Ein Trecker bearbeitet einen trockenen Acker und hinterlässt eine Staubwolke. © NDR Foto: Anja Deuble

Interview: Kann Landwirtschaft mit weniger Pestiziden funktionieren?

Stand: 18.04.2024 11:25 Uhr

Das Projekt "Förderung von Insekten im Ackerbau" - kurz: FINKA - will Biodiversität von Insekten durch den Verzicht von chemisch-synthetischen Insektiziden und Herbiziden fördern. NDR.de sprach darüber mit Prof. Christoph Scherber vom Zentrum für Biodiversitätsmonitoring in Bonn.

Herr Professor Scherber, im Rahmen des FINKA-Projekts werden konventionell und biologisch bewirtschaftete Agrarflächen mit den "FINKA-Flächen" verglichen, auf denen auf Herbizide und Insektizide verzichtet, aber weiterhin konventionell gedüngt wird, auch Fungizide können eingesetzt werden. Sie stellen dort Flug- und Bodenfallen für Insekten auf und werten sie aus. Welche Trends hinsichtlich der Insektenvielfalt lassen sich schon jetzt erkennen?

Ein Mann schaut in die Kamera. © privat
Professor Christoph Scherber sagt, dass sich gute landwirtschaftliche Erträge und mehr Artenvielfalt verbinden lassen.

Prof. Christoph Scherber: Im konventionellen Anbau finden wir im Jahresdurchschnitt etwa 10 Gramm Insekten pro Bodenfalle, im Ökolandbau ungefähr 13 Gramm. Die FINKA-Flächen liegen mit knapp 12 Gramm nah an den Ökoflächen. Es liegt aber auch noch ein langer Weg vor uns, herauszufinden, wie sich das in der Artenzusammensetzung widerspiegelt und welche Bedeutung diese Unterschiede letztlich für Landwirtschaft und Naturschutz haben werden.

Die Masse an vorkommenden Insekten zu bestimmen, ist verhältnismäßig einfach. Komplizierter wird es herauszufinden, welche Insektengattungen und -arten auf den unterschiedlichen Flächen zu finden sind. Wie gehen sie dabei vor?

Scherber: Für den Großteil der Proben verwenden wir eine Methode, bei der wir die Arten anhand bestimmter DNA-Sequenzen bestimmen. Diese sogenannten DNA-Barcodes ermöglichen es, Tausende von Insektenarten aus Proben "herauszufischen". Die Probe bleibt dabei erhalten und kann dann immer noch auf traditionelle Weise untersucht werden.

Im FINKA-Projekt arbeiten 30 "bio-konventionelle-Teams" zusammen. Alle Betriebe liegen in Niedersachsen. Lassen sich die Ergebnisse überhaupt auf andere Regionen in Deutschland übertragen?

Scherber: Das lässt sich durchaus auf den Rest Deutschlands übertragen. Denn wir decken ein denkbar großes Spektrum an verschiedensten Boden- und Klimabedingungen im klassischen Ackerbau ab. 

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Gute landwirtschaftliche Erträge und mehr Artenvielfalt: lässt sich das überhaupt bewerkstelligen? Was deutet sich in der Forschung an?

Scherber: Wir sehen, dass der Verzicht auf Insektizide und Herbizide zu durchaus passablen Erträgen führen kann. Gleichzeitig finden wir hier etwas mehr Insekten. Ich bin zuversichtlich, dass sich gute landwirtschaftliche Erträge und Artenvielfalt durchaus kombinieren lassen. Letztlich werden hierfür aber wahrscheinlich mehrere Ansätze kombiniert werden müssen – zum Beispiel ergänzende Maßnahmen zur Aufwertung der Agrarlandschaft durch blütenreiche Feldränder, Blühstreifen oder Fruchtfolgen mit Leguminosen und Raps.

Warum ist Artenvielfalt - insbesondere die von Insekten - wertvoll für Natur und Menschen?

Scherber: Artenvielfalt ist Teil unserer Kultur - vom Kinderbuch bis zum Instagram-Foto vor blühendem Hintergrund. Wir brauchen Artenvielfalt letztlich für unser eigenes Wohlergehen. Auch die harten Fakten sprechen dafür, dass Artenvielfalt wirklich etwas bringt - sie führt zu mehr Ertragsstabilität und mehr Resistenz gegen Dürre-Ereignisse. Damit ist sie Teil der Lösung für die vielfältigen Herausforderungen unserer Zeit.

Das Interview führte Jan Fragel, NDR.de

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