Glückstadt: 120 Geflüchtete beziehen neue Landesunterkunft
Sie kommen aus dem Iran und Irak, aus Afghanistan, der Türkei und Syrien: 120 Menschen, die Schutz in Deutschland suchen. Sie sind die ersten Bewohner in den Räumen der ehemaligen Kaserne.
120 Geflüchtete, 180 Asylbewerber, 600 Menschen in der Unterkunft. Hinter all diesen Zahlen verbergen sich die Geschichten von Menschen, die geflohen sind. Einzelschicksale, die vermutlich nicht freiwillig ihre Heimat verlassen haben. Sie sind jetzt in Glückstadt (Kreis Steinburg) und werden auch dort nur kurze Zeit bleiben. Denn die ersten 120 Geflüchteten, die am Donnerstag ankommen, sind bereits registriert und werden in Kürze auf die Kreise und kreisfreien Städten verteilt. Wo sie hinkommen sollen, steht laut dem zuständigen Landesamt bereits fest. Dann sollen die nächsten 180 Menschen kommen.
Die Rollenverteilung ist klar: Das Land, das schnellstmöglich Raum für den anhaltenden Zuzug von Menschen braucht. Die Kommune, die die Menschen vor Ort informieren und Gerüchte aus der Welt räumen muss. Und da sind die Geflüchteten, die oft aus Staaten ohne jegliche Behördenstruktur stammen und nun lernen müssen zu verstehen, wie Deutschland funktioniert. Das Land hat die Erstaufnahmeeinrichtung in Glückstadt binnen gut zwei Wochen reaktiviert. Am 12. September hatte das Sozialministerium angekündigt, bis zu 600 Geflüchtete in der ehemaligen Kaserne unterbringen zu wollen.
Kommune und Land müssen gemeinsam für Information sorgen
Zwei Wochen, in denen auch die Gerüchteküche in der 11.000 Einwohner-Stadt brodelte. Es war zum Beispiel die Rede von Wohnungen in Senioreneinrichtungen, die künftig für Geflüchtete genutzt werden sollen. Eine Infoveranstaltung gemeinsam mit Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) am vergangenen Freitagabend sollte für Aufklärung sorgen, und hat dies - in Teilen - auch geschafft. Die Erstaufnahmeeinrichtung ist keine Unterkunft auf Dauer für die Menschen. Dort sollen sie nur so lange bleiben, bis ihre Anträge entschieden und sie weiter in die Kreise und kreisfreien Städte zugeteilt werden können. Das Landesamt für Migration und Flüchtlinge spricht von zwei Wochen, die die ersten 120 Menschen in der Unterkunft bleiben werden.
Die Sozialministerin bedankte sich für die Unterstützung auf allen Ebenen, und hob insbesondere "die zahlreichen Anregungen und Rückmeldungen auf der Einwohnerversammlung in der vergangenen Woche" hervor. "Auf Glückstadt ist Verlass." Die ehemalige Kaserne diente bereits bis Dezember 2017 als Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete und ist nun reaktiviert.
Notarzt-Börse kümmert sich um medizinische Versorgung
Der Engpass an den Schulen und bei Hausärzten vor Ort soll ebenfalls nicht durch die Geflüchteten verschärft werden - mit Hilfe der Notarzt-Börse. Das ist ein Unternehmen, das Mediziner vermittelt. Die Mitarbeiter dort kümmern sich montags bis freitags von 8 bis 16.30 Uhr um die hausärztliche Betreuung und Notfälle. Dafür sind am Donnerstag ein Arzt sowie zwei medizinische Fachangestellte in Glückstadt. Wenn die Unterkunft voll belegt ist, sollen es drei Ärzte und fünf medizinische Fachangestellte sein. Auch ein Übersetzer sei vor Ort, vor allem für die vielen hausärztlichen Themen.
Die Betreuung vor Ort wird durch das Deutsche Rote Kreuz (DRK), genauer über den Kreisverband Segeberg, übernommen. Dessen Vorsitzender Matthias Deerberg kennt eigenen Angaben zufolge die Bedürfnisse solcher Einrichtungen, denn sein Kreisverband betreut auch die Erstaufnahme in Boostedt (Kreis Segeberg). Das Ziel: Ein niedrigschwelliges Freizeitangebot für alle Altersgruppen. In Boostedt beispielsweise seien es demnach 120 Mitarbeitende, die sich um Kinderspielstube, Nähwerkstatt, Sportangebote, Holzwerkstatt und Kochprojekte kümmern. In Glückstadt ist das DRK derzeit dabei, ein ähnliches Angebot aufzubauen. Unter den ersten Geflüchteten in der Erstaufnahmeeinrichtung sind keine schulpflichtigen Kinder, sondern nur jüngere. Die Beschulung vor Ort wird in Zukunft aber ebenfalls durch das DRK übernommen.
Ziel: Ehrenamtliches Netzwerk reaktivieren
Und die Kommune? Obwohl die Einrichtung auf dem Gebiet der Stadt Glückstadt steht, hat die Kommune wenig bis gar nichts mit der Organisation zu tun. Bürgermeister Rolf Apfeld (parteilos) sieht sich als eine Art Mittler. Er möchte, dass sich die Menschen in Glückstadt wohlfühlen, auch wenn sie nur vorübergehend dort sind. Aber er möchte auch, dass das subjektive Sicherheitsgefühl seiner Einwohner gestärkt wird. Deshalb hat er von Sozialministerin Touré gefordert, mehr Polizeibeamte im Ort zu haben. Drei Polizisten sind zum Start am Donnerstag vor Ort, in einer neu eingerichteten Polizeistation, sagte Innenstaatssekretärin Magdalena Finke. Weitere Einsatzkräfte würden zeitnah dazu kommen, heißt es weiter. Wie viele genau, stehe derzeit noch nicht fest. Man wolle sich dabei an der jeweiligen Belegungszahl der Landesunterkunft orientieren und greife auf Erfahrungen schon existierender Polizeidienststellen in den anderen fünf Landesunterkünften zurück.
Die Glückstädter selber wollen aber auch nicht tatenlos bleiben. Schließlich war bei der letzten großen Flüchtlingsbewegung vor acht Jahren bereits ein großes Netzwerk an Hilfsbereitschaft entstanden. Genau wie die Erstaufnahmeeinrichtung soll nun auch dieses Netzwerk reaktiviert werden. Die Stadt wird für Mitte Oktober zu einem Infotreffen einladen. In der Hoffnung, das die Hilfsbereitschaft von damals noch vorhanden ist.