Stand: 01.02.2017 16:12 Uhr

VW-Affäre: Der schwierige Regierungs-Spagat

von Wolfgang Kurtz, NDR1 Niedersachsen

Volkswagen, immer wieder Volkswagen. Erst stand Martin Winterkorn mit seiner üppigen Altersversorgung im Fokus der Medien. Jetzt ist es die bisherige Compliance-Chefin des Unternehmens, Christine Hohmann-Dennhardt. Sie geht - und bekommt nach 13 Monaten im Amt mal eben zwölf Millionen Euro an Abfindung. Der Abgasskandal bei VW und seine Folgen hält weiterhin auch die Politik in Niedersachsen auf Trab. Der Oppositionsführer im Landtag, Björn Thümler (CDU), sagte auf NDR Info, dem Land und ganz speziell dem Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) fehle es ganz massiv an Aufklärungswillen. Ist die Kritik berechtigt?

Zwölf Millionen Euro Abfindung. Das ist verdammt viel Geld. Unmoralisch viel Geld für jemanden, der nach einem Jahr Arbeit wieder geht. Oder gehen muss. Und offensichtlich wenig erreicht hat. Christine Hohmann-Dennhardt geht, weil sie bei VW einen Machtkampf verloren hat. Oder schlicht eine Fehlbesetzung war. Es spielt keine Rolle. Die Erregung über die millionenschwere Abfindung ist zwar moralisch berechtigt. Doch juristisch ist an diesem Vorgang nichts auszusetzen. Jeder Arbeitnehmer wird auf die Erfüllung seines Arbeitsvertrags pochen, wenn sein Chef ihn loswerden will. Das gilt auch für Vorstände.

Die Kritik der Opposition ist durchschaubar

Daimler, Continental, Allianz, SAP oder eben VW: Die meisten DAX-Unternehmen zahlen ihren Vorständen allesamt Millionengehälter, Millionen-Boni und Millionenabfindungen. Hier ist jedes Maß verloren gegangen.

Trotzdem: Die Kritik der Opposition im Niedersächsischen Landtag ist durchschaubar, fast populistisch. FDP-Mann Jörg Bode saß als früherer niedersächsischer Wirtschaftsminister selbst im VW-Aufsichtsrat. Er hat selbst Millionenverträge beispielsweise für den früheren VW-Chef Winterkorn mit abgesegnet. Und auch die CDU weiß, dass die Möglichkeiten Niedersachsens im Aufsichtsrat begrenzt sind.

Es ist leicht, von außen drauf zu hauen. Doch wenn Niedersachsen weiter Einfluss bei VW haben will, Arbeitsplätze im Land sichern will, dann bleibt Ministerpräsident Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies nur ein ständiger Spagat. Auf Wandel und Aufklärung drängen, ja. Hinter verschlossenen Türen. Und wann immer möglich auch öffentlich.

Der Gesetzgeber in Berlin ist gefordert

VW hat einen grundlegenden Wandel versprochen. Umfassende Aufklärung. Eine neue Unternehmenskultur. Zu sehen ist davon bislang wenig. Das ist der eigentliche Skandal. Richtig. Die VW-Vorstände haben auf einen Teil ihrer Bonuszahlungen verzichtet. Aber nur auf Zeit. Spätere Auszahlung nicht ausgeschlossen.

Nicht die Zwölf-Millionen-Abfindung für Hohmann-Dennhardt ist das Problem. Das Problem ist die fehlende Einsicht einer ganzen Managerkaste. Nicht nur bei VW. Und deshalb ist die Politik gefordert. Nicht in Aufsichtsräten, sondern als Gesetzgeber in Berlin. Wir brauchen Regeln, die Unternehmensvorständen Grenzen setzen. Ein altes Thema der SPD - sie hat es gerade wiederentdeckt. Bei den Verhandlungen 2013 zum Koalitionsvertrag in Berlin konnte sie sich nicht durchsetzen. Schwarz-Rot hatte sich lieber auf die freiwillige Selbstverpflichtung der börsennotierten Unternehmen verlassen.

Wer wie am Mittwoch im Niedersächsischen Landtag gegen Millionengehälter und Abfindungen wettert, muss dann auch bereit sein, gesetzliche Regeln zu schaffen. Das gilt auch für CDU und FDP. Immer weiter auf Einsicht der Selbstbedienungs-Manager zu hoffen, das ist nicht ehrlich - und naiv.

Weitere Informationen
Björn Thümler, Vorsitzender der niedersächsischen CDU-Landtagsfraktion, spricht im Landtag zum Haushaltsentwurf 2017/2018. © dpa-Bildfunk Foto: Holger Hollemann
6 Min

Thümler: Weil verschanzt sich in VW-Affäre

Der CDU-Fraktionschef Thümler hat Zweifel daran, ob Ministerpräsident Weil und die Landesregierung noch den nötigen Aufklärungswillen in der VW-Affäre haben. 6 Min

Christine Hohmann-Dennhardt, Vorstand Integrität und Recht, sitzt bei der Bilanzpressekonferenz der Volkswagen AG im VW Werk in Wolfsburg. © dpa - Bildfunk Foto: Sebastian Gollnow

Landtag kritisiert Abfindung für VW-Juristin

Die Abfindung für die scheidende VW-Juristin Hohmann-Dennhardt ärgert die Landtagsfraktionen. Die CDU wirft Weil vor, er komme seiner Verantwortung im Aufsichtsrat nicht nach. mehr

Justitia mit einem VW Logo (Montage) © PantherMedia Foto: manfredxy

USA: VW zahlt weitere Milliarden-Entschädigung

Zur Beilegung des Abgas-Skandals zahlt VW einen weiteren Milliardenbetrag in den USA. Besitzer von größeren Diesel-Autos sollen insgesamt 1,1 Milliarden Euro Entschädigung erhalten. mehr

Der Auspuff eines VW-Passats ist am 25.09.2015 vor dem Volkswagenwerk in Wolfsburg zu sehen. © dpa - Bildfunk

Die VW-Abgas-Affäre: Eine Chronologie

Der Abgas-Skandal hat VW in die schwerste Krise der Firmengeschichte gestürzt. Was ist bislang geschehen? mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Kommentar | 01.02.2017 | 17:08 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

VW

Mehr Nachrichten aus der Region

Tasten eines Klaviers © Christian Jung

Grotrian-Steinweg: Insolvenz führt zu Kündigungswelle

Nach NDR Informationen muss allen 31 Mitarbeitenden des Klavierbauers aus Braunschweig gekündigt werden. mehr

Aktuelle Videos aus Niedersachsen