Bundesweite Premiere: Drohnen mit medizinischer Fracht im Linienverkehr
Drohnen sind Alleskönner. Ob Videoaufnahmen, Aufspüren von Rehkitzen oder in der Logistik: Mit der richtigen Ausstattung können sie ziemlich viele Aufgaben übernehmen. Eine neue ist nun im Auftrag der Medizin unterwegs.
Sie wirkt aus der Ferne fast wie eine sehr große Schwalbe: die Drohne, die seit Montag (24.3.) zwischen den Asklepios-Kliniken in Selent (Kreis Plön) und Bad Oldesloe (Kreis Stormarn) hin und her pendeln soll. 50 Kilometer Luftlinie. Im kleinen Frachtraum wird sie medizinische Proben transportieren, die dann im Labor in Bad Oldesloe analysiert werden. Denn die Klinik in Selent ist zu klein für eine eigene teure Labor-Ausrüstung. Bisher übernahm den Transport der wichtigen Fracht ein Kurierfahrzeug.
Schnellere Laborergebnisse bei geringeren Kosten
Das war ziemlich viel Gewicht auf der Straße für wenige Gramm an Proben, findet Patrick Hauser von der Firma Medilys. "Wir setzen 80 bis 120 Kilo Mensch in einen 3,5 Tonnen schweren Transporter, um im besten Fall zwei Kilo Proben zu transportieren. Da ist die Drohne schon naheliegend."
Die ist im Vergleich ein Leichtgewicht mit ihren 18 Kilogramm. Breit ist sie drei Meter. Drei Kilogramm darf die Drohne des Start-ups Jedsy aus der Schweiz zuladen. Bei optimalen Bedingungen hat sie eine Reichweite von 120 Kilometern und fliegt dabei rund 110 Kilometer pro Stunde.
Menschliche Assistenz ist für die Drohnen kaum nötig
Am Zielort hakt sich die Drohne in eine Art Fensterrahmen. Die Labormitarbeiterinnen und -mitarbeiter müssen die Fracht dann nur entnehmen. Einen menschlichen Piloten, der Hersteller spricht vom "Operator", braucht das Luftfahrzeug nur noch in Notfällen.

Doch die sollte es selten geben, denn wie bei einem großen Passagierjet sind alle Systeme des kleinen Fliegers zweifach vorhanden. Fällt ein System aus, springt das zweite ein. Auch deshalb müsse sich laut Hauser niemand Sorgen machen, der nahe der Flugstrecke wohnt.
Vorteile für Kliniken und Kranke
Der schnellere Transport ist auch aus einem anderen Grund ein Vorteil: Eine Probe bestehe aus lebenden Zellen, sagt Dorothea Angerhaus vom Laborbetreiber Medilys. Sie wird ab sofort mit den neuen Drohnen arbeiten. "Die Zellen atmen und leben auch außerhalb des Körpers erst einmal weiter. Wenn der Kurier im Stau steht, kann der da nicht weg. Und dann geht den Zellen zum Beispiel der Sauerstoff aus." Diese Gefahr sei mit dem Transport auf dem Luftweg deutlich kleiner.
Drohnen als Hilfe gegen den Personalmangel
Perspektivisch könnten mithilfe der Drohnen auch Personalengpässe abgefedert werden, so Hauser. "Wenn ich in zwei Kliniken Labore betreibe, aber die Proben durch die Drohnen zuverlässig und schnell von einer in die andere bekomme, kann ich ein Labor schließen und das Personal zum anderen mitnehmen." Damit ließen sich Engpässe in Dienstplänen ausgleichen, ohne dass mehr Personal benötigt würde. Denn auch in den medizinischen Laboren herrsche Fachkräftemangel.
Luftfahrtbundesamt: Aufwand für Genehmigung "verhältnismäßig hoch"

Es war ein langer Weg, bis die Klinik in Schleswig-Holstein nun als erste in Deutschland den Regelbetrieb aufnehmen kann. Zwei Jahre habe man mit Luftfahrtbundesamt, Landesbehörden und Naturschutzverbänden gerungen, bis die Route von allen Seiten genehmigt wurde, so Hauser. Denn die Drohnen dürfen nur auf einem festgelegten Flugpfad mit genau definierten Höhen verkehren. Zwischen 100 und 150 Metern Höhe bewegen sie sich dabei und umfliegen sämtliche Wohnbebauung.
Der Transport von risikoreichen Gütern - und dazu zählen medizinische Proben - werde in die höchste Risikoklasse für den Drohnenbetrieb eingestuft, teilt das Luftfahrtbundesamt mit. Deshalb die langwierige Genehmigung. Auch andernorts plant man Drohnen als Hilfsmittel in der Medizin. Anfang April geht in Baden-Württemberg das Zollernalb Klinikum ebenfalls mit Drohnen für den Transport von Laborproben an den Start. Hier passiert das allerdings mit der zusätzlichen Erlaubnis, auch Wohnhäuser überfliegen zu dürfen.
Experte macht sich keine Sorgen um Sicherheit der Proben
Das Gefühl, dass der Genehmigungsprozess besonders lange dauert, teilt Jean Daniel Sülberg vom deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nur in Teilen. "Natürlich ist der Genehmigungsprozess am Anfang langwierig. Aber wenn die Behörde erstmal einen Ablauf für diese neuen Verfahren hat, sollte es deutlich schneller gehen." Nachahmer würden sehr sicher von den Erfahrungen profitieren, die jetzt mit dem langen Prozess gemacht wurden. "Und da kommt gerade richtig Bewegung rein seit Anfang des Jahres." Die ersten Betriebe mit "normaler" Fracht seien ebenfalls kürzlich angelaufen.
Die Linienverbindung zwischen Selent und Bad Oldesloe ist in der höchsten Gefahrenkategorie der sogenannten Kategorie "SAIL III" zugelassen worden. Das eröffne insgesamt eine Vielzahl neuer Einsatzmöglichkeiten. Sorgen um die Sicherheit der medizinischen Proben mache er sich nicht. Ein Auto könne ebenso einen Unfall haben, nach jetzigem Wissensstand sei das auch deutlich wahrscheinlicher, so Sülberg.
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