Seit rund einem Jahr sitzt Daniela Klette in Untersuchungshaft im Frauengefängnis der Justizvollzugsanstalt (JVA) Vechta.
Der 66-Jährigen wird im Zusammenhang mit 13 Raubüberfällen versuchter Mord, unerlaubter Waffenbesitz sowie versuchter und vollendeter schwerer Raub vorgeworfen. Klette soll in Niedersachsen und anderen Bundesländern gemeinsam mit Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub, die beide auf der Flucht sind, Geldtransporter und Supermärkte überfallen haben. Zwischen 1999 und 2016 erbeuteten sie so laut Staatsanwaltschaft Verden insgesamt 2,7 Millionen Euro. Weil bei einem Geldtransporter-Überfall im Jahr 2015 bei Stuhr (Landkreis Diepholz) Schüsse fielen, ist Daniela Klette auch wegen versuchten Mordes angeklagt.
Klette ist vor dem Landgericht Verden angeklagt. Zunächst wird aber in einem besonders gesicherten Saal des Oberlandesgerichts Celle verhandelt. Informationen des NDR Niedersachsen zufolge soll der Prozess später in eine umgebaute Reithalle in Verden umziehen. Dass die Verhandlung aus Platzgründen nicht im Landgericht Verden stattfinden kann, hatte Landesjustizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) bereits 2024 bekannt gegeben. Zudem würden die Anforderungen an die Sicherheit für solch einen Prozess nicht ausreichen, hieß es vom Landgericht selbst. Es werde daher ein neuer Gerichtssaal gebaut, der im Sommer fertig sein solle.
Das Trio um Garweg, Staub und Klette soll zwar auch Überfälle in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein verübt haben. Die meisten aber in Niedersachsen - angefangen in Celle im Jahr 2011. Danach folgten der Ermittlern zufolge:
- Stade (2012)
- Osnabrück (2015)
- Stuhr (2015)
- Northeim (2015)
- Wolfsburg (2015)
- Hildesheim (2016)
- Cremlingen (2016)
Das Terror-Verfahren gegen Klette als seinerzeit mutmaßliches Mitglied der Roten Armee Fraktion (RAF) ist von dem Prozess in Niedersachsen abgetrennt. Es wird von der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe geführt.
Ermittlerinnen und Ermittler haben in der Wohnung in Berlin unter anderem ein Sturmgewehr, eine Maschinenpistole und eine Panzerfaust-Attrappe sichergestellt, wie die Staatsanwaltschaft Verden und das Landeskriminalamt Niedersachsen mitteilten. Laut "Spiegel" wurde in Klettes Wohnung auch die Waffe gefunden, die bei dem Geldtransporterüberfall in Stuhr abgefeuert wurde: eine AK-47. Außerdem seien Munition, gefälschte Pässe und größere Geldbeträge in der Wohnung gefunden worden. Daniela Klette hat wohl mehr als ein Jahrzehnt unter dem Decknamen Claudia Ivone in Berlin-Kreuzberg gelebt.
Die Angeklagte fühlt sich vorverurteilt. In einem Brief an den NDR spricht sie von "Hetzjagd". Ihre Haftbedingungen seien "heftig". In der JVA in Vechta sei sie zunächst isoliert worden. "Angeblich besteht, wo ich gehe und stehe, die Gefahr, dass mir ein Befreiungsplan oder Sonstiges zugespielt wird", beklagt sich Klette. Briefe von Freunden bräuchten "bis zu 8 Wochen". So könne sie sich nicht auf den Prozess gegen sie vorbereiten.
Der entscheidende Hinweis sei im November 2023 aus der Bevölkerung gekommen, womit die Behörden ihre Wohnanschrift in Berlin ermittelt konnten, erklärte das Landeskriminalamt (LKA) Niedersachsen. Weitere Details nannten die Ermittler nicht. Journalisten waren Daniela Klette bereits 2023 auf der Spur. Mit KI-Tools für Gesichtserkennung entdeckten sie Facebook-Bilder, die alten Fahndungsfotos ähnelten. Ihre Spur führte sie auch nach Berlin.
Noch immer gesucht werden die beiden mutmaßlichen Komplizen Ernst-Volker Staub und Burkard Garweg. Kurz nach der Festnahme von Daniela Klette schienen die Ermittlungsbehörden auch Burkard Garweg auf den Fersen zu sein. Anfang März stürmte die Polizei eine Bauwagen-Siedlung in Berlin. Nach Angaben des LKA Niedersachsen hatte der 56-Jährige dort länger unter dem Namen "Martin" gelebt. Ende 2024 meldete sich Garweg mit einem achtseitigen Brief bei der "taz". Darin beschrieb er sich als politischen Aktivisten und Teil einer "revolutionären Linken".
Am 20. April 1998 wurde einer Nachrichtenagentur eine achtseitige "Auflösungserklärung" zugesendet. "Heute beenden wir das Projekt", hieß es dort. "Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte." Ein Bekenntnis zu Morden oder Anschlägen gab es darin nicht. Wer das Schreiben aber verfasst hat und warum, ist bis heute ungeklärt.