In Schleswig-Holstein wird weniger geschlachtet
Die Fleischproduktion in Schleswig-Holstein ist in den vergangenen 20 Jahren drastisch zurückgegangen. Hauptgründe sind ein verändertes Konsumverhalten und strengere gesetzliche Auflagen. Ende Juli schließt ein weiterer großer Schlachthof in Bad Bramstedt (Kreis Segeberg).
"Die Corona-Jahre waren gute Jahre für uns", sagt Roland Lausen, Landesinnungsmeister des Fleischer-Verbands Schleswig-Holstein, "zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht." Die Menschen hätten jeden Tag zu Hause gekocht - und dafür vermehrt auch in seiner familiengeführten Landschlachterei in Silberstedt im Kreis Schleswig-Flensburg eingekauft, so Lausen. Seit dem Ende der Pandemie muss er aber der Realität der vergangenen Jahre wieder ins Auge sehen: Die Menschen im Land kaufen immer weniger Fleisch. Auch bundesweit ist der Trend sichtbar, der durchschnittliche Fleischkonsum in Deutschland liegt laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung bei 52 Kilogramm pro Person. Das ist der niedrigste Wert seit Beginn der Verzehrberechnung im Jahr 1989.
Qualität statt Quantität
Das liege zum einen daran, dass sich immer mehr Menschen vegetarisch ernährten, vermutet Lausen. Zum anderen beobachtet er aber auch den Wunsch vieler Kundinnen und Kunden, genau über die Herkunft des Fleisches Bescheid zu wissen. "Geschmack ist schon lange nicht mehr das einzige Entscheidungskriterium. Immer häufiger kommen Kunden rein und wollen zuerst wissen, unter welchen Bedingungen die Tiere gelebt haben." Statt viel und günstiges Fleisch zu kaufen, stehe bei vielen jetzt der bewusste, seltene Konsum qualitativ hochwertiger Produkte im Fokus, so Lausen. Dafür seien die Menschen auch bereit, einen höheren Kilopreis zu bezahlen.
Staatliches Tierwohl-Logo
Um den Kundinnen und Kunden Informationen zur Haltungsform leichter zugänglich zu machen, hat der Bundestag heute eine staatliche Tierhaltungskennzeichnung beschlossen. In Zukunft soll auf jedem tierischen Produkt - von Joghurt über Käse bis Fleisch - gut sichtbar angegeben werden, wie die Tiere während der Produktion gehalten wurden. Die fünf Kategorien lauten: Stall, Stall und Platz, Frischluftstall, Auslauf/Weide und Bio. Das sei gut gemeint, findet Hannah Lehrken von der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein. In der Praxis gebe es ähnliche Kennzeichnungen aber schon längst, so Lehrken. "Vor ein paar Jahren hat sich der Lebensmitteleinzelhandel auf ein vierstufiges Bewertungsraster geeinigt. Jetzt ein zweites System einzuführen, wird nur für Verwirrung sorgen", meint die Fachreferentin für Rinderhaltung.
Lehrken hätte sich stattdessen gewünscht, dass die bestehende Skala in Zusammenarbeit von Bund und Einzelhandel angepasst wird. "Aber beide Seiten waren da nicht kompromissbereit. Das ist schade, denn der Kontrollaufwand wird jetzt immens - und teuer". Und auch Roland Lausen ist nicht begeistert: "Für uns Fleischer macht das keinen Sinn", merkt er an. "Wer bei uns einkauft, kann mit den Verkäufern reden, da braucht es solche Markierungen nicht." Er sei Fleischer aus Spaß am Umgang mit dem Material Fleisch geworden. Dieser Spaß gehe mit der zunehmenden Bürokratie verloren. Als erstes soll die Tierhaltungskennzeichnung bei Schweinefleisch angewendet werden, weitere tierische Produkte werden folgen, so das Ministerium.
Immer weniger Fleischproduktion in Schleswig-Holstein
Das Zusammenspiel aus zurückgehendem Fleischkonsum und den strengeren gesetzlichen Vorgaben führe dazu, dass in Schleswig-Holstein immer weniger Tiere geschlachtet werden, so Lehrken. In Summe bedeutet das: im vergangenen Jahr wurden in Schleswig-Holstein gut 30 Prozent weniger Rinder geschlachtet als noch 2003, bei Kühen liegt der Rückgang bei knapp 35 Prozent. Außerdem wurden gut 15 Prozent weniger Schweine geschlachtet. Der Aufbau neuer Schlachtkapazitäten 2017 im Kreis Steinburg sorgte hier für einen zwischenzeitlichen Wiederanstieg.
Ende Juli wird ein weiterer großer Schlachtbetrieb in Schleswig-Holstein schließen. Der Vion-Betrieb in Bad Bramstedt im Kreis Segeberg hatte früher zwischen 500 und 700 Rinder pro Tag geschlachtet, in letzter Zeit waren es laut eigener Aussage nur noch etwa 300. Die Schließung bedeutet nun, dass die Tiere vor ihrer Schlachtung stundenlang bis zum nächsten Schlachtbetrieb transportiert werden müssen. Denn in Schleswig-Holstein gibt es nur noch einen weiteren großen Schlachtbetrieb in Husum. Der wird nicht alle ausgefallenen Schlachtungen auffangen können, meint Lehrken. Und viele kleinere Schlachthöfe mussten in Konkurrenz zu den bisher zwei großen Schlachtbetrieben schließen.
Fleischereien kämpfen um Kundschaft
Damit es den kleinen Fleischereien im Land nicht genau so geht wie den kleinen Schlachtbetrieben Schleswig-Holsteins, setzt Roland Lausen vom Fleischer-Verband im Kampf um die neue, qualitätsbewusste Kundschaft auf Service und gute Produkte. "Am Ende stehe ich wortwörtlich mit meinem Namen für die Landschlachterei Roland Lausen". Die Leute gucken mich an, wenn ich durch unser Dorf laufe, da will ich mir nichts vorwerfen müssen." Das sei eine deutlich größere Motivation für gute Produkte als jedes Tierwohl-Logo, so Lausen.