Wie kann die Polizei schwere Straftäter mit Gesichtserkennung suchen?
Der "Fall Klette" hat es gezeigt: Während die Polizei jahrelang nach der flüchtigen Ex-RAF-Frau suchte, fanden Journalisten sie mit einem umstrittenen KI-Programm. Der LKA-Chef regt mehr Befugnisse für die Polizei an.
Die Idee ist einfach. Es geht um flüchtige Verbrecher, nach denen die Polizei hierzulande aufgrund schwerer Straftaten fahndet. Gibt es Fotos von ihnen im öffentlichen Netz oder in sozialen Netzwerken? Gezielt mit einer Gesichtserkennungssoftware danach suchen dürfen Fahnder bisher nach Rechtsauffassung des Landeskriminalamts (LKA) Niedersachsen nicht. Es fehlt die rechtliche Grundlage dafür.
KI half bei Suche nach mutmaßlicher Ex-RAF-Frau Daniela Klette
Solche Fotos wären kostbare Ermittlungsansätze, erklärt LKA-Chef Friedo de Vries im Interview mit dem NDR. Der prominenteste Fall: Die Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette, die sogar eine Facebook-Seite unter falschem Namen betrieb, aber trotzdem viele Jahre lang unentdeckt blieb. Podcaster hatten sie so 2023 aufgespürt, die Polizei erst später.
Eigene Programme für Gesichtserkennung mit KI
Friedo de Vries findet die derzeitige Lage nicht mehr zeitgemäß. Im NDR Interview sagt er, er wolle eine gesellschaftliche Debatte anstoßen: "Ich wünsche mir, dass wir mit Gesichtserkennungsmethoden auch Fahndungsansätze generieren können. Das heißt, im Netz nach möglichen Aufenthaltsorten und Anknüpfungspunkten suchen dürfen. Ziel ist, effektiver nach Straftätern fahnden zu können." Ihm gehe es um gesuchte Verbrecher, also jene, denen mehr als ein Jahr Strafe droht. Das Landeskriminalamt würde daher darauf setzen, selbst eine Künstliche Intelligenz zur Gesichtserkennung zu entwickeln, um keines der umstrittenen privatwirtschaftlichen Angebote nutzen zu müssen. Das Problem bei letzteren sei die mangelnde Transparenz, in welchem Land Daten gespeichert werden und mit welchen Bildern die Programme trainiert worden seien.
Behrens: Polizei will nicht anlasslos das Internet durchleuchten
Bei Innenministerin Daniela Behrens und Justizministerin Kathrin Wahlmann (beide SPD) stößt das auf Zustimmung. Nach Informationen des NDR Niedersachsen prüft das Justizministerium, welche juristischen Änderungen dafür notwendig wären. Behrens sagte dem NDR, sie sei grundsätzlich offen für die Diskussion und stellt klar: "Die Polizei Niedersachsen hat kein Interesse, anlasslos und flächendeckend das Internet und Online-Netzwerke nach Gesichtern zu durchleuchten und damit Millionen von unbescholtenen Bürgern zu scannen."
Grüne Fachpolitikerin hat Fragen
Die justizpolitische Sprecherin des grünen Koalitionspartners, Evrim Camuz, sieht zahlreiche offene Fragen. Für sie ist eine Gesichtserkennung auf Basis von Künstlicher Intelligenz nur bei schwersten Straftaten vorstellbar. Und sie fragt sich, wie die KI entwickelt werden soll: "Wir brauchen Millionen von Datensätzen, damit diese Software auch wirklich gut funktioniert. Ich frage mich, woher die kommen sollen, andere Unternehmen haben es widerrechtlich entgegen den Nutzungsbestimmungen von Meta gemacht, das können wir als Staat nicht."
Gesetzliche Regelung notwendig
Stephan Schindler von der Universität Kassel verweist auf das Recht auf informelle Selbstbestimmung, also das Recht jeder Person, selbst über die Preisgabe und Verwendung von Daten zu bestimmen. Das gelte auch dann, wenn Menschen bereitwillig und sorglos Bilder ins Internet stellen. Eine gesetzliche Regelung müsste deshalb auch umfassen, was die Polizei konkret mit den Daten macht, etwa ob Datenbanken angelegt werden dürften.