"Teufelszeug": Wie fatal Crack für die Drogenszene in Niedersachsen ist

Stand: 13.12.2023 10:29 Uhr

Laut dem Landeskriminalamt Niedersachsen kommen immer mehr Drogen nach Deutschland. Und das wirkt sich auch auf die Drogenszene in Hannover aus: Crack bestimmt immer mehr den Alltag in der offenen Drogenszene.

von Mandy Sarti

Es ist Donnerstagmorgen, die Sonne ist gerade aufgegangen. Die beiden Ehefrauen Maria und Petra (Namen von der Redaktion geändert) sitzen am Tisch des Aufenthaltsraums im Stellwerk in Hannover - dem einzigen Konsumraum in Niedersachsen. Hier können Suchtkranke ihre selbst mitgebrachten Drogen konsumieren und bekommen dafür saubere Utensilien. Maria zeigt ihren Ringfinger und sagt: "Eigentlich würde ich da meinen Ehering tragen, aber meine Finger sind zu geschwollen."

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"Das Crack, das macht die Leute so kaputt"

Das liegt am Konsum, ist sie überzeugt. Maria und Petra nehmen schon lange Drogen - fast 20 Jahre. Seit einigen Jahren spritzen sie Kokain. Seit einem halben Jahr, also seitdem sie in Hannover sind, rauchen sie auch Crack. Eigentlich haben sie das nicht gewollt, sagen sie, doch dann wurden sie vom Dealer angesprochen. Und dann war der Reiz doch größer als der gute Vorsatz. Sie nennen Crack "Teufelszeug". Das liegt vor allem daran, wie es auf die Menschen wirkt: "Das Crack, das macht die Leute so kaputt. Hier rauchen manche Leute einen Stein und drehen völlig durch."

Schneller Rausch und großes Suchtpotenzial

"Stein" steht in der Szene für Crack - ein Gemisch aus Kokain und Natron, das in einer Pfeife geraucht wird. Ein Zug kostet zwei Euro, weiß Lars Eilers, der den Konsumraum am Hauptbahnhof in Hannover leitet. Der Rausch folgt unmittelbar und ist nach 15 Minuten wieder vorbei. "Und dann ist das Verlangen wieder da", sagt er. Das Suchtpotenzial der Droge sei enorm hoch. Und damit auch der Drang der Konsumierenden, sich die Droge wieder zu beschaffen. "Die Menschen sind lange wach, der Schlafrhythmus ist total durcheinander. Die Körperhygiene geht tendenziell gegen null. Alles dreht sich ums Crack."

Crack-Süchtige müssen auf offener Straße konsumieren

Seit einiger Zeit sei der Konsum der Droge deutlich angestiegen. Immer häufiger wird in dem Konsumraum eine alte gegen eine saubere Crack-Pfeife getauscht. Denn konsumieren darf man Crack im Stellwerk noch nicht - es fehlt noch ein extra Raum mit entsprechenden Ablüftungsanlagen. Der soll aber kommen. Solange es ihn nicht gibt, verlagert sich der Konsum in die Öffentlichkeit.

Organisierte Drogenkriminalität ist ein Problem

Dass Crack in Hannover so leicht verfügbar ist, führen Expertinnen und Experten auf die Lage der Stadt zurück. Die Anbindung durch den Hauptbahnhof ermöglicht die schnelle Einfuhr der Droge. Das Kokain kommt nicht selten über den Hamburger Hafen nach Deutschland. Der bislang größte Fund war 2021: Damals stellte der Zoll 16 Tonnen Kokain sicher. In Niedersachsen sprechen Justiz- und Innenministerium inzwischen von einer organisierten Drogenkriminalität. Aber: Obwohl die Behörden mittlerweile häufiger Drogen konfiszieren, verändert sich am Straßenpreis nichts. Und auch nicht an der Verfügbarkeit.

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Bei 43 Drogentoten wurde Crack oder Kokain nachgewiesen

Laut der Bundesregierung sind im vergangenen Jahr 507 Menschen an einer Überdosis Crack oder Kokain gestorben. In den meisten Fällen wurden auch andere Substanzen nachgewiesen. In Niedersachsen lagen laut dem LKA bei 43 der insgesamt 117 Drogentoten Indizien für den Konsum von Crack oder Kokain vor. Auch Maria und Petra haben schon gesehen, welche Folgen der Konsum haben kann: Vor dem Stellwerk sei es schon zu Krampfanfällen gekommen. "Zum Glück konnte das Team vom Stellwerk schnell helfen und hat den Rettungswagen gerufen."

Forderung nach mehr Konsumräumen für Süchtige

Konsumräume könnten laut dem Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert einen sicheren Rückzugsort bieten. Die müssten aber von den Kommunen eingerichtet werden. Und bisher gibt es in Niedersachsen nur einen. Die Landesregierung hat dafür zwar die Weichen gestellt, setzt aber eher auf Prävention. Dafür stellt das Land 8,3 Millionen Euro bereit.

Konsumraum: "Personal kann bei Drogen-Notfällen schnell reagieren"

Lars Eilers vom Konsumraum in Hannover ist überzeugt, dass da dringend dran gearbeitet werden müsse. "Wir haben andere Großstädte wie Oldenburg und Braunschweig, da gibt es auch eine offene Drogenszene und diese Menschen haben nicht die Möglichkeit, in einem geschützten Setting ihre illegalisierten Suchtmittel zu konsumieren." Er ist überzeugt: Nur so ließe sich tatsächlich Leben schützen. Denn das geschulte Personal greife auch bei Drogen-Notfällen ein und verhindere so Todesfälle.

Konsumraum bietet auch Ausstiegsmöglichkeiten

Aber der Konsumraum kann auch Einstieg zum Ausstieg sein - so wie bei Maria und Petra. Die beiden Frauen haben die Hoffnung nicht aufgegeben, sie planen einen Entzug. Petra sagt: "Das ganze Team hilft uns. Das ist wie eine Familie. Ohne die würde es uns nicht mehr geben."

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Hallo Niedersachsen | 13.12.2023 | 19:30 Uhr

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