Brokstedt: Diskussion über Umgang mit psychisch auffälligen Gefangenen

Stand: 02.03.2023 08:21 Uhr

Im Innen- und Rechtsausschuss des Landtags sahen die Abgeordneten einen professionellen Umgang der schleswig-holsteinischen Behörden mit dem mutmaßlichen Täter von Brokstedt. Die SPD fordert, psychiatrische Betreuung von Inhaftierten stärker zu thematisieren.

von Friederike Schneider

In Schleswig-Holstein hat sich der Innen- und Rechtsausschuss des Landtags am Mittwoch erneut mit der tödlichen Messerattacke in einem Regionalzug in Brokstedt befasst. Dabei wurde deutlich, dass sich der mutmaßliche Täter in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Neumünster weiterhin auffällig verhält. Die Landtagsabgeordneten waren sich jedoch fraktionsübergreifend einig, dass der Umgang der JVA und auch der schleswig-holsteinischen Behörden mit dem Mann angemessen sei.

Der Innen- und Rechtsausschuss des Landtags in Kiel bei einer Sitzung zum Messerangriff in Brokstedt © dpa-Bildfunk Foto: Marcus Brandt/dpa
AUDIO: Innen- und Rechtsausschuss debattiert über mutmaßlichen Täter von Brokstedt (1 Min)

Abgeordnete: JVA geht professionell mit mutmaßlichem Täter um

"Nach allem, was ich bislang gehört habe, findet da ein hoch professioneller Umgang statt", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Niclas Dürbrook. Auch der Ausschussvorsitzende Jan Kürschner (Grüne) erklärte, er habe keine Zweifel, dass die JVA Neumünster die Situation gut handhaben könne. FDP und CDU sehen keine größeren Probleme. "Dass das kein einfacher Inhaftierter ist, wissen wir schon eine ganze Weile", sagte der innenpolitische Sprecher der FDP, Bernd Buchholz. "Auf der anderen Seite haben wir heute gehört: Damit weiß die JVA schon umzugehen." Auch der CDU-Innenpolitiker Tim Brockmann meinte: "Ich habe den Eindruck, dass das, was in der JVA Neumünster gemacht wird, dem entspricht, wie mit einem solchen Gefangenen umzugehen ist."

SPD: "Psychische Unterstützung für Gefangene gehört auf die Tagesordnung"

Dennoch müsse genau geprüft werden, wie psychisch auffällige Gefangene in der Haft behandelt werden könnten, betonte SPD-Politiker Dürbrook. "Das Thema psychische Unterstützung für Gefangene gehört dauerhaft auf die Tagesordnung", sagt er. Zwar soll bis 2026 eine vollstationäre Abteilung für psychisch schwer erkrankte Inhaftierte am Standort Lübeck mit 20 bis 25 Plätzen entstehen. "Für mich ist aber noch nicht klar, was in der Zwischenzeit passieren soll", so Dürbrook. Außerdem müsse die gesamte Situation im Justizvollzug auf den Prüfstand gestellt werden, um zu ermitteln, wie sie verbessert werden könnte.

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FDP-Innenpolitiker Buchholz sagte dagegen, Schleswig-Holstein sei in einer guten Position, was die Betreuung der Inhaftierten angehe. Es sei für den Strafvollzug nichts Besonderes, mit auffälligen und anstrengenden Gefangenen wie Ibrahim A. umzugehen.

Grüne: Mangelnder Umgang der Gesellschaft mit psychisch auffälligen Menschen

Kürschner merkte an, dass das größte Problem außerhalb der Gefängnisse liege. "Wir haben in der Gesellschaft einen mangelnden Umgang mit Menschen, die man zu Recht als gefährlich einschätzen kann", sagte er. Oft gebe es nur kurzzeitige Betreuungen. "Allein lassen und hoffen, dass nichts passiert, ist nicht das Patentrezept", sagte der Ausschussvorsitzende. Der Fall Brokstedt habe das erneut gezeigt - Recherchen des WDR hatten ergeben, dass der mutmaßliche Täter bereits seit 2015 psychisch auffällig war und auch Hilfe in einer Klinik gesucht hatte. Dort waren Anzeichen einer Psychose festgestellt worden. Eine Therapie machte der Mann damals aber nicht.

Justizministerium weist Vorwürfe der Gewerkschaft zurück

In Bezug auf die Haft in Neumünster waren zuletzt von der Gruppe Justizvollzug in der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Vorwürfe erhoben worden: Trotz des auffälligen Verhaltens von Ibrahim A. habe es eine Weisung aus dem Justizministerium gegeben, die Sicherheitsmaßnahmen für den Transport zu einer ärztlichen Untersuchung zu senken. Die Justizbediensteten sollten demnach keine Waffen tragen. Justizstaatssekretär Otto Carstens (CDU) wies dies im Ausschuss erneut als falsch zurück. Es sei eine Entscheidung der Anstaltsleitung gewesen, die in deren Ermessensspielraum liege und fachlich nicht zu beanstanden sei. Bisher hat zudem gar kein Transport zu einem Krankenhaus stattgefunden, stattdessen war ein Arzt in die JVA gekommen, um den Gefangenen zu untersuchen.

Die grundsätzliche Sicherheitskategorie für Ibrahim A. hat sich laut Justizministerium nicht geändert. Auch diese Einstufung nehme die Anstaltsleitung vor. "Das Ministerium war weder bei der Kategorisierung noch bei den Maßnahmen involviert, das wäre auch sehr unüblich", sagte der Leiter der Justizvollzugsabteilung im Justizministerium, Tobias Berger. FDP-Politiker Buchholz meinte, es habe weder eine Einflussnahme des Ministeriums noch eine Fehleinschätzung der Anstaltsleitung gegeben.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 01.03.2023 | 17:00 Uhr

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