So kann Landwirtschaft mit weniger Pestiziden funktionieren
Das Projekt FINKA vergleicht unterschiedlich bearbeitete Agrarflächen mit Blick auf die Artenvielfalt. Eine Tendenz: Gute landwirtschaftliche Erträge und mehr Artenvielfalt schließen sich nicht aus.
Die Abkürzung FINKA steht für "Förderung von Insekten im Ackerbau" und gehört zum Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Das Prinzip: Fünf Jahre lang arbeiten konventionelle Bauern mit Biobauern zusammen. Weil die konventionellen Landwirte auf Pflanzenschutzmittel gegen Unkraut und Insekten verzichten - Mittel gegen Pilzbefall wenden sie weiter an und konventionellen Mineraldünger nutzen sie auch -, helfen ihnen die Biokollegen, Unkraut mit Maschinen im Zaum zu halten, erklärt Jana Tempel, FINKA-Projektcoach. Bis Ende 2025 läuft das Projekt, aber die ersten Zwischenergebnisse zeigen bereits einen Trend: Es gibt mehr Artenvielfalt bei Wildkräutern und Insekten - und die Wirtschaftlichkeit ist in Teilen auch gegeben.
Fast ohne Pestizide gegen Unkraut in der Landwirtschaft
Heinrich Klingelhöfer, konventioneller Landwirt, und Christoph Müller, Biolandwirt - beide aus dem Südkreis Göttingen - machen gemeinsame Sache. Auf dem 1,9 Hektar großen Versuchsacker bei Rittmarshausen wächst Winterweizen. Auf einem etwas kleineren konventionellen Vergleichsfeld daneben auch - dort wurde gespritzt, der Versuchsacker nicht. Gedüngt wurden beide Äcker aber gleich. Mit einer sechs Meter breiten Hacke soll heute Unkraut, in der Landwirtschaft auch als Beikraut bezeichnet, aus dem Boden gerissen werden - eine Technik, die im Bioanbau verbreitet ist. "Gegen Eisen ist kein Unkraut gewachsen", sagt Biobauer Müller.
Ein bisschen Unkraut für Insekten darf bleiben
Die Hightech-Hacke hängt am Traktor und ist computer- und kameragesteuert. Ein bisschen was bleibt aber stehen und das freut die Insekten, denn die finden mehr Nahrung. Stefan Meyer, Biologe an der Uni Göttingen, untersucht, wie sich die Unkräuter und damit die Nahrung für Insekten entwickeln.
Projekt zeigt: Es könnte funktionieren
Noch sei nicht alles ausgewertet, aber ein Trend lasse sich erkennen: Auf den konventionell bewirtschafteten Äckern leben im Schnitt zwei bis drei Arten auf hundert Quadratmetern. "Auf den Versuchsflächen ohne Herbizide und Insektizide, haben wir sieben Unkrautarten gefunden. Auf den Bio-Vergleichsäckern zwölf." Noch sind die Zahlen aber vorläufig, denn das Projekt läuft noch bis Ende 2025. Auch bei der Menge der Insekten deuten sich ähnliche Ergebnisse an – deren Analyse ist allerdings sehr komplex. Wie die Wissenschaftler vorgehen, lesen Sie hier.
Weizenerträge etwas geringer
Und noch etwas zeigt sich: "Die Erträge von Winterweizen auf den Versuchs-Äckern sind bislang im Schnitt sechs Prozent geringer als bei der konventionellen Produktion", sagt Jana Tempel, FINKA-Projektcoach. "Interessant ist aber, dass die Regulierung der Beikräuter in der herbizid- und insektizidfreie Variante ökonomisch gesehen sogar besser wegkommt als der konventionelle Acker."
Totalverlust im Raps
Aber das gilt nicht für alle Kulturen. Beispiel Raps, mit dem hat unter anderem Heinrich Klingelhöfer auf seiner Versuchsfläche einen Totalverlust erlitten. Das Beseitigen des Unkrauts mit der Maschine habe hier nicht so gut geklappt.
Gute Erträge und Artenvielfalt
Gute landwirtschaftliche Erträge und mehr Artenvielfalt: lässt sich das verbinden? Christoph Scherber vom Zentrum für Biodiversitätsmonitoring in Bonn meint: ja. "Wir sehen, dass der Verzicht auf Insektizide und Herbizide zu durchaus passablen Erträgen führen kann. Gleichzeitig finden wir hier etwas mehr Insekten. Ich bin zuversichtlich, dass sich gute landwirtschaftliche Erträge und Artenvielfalt durchaus kombinieren lassen."