Starker Anstieg rechts motivierter Straftaten in Niedersachsen
Erneut gibt es einen Anstieg bei rechts motivierten Straftaten: Die Zahl stieg 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 57,5 Prozent. Das zeigen Daten, die NDR Niedersachsen exklusiv vorliegen.
Im vergangenen Jahr gab es 3.643 rechts motivierte Straftaten in Niedersachsen. Das geht aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Grünen im Niedersächsischen Landtag hervor. 2023 waren es 2.313 und damit 1.330 Straftaten weniger. Zum Großteil sind darunter Propagandadelikte - also zum Beispiel das Zeigen verbotener Symbole. Schon 2023 hatte die Zahl der rechts motivierten Straftaten um 469 im Vergleich zum Vorjahr zugenommen. Die Zahl der Gewalttaten lag im vergangenen Jahr bei 88. Im Vorjahr wurden 63 Delikte registriert.
Innenministerin Behrens: "Entwicklung ist beunruhigend"
Die Zahlen für 2024 sind nach Angaben des Innenministeriums vorläufig, das Datenmaterial wird noch ausgewertet. "Aber wir wissen schon jetzt, dass es im vergangenen Jahr auch Steigerungen im Bereich der fremden- und ausländerfeindlichen sowie antisemitischen Straftaten gegeben hat", sagte Innenministerin Daniela Behrens (SPD) am Freitag. Sie nannte die Entwicklung beunruhigend. Die größte Gefahr für die Demokratie gehe von Rechtsextremisten aus.
285 antisemitische Straftaten in Niedersachsen
Der Großteil der rechten Straftaten hatte laut Innenministerium im vergangenen Jahr eine rassistische beziehungsweise "fremdenfeindliche" Motivation. 285 Fälle wurden als antisemitisch eingestuft. Im vergangenen Jahr wurden 189 Täterinnen und Täter verurteilt. 1.571 Verfahren wurden dagegen eingestellt.
Wahlkampf als ein Grund für den Anstieg
Ein Grund für die Zunahme könnte die Europawahl im vergangenen Jahr gewesen sein und auch der beginnende Bundestagswahlkampf Ende des Jahres. Ein Sprecher des Niedersächsischen Innenministeriums sagte, in Wahlkampfzeiten steige die Zahl politisch motivierter Straftaten regelmäßig an, etwa die der Propaganda-Delikte. Darunter fallen zum Beispiel Hakenkreuz-Schmierereien auf Wahlplakaten. Es gebe offenbar zunehmend eine Bereitschaft, politische Positionen unter Begehung von Straftaten durchsetzen zu wollen, so der Sprecher.
CDU fordert starke Sicherheitsbehörden
Auch der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, André Bock, zeigte sich angesichts des Anstiegs besorgt. Er verwies darauf, dass auch beim Linksextremismus die Zahl der Straftaten im vergangenen Jahr "dramatisch" zugenommen habe. Umso wichtiger sei es, dass Staatsschutz und Verfassungsschutz gut aufgestellt sind. Leider lasse sich die Landesregierung viel Zeit, um wichtige Gesetzesnovellen wie die des Polizei- und Verfassungsschutzrechts auf den Weg zu bringen.
Grüne: "Anstieg ist erschütternd"
Michael Lühmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen sagte: "Dieser massive Anstieg muss uns erschüttern und wachrütteln." Er forderte, sich umfassend mit der Gefahr durch den Rechtsextremismus auseinanderzusetzen. Dazu gehöre, zu hinterfragen, wer die Täterinnen und Täter sind und wie sie sich radikalisiert haben. "Wir warnen davor, zum politischen Tagesgeschäft überzugehen." Es gebe einen Nährboden, in dem rechte Straftaten gedeihen und auf dem auch die Gewalt weiter zunehme. Es müsse darüber gesprochen werden, wer dafür politisch mitverantwortlich sei, sagte Lühmann - auch mit Blick auf die AfD.
AFD: "Vermeintlich rechtsmotivierte Taten"
Der innenpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Stephan Bothe, sagte, natürlich müsse jede Straftat verfolgt werden. Aber oft "sind es auch harmlose Internet-Memes und allzu schnell beleidigte Politiker, die Statistiken in die gewünschte Richtung lenken." Fast täglich gebe es Beispiele "abstruser vermeintlich rechtsmotivierter" Taten. Bothe kritisierte auch "sprachliche oder mentale Angriffe" würden regelmäßig zu einer Anzeige führen und in die Statistik eingehen.
Flüchtlingsrat sieht politisches Klima als Grund
Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen sieht sich in der Annahme bestätigt, dass das aufgeheizte politische Klima eine Zunahme von Taten verursacht. "Es gibt eindeutig einen Zusammenhang zwischen der politischen Debatte und der Zunahme von Diskriminierung und Ausgrenzung", sagte Weber im Gespräch mit dem NDR Niedersachsen. Die Politik müsse zu einer verantwortlichen Sprache zurückfinden. Dazu gehört aus Webers Sicht das Bekenntnis zum Asylrecht.
