Landwirtschaft sucht Wege für mehr Naturschutz - etwa auf Fehmarn
Landwirte in Schleswig-Holstein würden gerne mehr für den Naturschutz im Land machen, wollen dafür aber auch finanziell ausreichend entschädigt werden. Außerdem wollen sie mehr Selbstverantwortung und weniger Auflagen. Ein Besuch bei Landwirten auf Fehmarn.
Das Wetter auf Schleswig-Holsteins "Sonnen-Insel" Fehmarn meint es gut: blauer Himmel, Sonnenschein. Nur über dem Festland ziehen ein paar dunkle Wolken auf. Das stört Landwirt Gunnar Müller aber herzlich wenig. Auf einem Acker setzt er ein sogenanntes "Penetrometer" an, ein Messgerät mit langer Spitze. Müller will wissen, ob der Boden gut aufgelockert ist, denn in verdichteten Böden können Pflanzen Wasser und Nährstoffe schlechter aufnehmen. Hier ist alles im grünen Bereich. "Das sieht gut aus, tipptopp", sagt Müller und grinst seinen Kollegen Carsten Marquardt an, der sich um den Acker gekümmert hatte. Raps hat er dort ausgesät, die ersten Sprossen keimen schon.
Versuchsfeld soll Hilfe für die Zukunft sein
In der Mitte des Ackers dreht gerade ein grüner Trecker seine Runden, auf einer mit Pfählen abgesteckten Fläche. "Das ist ein Versuchsfeld", erzählt Landwirt Marquardt, dessen Familie bereits in fünfter Generation auf Fehmarn (Kreis Ostholstein) in der Landwirtschaft tätig ist. Auf dem Feld werden unterschiedliche Rapssorten ausgesät. "Wir wollen hier sehen, wie der Raps auf unterschiedliche Intensitäten beim Dünger reagiert, um dann zu sehen, welche Sorten mit weniger Dünger auskommen und welche nicht."
Ihm geht es dabei auch um den Naturschutz. "Weniger Pflanzenschutzmittel, weniger Dünger, das ist für uns ziemlich wichtig", sagt der Landwirt. Sein Geld verdienen muss er aber auch. "Natürlich ist da auch ein wirtschaftlicher Aspekt. Je weniger Kosten wir pro Hektar haben, desto höher ist auch der Gewinn am Ende." Das Ziel lautet also: gleicher oder sogar ein höherer Ertrag, gepaart mit weniger Kosten für Dünger und Pflanzenschutzmittel. Von dieser Mischung könnte dann auch der Boden profitieren.
Zwischenfrucht soll Nährstoffe binden
Einige Straßen weiter zeigt Landwirt Marquardt eine grüne Wiese. Vor ein paar Wochen stand hier noch Weizen, den er wie er sagt, recht früh gedroschen hat. Auf dem Feld soll im April kommenden Jahres Mais angebaut werden. Direkt nach der Weizenernte wurden auf dem Feld sogenannte Zwischenfrüchte angebaut - Kräuter-und Erbsenpflanzen. Auch das macht er freiwillig für den Natur- und Gewässerschutz. "Die Zwischenfrucht hat die schöne Eigenschaft, dass sie die Nährstoffe, wie zum Beispiel Stickstoff und Phosphat, aus dem Boden aufnimmt und so bindet und im kommenden Jahr wieder an den Mais abgibt."
Früher wurde ohne Zwischenfrucht gearbeitet, erzählt der Landwirt. Das erhöht aber das Risiko, dass bei Dauerregen Stickstoff aus dem Boden ausgewaschen wird und dann in Form von Nitrat in das Grundwasser kommt. Über Gräben könnte das Nährstoffgemisch in die Ostsee fließen und den Zustand so weiter verschlechtern. Die Zwischenfrucht hat aber noch weitere Vorteile: Sie bietet Wildtieren Deckung, erhöht außerdem den Humusgehalt und lockert den Boden auf. Marquardt hofft darauf, dass dadurch der Mais im kommenden Jahr höhere Erträge bringt.
Kaum Anreize für Naturschutz
Versuchsfelder, weniger Dünger, Zwischenfrüchte, Blühstreifen, Knicks - der Naturschutz ist in der Landwirtschaft sicher noch längst nicht am Ende angekommen. Der Fehmaraner Klaus-Dieter Blanck ist Sachverständiger für landwirtschaftliche Themen. Er hat dazu eine klare Meinung. "Es gibt für Landwirte keinen echten Anreiz, Naturschutz zu machen. Die machen das in der Regel freiwillig." Blanck ist sich sicher, "wenn man Anreize etablieren würde, dann würde man sich wundern, was in kurzer Zeit entstehen könnte."
Naturschutzmaßnahmen sollten überprüft werden
Er kritisiert zum Beispiel die Modalitäten beim Vertragsnaturschutz. Wenn sich ein Landwirt dafür entscheidet, "dann dürfen nur Mehrkosten und fehlende Erträge ausgeglichen werden." Auch andere Maßnahmen kritisiert er. "Es werden Naturschutzprogramme ausgearbeitet, um zum Beispiel das Rebhuhn zu schützen. Die Landwirte bekommen dann strikte Vorgaben, was sie anbauen dürfen und wann gemäht werden darf. Verstößt jemand dagegen, dann drohen Sanktionen. Ob dem Rebhuhn die Maßnahmen etwas gebracht haben, ist eigentlich egal." Deshalb spricht er sich dafür aus, dass konkrete Ziele beim Naturschutz vereinbart werden, die auch überprüfbar sind.
Biologe: Es gibt noch viel zu tun
Veit Henning ist Vorsitzender des Naturschutzvereins Jordsand in Ahrensburg (Kreis Stormarn). Der Biologe will nicht nur Brut- und Zugvögel schützen, er setzt sich auch für den Naturschutz generell ein. Er meint, es sind noch strengere Vorgaben für die Landwirtschaft nötig, "weil sie nun mal große Teile von unserem Lebensraum, von der Landschaft bestimmt. Außerdem landet immer noch zu viel Nitrat im Wasser, zum Beispiel in der Ostsee." Henning meint, durch den Anstieg der Temperaturen, durch den Klimawandel, werden Prozesse beschleunigt, wenn diese Nährstoffe in den Gewässern sind. Das bedeutet: "Es bilden sich mehr Algen, außerdem gibt Bereiche, in denen kein Sauerstoff mehr ist." Entsprechend können dort weder Pflanzen noch Tiere überleben.
Henning wünscht sich einen offenen Dialog mit der Landwirtschaft. "Die Argumentationen sind schon sehr, sehr eingefahren. Es sind immer die gleichen Muster, mit denen argumentiert wird. Insbesondere aber vor dem Hintergrund des Temperaturanstiegs ist schnelleres Handeln nötig."