Agrarminister tagen: Landwirte beklagen wechselnde Auflagen

Stand: 20.09.2023 20:04 Uhr

Die Agrarministerinnen und -minister der Ländern treffen sich in Kiel mit Bundeslandwirtschaftminister Cem Özdemir (Grüne). Im Vorfeld gibt es scharfe Kritik an der Bundespolitik. Bauernverbände haben Proteste angekündigt.

von Friederike Schneider

Es geht um Herausforderungen in der Landwirtschaft, um Tierhaltung und Tierschutz - aber vor allem immer wieder um Transformation und darum, wie Bäuerinnen und Bauern bei all dem mitgenommen werden können. Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU), der in diesem Jahr den Vorsitz der Agrarministerkonferenz innehat, betonte, dass die Branche vor zahlreichen Umbrüchen stehe, die Betriebe aber Planungssicherheit bräuchten.

Schweinehalter: Ständig neue Vorgaben "demotivierend"

Genau die sehen viele Landwirtinnen und Landwirte aber nicht - so wie Schweinezüchter Jens-Walter Bohnenkamp aus Norderstedt (Kreis Segeberg). Vor fünf Jahren investierte er in seinen Stall, baute um, modernisierte Gebäude. Auch mehr Platz für Tiere habe er geschaffen, sagt er. Doch kurz nachdem der Umbau fertig war, gab es eine Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Die sieht unter anderem mehr Platz für die Tiere und den Verzicht auf die umstrittene Kastenstandhaltung vor. Jetzt muss Bohnenkamp bis kommenden Februar ein neues Umbaukonzept vorlegen. "Es ist definitiv demotivierend", sagte Bohnenkamp. "Ich habe einen Stall umgebaut, habe mir ein paar Jahre Zeit genommen, meinen Stall zu optimieren."

Fehlende Planungssicherheit bremst Umbau aus

So wie Bohnenkamp geht es vielen Schweinehalterinnen und -haltern. Laut einer aktuellen deutschlandweiten Stimmungsumfrage der Interessengemeinschaft der Schweinehalter (ISN) wollen drei Viertel der Befragten in den kommenden zwölf Monaten nicht in Schweinehaltung investieren. Das liege vor allem an der Unzufriedenheit mit der Politik, schreibt die ISN. Auf die Frage, welche Faktoren diese Entscheidung beeinflussen, nannten 81,9 Prozent fehlende Planungssicherheit und 75,6 Prozent politische Entscheidungen. Auch Dietrich Pritschau aus Westerrade (Kreis Segeberg) traut sich im Moment nicht, mit notwendigen Umbauten zu beginnen. Etwa zwei Millionen Euro müssten investiert werden. Viel Geld, sagt Pritschau. "Zum anderen befürchten wir, dass sich in der nächsten Zeit die Auflagen wieder verändern. Wir brauchen Planungssicherheit und die müsste Herr Özdemir uns zeitnah liefern."

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Fehlende Planungssicherheit, Genehmigungshürden und Bürokratie würde Transformationen behindern, heißt es von der ISN. Die Interessengemeinschaft befürchtet, dass viele Schweinehalterinnen und -halter ihre Betriebe angesichts der Unklarheiten aufgeben. In Schleswig-Holstein ist die Anzahl der schweinehaltenden Betriebe laut dem Statistischen Bundesamt in den vergangenen 20 Jahren von 2.540 auf 520 gesunken.

Bauerverband kritisiert Özdemir

Auch der Bauernverband sieht Deutschland als Landwirtschaftsstandort in Gefahr - und Bundesagarminister Özdemir in der Verantwortung. Mit immer neuen Auflagen ohne ausreichend finanzielle Entlastung werde die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe geschwächt. Pro Jahr würden in Schleswig-Holstein bereits bis zu fünf Prozent der Milchvieh- und bis zu elf Prozent der schweinehaltenden Betriebe aufgeben oder umsatteln.

"Land schafft Verbindung" fordert Ende der "ideologiegetriebenen Politik"

Der Verein "Land schafft Verbindung" richtet sich in einem offenen Briefan Özdemir. Die Vertreterinnen und Vertreter sprechen von einer "ideologiegetriebenen Politik" und "realitätsfernen Narrativen", die zum schlechten Image von Landwirtinnen und Landwirten und zu politischen Fehlentscheidungen geführt hätten. Der Verein fordert deshalb zu verschiedenen Themen eine Richtigstellung von Özdemir, zum Beispiel dem umstrittenen Pflanzenschutzmittel Glyphosat oder dem Methanausstoß in der Rinderhaltung. Dazu haben die Verantwortlichen nach eigenen Angaben wissenschaftliche Belege gesammelt und ein Dossier verfasst.

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ProVieh fordert klare Signale für Tierschutz

Der Nutztierschutz-Verband ProVieh mit Sitz in Kiel fordert von der Agrarministerkonferenz klare Signale für Tierschutz und einen Umbau der Tierhaltung. Es gehe nicht nur um jährlich 700 Millionen Nutztiere, "sondern auch um die Landwirtinnen und Landwirte, deren Arbeitsweise gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert wird, die aber den notwendigen Umbau der Tierhaltung nicht allein bewältigen können", teilte der Verband mit. Für den Umbau der Tierhaltung brauche es finanzielle Mittel und klare Standards. Tierschutz und landwirtschaftliche Betriebe seien gleichermaßen besorgt, dass es dabei politisch offenbar massiv stocke.

Schwarz: "Branche erwartet, dass wir liefern"

Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Schwarz machte im Vorfeld der Agrarministerkonferenz deutlich, dass er den "enormen Veränderungsdruck" auf den Betrieben wahrnehme. Viele seien bereit, ihre Produktionsverfahren und Arbeitsweisen weiterzuentwickeln. "Ein Umbau ohne Berücksichtigung der Belange der landwirtschaftlichen Betriebe wird allerdings nicht funktionieren", so Schwarz. Stattdessen müsse man gemeinsam Lösungen entwickeln. Dazu habe man in Schleswig-Holstein mit dem Dialogprozess zur Zukunft der Landwirtschaft einen Schritt getan. Dabei wurden laut Schwarz gemeinsam mit Verbänden und Institutionen 24 Thesen erarbeitet, aus denen konkrete Handlungsempfehlungen für die weitere Entwicklung der Landwirtschaft entwickelt werden sollen. Bundesweit habe die Zukunftskommission und die Borchert-Kommission ebenfalls Empfehlungen vorgelegt. "Lösungen liegen auf den Tisch - die Branche erwartet nun, dass die Politik liefert", so Schwarz.

Die Borchert-Kommission war ein Gremium aus Expertinnen und Experten, das die Bundesregierung mit Vorschlägen zur Verbesserung der Nutztierhaltung unterstützen sollte. Im August 2023 beschloss die Kommission jedoch ihre eigenen Auflösung - weil die politischen Rahmenbedingungen fehlten. "Die politischen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung der Empfehlungen des Kompetenznetzwerks wurden weder in der vorherigen Legislaturperiode noch in den ersten zwei Jahren der laufenden Legislaturperiode geschaffen", schreibt die Kommission. Erforderlich wären laut dem Gremium etwa die langfristige und rechtssichere Ausgestaltung der laufenden Tierwohlprämien sowie ausreichende finanzielle Ressourcen für die Umstellung von ökologischen und konventionellen Betrieben.

Schwarz kritisiert finanzielle Kürzungen

Schwarz kritisierte außerdem die geplanten Kürzungen für Agrarstruktur und Küstenschutz. "Sollten die Kürzungen in Höhe von 293 Millionen Euro so beschlossen werden, hätte dies massive finanzielle Auswirkungen", so der Landwirtschaftsminister. Förderprogramme und Fördermaßnahmen könnten dann nicht umgesetzt werden.

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 20.09.2023 | 19:30 Uhr

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