Missbrauchsstudie: Mehr als 400 Betroffene im Bistum Osnabrück
Die Universität Osnabrück spricht im Abschlussbericht zu sexualisierter Gewalt im dortigen Bistum von mehr als 400 Betroffenen. Das Bistum Osnabrück will sich erst in einer Woche öffentlich zu Wort melden.
Der Abschlussbericht zeige das quantitative Ausmaß der sexualisierten Gewalt im Bistum Osnabrück, sagte Susanne Menzel-Riedl, Präsidentin der Universität Osnabrück, bei der Vorstellung des Abschlussberichts am Mittwoch. Von 1945 bis zur Gegenwart ermittelten die Autorinnen und Autoren demnach 122 Priester und Diakone, denen Gewalt an 349 Betroffenen vorgeworfen wird. Mindestens zu 60 weiteren Betroffenen lägen konkrete Hinweise vor, hieß es. Über diese Zahl hinaus sei von einem großen Dunkelfeld an Taten und Betroffenen auszugehen.
Von Distanzverletzung bis zu schwersten Sexualstraftaten
Die den Priestern und Diakonen vorgeworfenen Taten würden ein breites Spektrum von sexualisierter Gewalt umfassen, sagte Projektleiter Hans Schulte-Nölke. Dies reiche von Distanzverletzungen bis hin zu schweren und schwersten Sexualstraftaten. Das Bistum habe seine Pflichten, Maßnahmen gegen verdächtige Kleriker zu ergreifen, über lange Zeit erheblich verletzt, hieß es bei der Vorstellung des Abschlussberichts weiter.
Forscher: "Lernkurve" bei Bistum erkennbar
Gegenüber dem Zwischenbericht sehen Forscherinnen und Forscher aber auch eine Verbesserung. In Bezug auf die Pflicht, Betroffenen zu helfen, sei im Bistum Osnabrück "eine Lernkurve erkennbar, die nach oben zeigt", sagte Schulte-Nölke. Die an die Betroffenen erbrachten Leistungen würden allerdings noch hinter dem zurückbleiben, was staatliche Gerichte in klaren Fällen zusprechen würden.
Nach Zwischenbericht trat Bischof von Osnabrück zurück
Bereits nach der Veröffentlichung der Zwischenergebnisse im September 2022 hatte die Missbrauchsstudie für Diskussionen im Bistum Osnabrück gesorgt. Es hatten sich daraufhin nicht nur weitere Betroffene bei den Forschenden gemeldet: Ein halbes Jahr später, im März 2023, war Franz-Josef Bode, der seit 1995 Bischof in Osnabrück war, zurückgetreten. In dem öffentlich zugänglichen Bericht wurden insgesamt 68 Betroffene und 35 Beschuldigte im Zeitraum von 1946 bis 2015 identifiziert. Inzwischen sind einige Textstellen geschwärzt worden, weil möglicherweise Rechte benannter Personen verletzt wurden. Die finale Veröffentlichung sollte sich mit den systemischen Ursachen und den Pflichtverletzungen von Kirchenverantwortlichen beschäftigen.
Bistum äußert sich erst eine Woche später
Mittlerweile hat das Bistum Osnabrück einen neuen Bischof: Dominicus Meier. Die Kirche und der Bischof bekommen nach Angaben des Bistums vor der Veröffentlichung keinen Einblick in den Abschlussbericht. Laut einer Mitteilung will der amtierende Bischof eine Woche später zu einer Pressekonferenz einladen. In den Tagen rund um die Präsentation des Abschlussberichts richtet das Bistum Osnabrück eine Telefon-Hotline unter der Telefonnummer (0541) 31 87 95 ein. Ziel sei, Menschen eine Gesprächsmöglichkeit zu bieten, hieß es. Laut Bistum nehmen in der Seelsorge erfahrene Ansprechpartner die Anrufe entgegen und vermitteln sie bei Bedarf an andere Experten weiter.
Bistum Osnabrück: Sprechzeiten der Telefon-Hotline
- Heute von 11 bis 19 Uhr
- Donnerstag von 9 bis 19 Uhr
- Freitag von 9 bis 19 Uhr
- Kommenden Mittwoch von 11 bis 19 Uhr
- Kommenden Donnerstag von 9 bis 19 Uhr
Evangelische Kirche mit eigener Studie
Anfang des Jahres hatte auch die evangelische Kirche eine Missbrauchsstudie veröffentlicht. Eine unabhängige Forschungsgruppe listete bundesweit mindestens 2.225 Betroffene von sexualisierter Gewalt auf. Die Veröffentlichung sorgte für eine kircheninterne Debatte zwischen Gemeinden und dem Landesvorstand.