Abgeordneter kritisiert: Bahn diskriminiert Rollstuhlfahrende
Landtagsabgeordnete können kostenlos in der ersten Klasse Bahn fahren. Doch die Möglichkeit steht nicht allen offen. Constantin Grosch (SPD) bemängelt, dass man mit dem Rollstuhl dort oft keinen Platz findet.
In einem Twitter-Post machte der frisch in den Landtag gewählte Abgeordnete seinem Ärger Luft. Da die Deutsche Bahn (DB) finde, "dass Behinderte in niedrige Klassen gehören, werde ich also der einzige niedersächsische Abgeordnete sein, dem dieses Privileg nicht zuteil wird", schreibt er auf der Plattform. Und erklärt weiter, dass es nur in vereinzelten Fernzügen genügend Platz für einen Rollstuhl in der ersten Klasse gebe - für Regionalzüge und S-Bahnen gelte dies nicht. Auf Twitter bekommt er dafür viel Zuspruch. Sein Post hat inzwischen mehr als 5.000 Likes.
Grosch: Menschen mit Behinderung erleben anderen Service
Auf Nachfrage des NDR in Niedersachsen sagte der in Hameln lebende Grosch, dass in den vergangenen Jahren viele Fortschritte gemacht worden seien, es allerdings schon an vielen Grundanforderungen wie zugänglichen Haltestellen und Bahnhöfen scheitere. "Aber selbst dort, wo diese Grundanforderungen umgesetzt wurden, erleben Menschen mit Behinderungen oft einen anderen Service als andere Kunden. Sie müssen sich rechtfertigen, wenn sie spontan reisen wollen, können nicht ohne Weiteres digital buchen oder finden aufgrund ungleicher Sitzverteilungen gar keine möglichen Reiseverbindungen."
Bahn weist Kritik zurück
Die Deutsche Bahn verweist derweil darauf, dass sie große Anstrengungen unternehme, um Reisen für behinderte Menschen zu erleichtern. "Über die Lage des rollstuhlgerechten Bereichs im Zug entscheidet die DB in Abhängigkeit der baulichen Gegebenheiten je Zugtyp", teilte eine Sprecherin auf Anfrage des NDR in Niedersachsen mit. Ein Komfortmerkmal der ersten Klasse sei eine größere zur Verfügung stehende Fläche pro Platz. Dies treffe auch auf den rollstuhlgerechten Bereich zu. "Beim rollstuhlgerechten Bereich handelt es sich gewissermaßen um einen klassenlosen Bereich."
SPD-Politiker setzt sich für Teilhabe ein
Grosch machte deutlich, dass es ihm nicht darum gehe, die erste Klasse unbedingt nutzen zu wollen, sondern selbstständig eine Konsumentscheidung treffen zu können. Dies bleibe Menschen mit Behinderung aber häufig verwehrt. Grosch ist Aktivist und setzt sich für eine bessere Inklusion ein - deswegen geht seine Kritik auch über die Bahn hinaus. Im öffentlichen Bereich machten Deutschland und Niedersachsen Fortschritte - anders sei das aber im privaten. "Mein Leben findet nicht in Rathäusern statt, sondern in Cafés, Supermärkten oder Kinos." Dort gelten aber bisher keine Regeln. "Die Privatwirtschaft kann in Deutschland mit physischen und digitalen Barrieren - ob bewusst oder unbewusst - ungestraft ganze Bevölkerungsgruppen ausschließen."
Auch Landtag sollte diverser werden
Verbände und Institutionen fordern deshalb schon lange, dass Parlamente diverser werden. Nur, wo alle Menschen teilhaben können, könne sich auch etwas verändern. Eine Position, die auch Grosch teilt: "Ich bin der festen Überzeugung, dass wir automatisch zu Verbesserung in der Teilhabe (...) kommen, wenn Politik, Wirtschaft und andere Entscheidungsgremien Menschen mit verschiedensten Erfahrungshintergründen abbilden."