Ein Mädchen sitzt in einem Rollstuhl und schaut auf dem Spielplatz einem anderen Kind beim Spielen zu. © Colourbox Foto: #282776

Was bedeutet die AfD-Politik für Menschen mit Behinderungen?

Stand: 31.01.2024 09:47 Uhr

Björn Höcke bezeichnet Inklusion als einen "Irrweg". Der aktuelle Rechtsruck besorgt daher Angehörige von Menschen mit Behinderung - ein Elternkreis wehrt sich. Was sagt die AfD Niedersachsen über Inklusion?

von Viktoria Koenigs

Caritas-Referentin Nicole Nordlohne spricht auf einer Demo für Inklusion in Vechta. © Landes-Caritasverband für Oldenburg e.V.
Caritas-Referentin Nicole Nordlohne macht sich wegen des aktuellen Rechtsrucks große Sorgen um Menschen mit Behinderung.

Im Sommer 2023 gibt Björn Höcke, Thüringer AfD-Vorsitzender, ein Interview im MDR. Dort postuliert Höcke, Inklusion sei lediglich ein "Ideologieprojekt" und ein "Belastungsfaktor". Das Bildungssystem müsse davon befreit werden. Seine Aussagen sind für Menschen mit Behinderung und deren Angehörige "ein Schlag ins Gesicht", sagt Nicole Nordlohne, Mitarbeiterin in der Behindertenhilfe bei der Caritas Oldenburg. "Inklusion ist gesetzlich verankert und inzwischen wird sie von denjenigen infrage gestellt, die die Gesetze machen", so Nordlohne.

Sorgen und Angst um Menschen mit Behinderung

Nordlohne ist ebenfalls Vorsitzende des Elternkreises "next generation" in Vechta. Nach dem Sommerinterview Höckes hat der Selbsthilfeverein für Angehörige von Kindern mit Behinderung eine erste Protestaktion gegen die AfD gestartet. Auch im Januar beteiligte sich der Verein an einer Demonstration gegen Rechtsextremismus. "Die Angst ist extrem hoch, dass immer mehr Menschen die AfD wählen. Wenn die AfD an die Macht kommen sollte, wie viel Unterstützung für Menschen mit Behinderungen bleibt dann noch?", so Nordlohne.

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AfD im Landtag: "Inklusion ist krachend gescheitert"

Die Sorge von "next generation" liegt auch im Programm der AfD für die Landtagswahl in Niedersachsen 2022 begründet. Darin fordert die Partei: "Eine erzwungene Inklusion (...) darf nicht weiter stattfinden und muss sofort beendet werden". Kinder mit Behinderung, die "begabt sind und sich angemessen verhalten können", sollten an Regelschulen unterrichtet werden. Alle anderen seien in Förderschulen zu unterrichten. Im Februar 2019 nennt die Niedersachsen-AfD Inklusion ein "Auslaufmodell", "ein schwarzes Loch", eine "Utopie, die zu großen Katastrophen" führe. Im Dezember 2022 heißt es: "Die Inklusion an Regelschulen ist bislang krachend gescheitert". Daher fordert die AfD im Landtag seit jeher, und mit Nachdruck im Dezember 2023, den Erhalt der Förderschulen.

Behauptung der AfD wissenschaftlich nicht belegt

In ihrem Grundsatzprogramm schreibt die AfD, dass Inklusion "behinderte wie nicht behinderte Schüler in ihrem Lernerfolg" hindere. Studien belegen diese Behauptung jedoch nicht. So haben dänische Forscherinnen und Forscher untersucht, wie sich Inklusion auf Kinder auswirkt. Dafür werteten sie 15 Studien aus insgesamt neun Ländern aus. In Bezug auf die schulischen Leistungen und ihr allgemeines Wohlbefinden ließen sich dabei weder positive noch negative Auswirkungen feststellen. Den Forschern zufolge sei keine pauschale Aussage zulässig, ob Inklusion gut oder schlecht sei. Ihre Empfehlung: Bei jedem Kind müsse einzeln geprüft werden, welche Bildungsform zielführender sei.

Inklusion in Deutschland gesetzlich verankert

Mit der UN-Behindertenrechtskonvention sind seit 2009 die Rechte von Menschen mit Behinderung gesetzlich in Deutschland verankert. Zu diesen Rechten gehört auch Inklusion. Daher gibt es in Niedersachsen seit 2017 die "Aktionspläne Inklusion", die regelmäßig erweitert werden. Aber: Viel laufe nicht gut. "Inklusion wird in vielen Bereichen ausgebremst. Es scheitert an den Räumlichkeiten, den Lehrern, die 'nein' sagen, es gibt zu wenig Geld und Personal", sagt Nordlohne.

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Sichtbarkeit für Menschen mit Behinderung

Die Vorsitzende von "next generation" wünscht sich mehr Sichtbarkeit im Alltag von Menschen mit Behinderungen. "Die Tagesschau wird in der ARD nicht von einem Gebärdensprachdolmetscher begleitet, wie es in vielen anderen Ländern der Fall ist, sondern nur auf Phönix." Dass so ein Dolmetscher Teil des Regelprogramms im ARD sein sollte, sei aber enorm wichtig. Außerdem: "Es ist eine Seltenheit, dass Fußballspieler mal mit einem Kind mit Behinderung an der Hand aufs Spielfeld laufen. In der Politik arbeiten kaum Menschen mit Behinderung und es gibt keine führenden Politiker, die sich dem Thema annehmen", kritisiert sie.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Regional Osnabrück | 28.09.2023 | 07:30 Uhr

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