Spielräume derzeit sind, zeigt sich im Norden Schwedens. Northvolt hat offenbar Probleme, die Rechnungen seiner Lieferanten zu bezahlen. Die schwedische Vollstreckungsbehörde Kronofogden hat dem NDR eine Liste mit offenen Forderungen geschickt - von Bauunternehmen, Dienstleistern bis hin zu öffentlichen Stellen. Sie alle warten auf Geld von Northvolt. Es geht um eine Summe im zweistelligen Millionenbereich.

Sami Lundqvist, Abteilungsleiter von Kronofogden in Skellefteå, erklärt im Interview mit dem NDR, das Sanierungsverfahren habe in Schweden keine aufschiebende Wirkung. "Wir arbeiten hier nach schwedischen Gesetzen. Das heißt, wir werden das Geld eintreiben." Mehrere Millionen hat die Behörde nach eigenen Angaben schon gesichert. Northvolt sagt zu den Vorwürfen, man sei im Austausch mit seinen Lieferanten. Abschließend könne man sich aber erst nach Ende des Sanierungsverfahrens zu den Forderungen äußern.

Der Boom könnte schon bald vorbei sein

Auf einer Stellwand an der Northvolt-Baustelle in Heide steht: Moin, hier entsteht Deutschlands nachhaltigste Batteriezellfabrik. © NDR Info
Mit dem Namen Northvolt ist die Hoffnung auf eine eigenständige europäische Batterie-Produktion verbunden.

Viel Zeit bleibt Northvolt nicht. Der Konzern will nach eigenen Angaben im ersten Quartal dieses Jahres das Chapter-11-Verfahren verlassen haben. Aber was ist, wenn es scheitert? Diese Frage stellen sich mittlerweile viele im Ort. "Da steckt zu viel Geld drin, um die Fabrik untergehen zu lassen", sagt ein junger Mann in der Fußgängerzone. Viele kennen jemanden, der bei Northvolt arbeitet. "Skellefteå wird nicht mehr das sein, was es heute ist, wenn das Werk schließen sollte", meint eine junge Frau.

Denn seit der Entscheidung für den Standort im Jahr 2017 hat die Stadt einen großen Boom erlebt. Neue Restaurants und neue Geschäfte sind entstanden, Wohnungen wurden gebaut. Die Zahl der Einwohner ist so stark gestiegen wie seit den 1970er-Jahren nicht mehr.

Ein Scheitern hätte weitreichende Folgen

Lorents Burman ist der Bürgermeister der Stadt. Er war dabei, als die Entscheidung vor fast acht Jahren fiel. "Das war ein Riesenglück für uns", sagt er heute. Mittlerweile geht es aus seiner Sicht um viel mehr als um die Zukunft seiner Stadt. "Wenn die Batterie-Fabrik hier scheitern sollte, dann stirbt auch die Hoffnung einer von Asien unabhängigen europäischen Batterie-Produktion." Dann stehe der Markt offen für andere Länder - vor allem China. Und das würde Europa teuer zu stehen kommen, so der Bürgermeister.

Asiatische Batterie-Hersteller sind viel weiter

Was Northvolt womöglich unterschätzt hat: Die massenhafte Produktion von Batterien ist eine enorme technische Herausforderung. Darauf weist Florian Degen von der Fraunhofer-Einrichtung Forschungsfertigung Batteriezelle FFB in Münster hin. Eine E-Auto-Batterie müsse viel günstiger, aber auch viel leistungsfähiger und länger haltbar sein als eine Handy-Batterie. Der Forscher sagt, die asiatischen Firmen hätten einen Vorsprung von mindestens zehn Jahren: "Die haben klein angefangen und nicht gesagt, ich baue direkt drei Gigafabriken." So wie es Northvolt getan hat.

Ex-Minister: Vielleicht hätten wir intensiver hinschauen sollen

Bernd Buchholz kennt die hochtrabenden Pläne von Northvolt genau. Der FDP-Politiker hat als damaliger Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein den Deal mit Northvolt zu Beginn mit eingefädelt. Heute sagt Buchholz selbstkritisch: "Vielleicht hätte man auf die technische Seite intensiver gucken müssen."

Das einzige Gutachten der Prüfgesellschaft PwC, das die Machbarkeit der Fabrik bei Heide beleuchtet, ist seit Dezember 2024 vom Bundeswirtschaftsministerium als vertraulich gestempelt worden. Auf die Frage des NDR, ob das Ministerium unter Führung von Robert Habeck (Grüne) die technische Machbarkeit ausreichend geprüft habe, antwortet das Ministerium: "Zu Anfang jeder Produktion ist die Ausschussrate hoch und dies ist branchentypisch, denn es war auch bei allen asiatischen Wettbewerbern der Fall."

Ministerpräsident Günther zeigt sich optimistisch

Was bedeutet das alles für das Milliarden-Projekt bei Heide? Kommt die Gigafactory wirklich? Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) verbreitet weiterhin Optimismus. Er glaube fest daran, dass man in Europa auch bei neuen Industrien mit dabei sein müsse. Und fügt hinzu: "Wer wären wir in Schleswig-Holstein, wenn wir nicht unsere Standort-Vorteile mit den erneuerbaren Energien auch für solche Projekte nutzen würden?!" Günther setzt nach wie vor darauf, dass im Jahr 2027 am Standort Heide die ersten Batterien produziert werden.

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NDR Info | 07.02.2025 | 15:00 Uhr

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