1.200 Menschen demonstrieren in Kiel gegen neues Kita-Gesetz
Kreiselternvertretungen und die freien Träger von Kindertagesstätten in Schleswig-Holstein haben in Kiel die Auswirkungen des neuen Kita-Fördergesetzes kritisiert.
Rund 1.200 Menschen haben am Donnerstagvormittag vor dem Landtag in Kiel gegen das neue Kita-Gesetz demonstriert. Die Veranstalter kritisierten die Lage in den Kindertagesstätten. Sie sei besorgniserregend, denn das Gesetz gebe Bedingungen vor, die einer qualitativ hochwertigen frühkindlichen Bildung entgegenstünden, so die Veranstalter. Weil Erzieher fehlen, müssen demnach Gruppen geschlossen werden. Kritik gab es auch an der Finanzierung der Träger und dem Mangel an Ausbildungsplätzen. Die Kombination aus fehlenden finanziellen Mitteln und fehlendem Personal sorge laut Kita-Interessengemeinschaft für viele Probleme.
Die Kita-Beschäftigten, Eltern und Träger erwarten von der Landesregierung, dass bei der anstehenden Kita-Reform nachgebessert wird und fordern mehr Geld, mehr Personal und weniger Bürokratie.
Touré: Mehr Verlässlichkeit und faire Finanzierung
Neben mehreren Landtagsabgeordneten stellten sich Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) und Sozialministerin Aminata Touré (Grüne) der Kritik der Demonstranten. "Es ist ein wichtiges Signal, wenn so viele Menschen wie heute in Kiel auf die Straße gehen und diese Anliegen teilen", sagte Touré. Sie verwies auf die gerade abgeschlossene Bewertung des Kita-Gesetzes: "Wir stellen fest, wir haben tolle Fachkräfte, wir haben tolle Einrichtungen", sagte sie - räumte aber auch eine Finanzierungslücke zwischen 80 und 130 Millionen Euro und fehlende Verlässlichkeit ein. "Wir wollen mehr Verlässlichkeit in den Kitas, starke Fachkräfte und eine faire Finanzierung unter allen Beteiligten." Die Landesregierung habe dafür Antworten, die in den kommenden Wochen präsentiert werden sollen. Unter anderem mit der Fachkräfte-Stärken-Strategie, zu der der Quereinstieg oder auch die sogenannten helfenden Hände gehören, soll die Personalsituation weiter verbessert werden. Ende des Jahres soll das Gesetz verabschiedet werden.
CDU: Fehlende Betreuungsplätze
Auch die kitapolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, Katja Rathje-Hoffmann, sieht als größtes Problem den Mangel an Betreuungsplätzen und ausreichenden Betreuungszeiten. Auch sie sprach den Fachkräftemangel an, dem mit der Strategie entgegengewirkt werden soll. Ein weiteres Problem sei die hohe Fluktuation des pädagogischen Personals. "Hier müssen wir ansetzen und gemeinsam für bessere Arbeitsbedingungen sorgen", sagte sie. Dazu soll es Beratungen mit verschiedenen Akteurinnen und Akteuren geben.
SPD fordert Verantwortung
Der SPD, die gemeinsam mit dem SSW einen Bericht von der Landesregierung gefordert hatte, reichen die Aussagen von Grünen und CDU nicht. Sie forderte die Landesregierung auf, Verantwortung für das Kita-System zu übernehmen. "Wir wissen, dass gerade an jedem einzelnen Tag in Schleswig-Holstein Krippen- oder Kita-Gruppen geschlossen werden oder eine Notbetreuung angeboten wird, weil uns die Fachkräfte fehlen. Wir haben einen hohen Krankenstand. Die Erzieherinnen und Erzieher gehen an ihre Grenzen", sagte Sophia Schiebe, Sprecherin für Kinder und Jugend, Familie, Kita, Hochschule und Kultur. Die Fachkräfte bräuchten echte Entlastung. "Doch statt erster Anzeichen, heißt es jetzt, jede und jeder muss jetzt seinen und ihren Beitrag leisten, weil schlicht und ergreifend das Geld fehlt." Diese Botschaft sei fatal.
SSW: Ausfälle problematisch für Familien
SSW-Landeschef Christian Dirschauer sprach von einem "hohen Druck im System". Betreuungsausfälle gehörten für viele Familien zum Alltag, es fehel flächendeckend an Personal. "Und weil ich weiß, dass viele Familien mit diesen oft sehr kurzfristig angekündigten Ausfällen in der Betreuung überfordert sind, ist das ein Riesenproblem und wie ich finde Grund genug, in eine verbindlichere Personalbedarfs- und Finanzplanung einzusteigen", sagte er.
GEW nennt Demonstration "wichtiges Zeichen für Kitas"
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, GEW, zeigte sich solidarisch mit den Demonstranten. "Die Eltern setzen heute ein wichtiges Zeichen für Kitas, in denen sich ihre Kinder wohlfühlen können", sagte der Co-Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Henning Schlüter. Dazu zählten kleinere Gruppen, ein besserer Fachkraft-Kind-Schlüssel, Verlässlichkeit und eine solide Finanzierung. "Und aus gewerkschaftlicher Sicht natürlich ganz obenan die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten", sagte Schlüter. Er fordert von der Politik, die Praxisintegrierten Ausbildungsplätze (PIA) auszubauen und attraktivere Arbeitsbedingungen zu schaffen.
1.700 Fachkräfte fehlen in SH
Aktuell besteht in Schleswig-Holstein nach Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung ein Bedarf an 15.600 zusätzlichen Kita-Plätzen. Um ihn zu decken, fehlen 1.700 Fachkräfte - bei einer durchschnittlichen Betreuungszeit von sechs Stunden am Tag.