Organisierte Kriminalität: Drogenhandel größtes Problem
Niedersachsens Polizei hat 2022 insgesamt 68 Ermittlungsverfahren gegen die Organisierte Kriminalität geführt. Weitere 17 sogenannte Ermittlungskomplexe wurden von Bundespolizei und Zoll bearbeitet.
Bei der Mehrzahl der Ermittlungen standen Fälle von Drogenkriminalität im Mittelpunkt. In 52 der insgesamt 85 Ermittlungsverfahren ging es um Schmuggel oder Handel mit Betäubungsmitteln. Deutschland sei nicht nur Abnehmerland, sondern auch zentraler europäischer Knotenpunkt beim Umschlag von Drogen aus Südamerika und dem Nahen Osten, hieß es bei der Vorstellung des sogenannten Lagebilds Organisierte Kriminalität 2022 am Montag in Hannover.
Gesamtschaden beträgt fast eine halbe Milliarde Euro
Bei den Ermittlungen gegen die Organisierte Kriminalität in Niedersachsen wurden insgesamt 684 Tatverdächtige festgestellt, teilte Landespolizeipräsident Axel Brockmann mit. Der hochgerechnete Gesamtschaden belief sich 2022 demnach auf 468 Millionen Euro. Ein Jahr zuvor waren es "nur" 167 Millionen Euro. Die Ermittler stellten Vermögenswerte von 6,3 Millionen Euro sicher (2021: 4 Millionen Euro). Insgesamt wurden Verdächtige aus 50 verschiedenen Staaten ermittelt. Etwa 46 Prozent der mutmaßlichen Täter haben die deutsche Staatsbürgerschaft.
Schwerpunkte der Organisierten Kriminalität in Niedersachsen
- Rauschgiftkriminalität
- Wirtschaftskriminalität
- Cybercrime
- Schleusungskriminalität
- Steuer- und Zolldelikte
- Geldwäsche
- Eigentumskriminalität
- Gewaltdelikte
- Fälschungsdelikte
(Quelle: Innenministerium Niedersachsen, Justizministerium Niedersachsen)
Knacken von Krypto-Handys wichtiger Schlüssel für Ermittler
Eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität spielt für die niedersächsischen Ermittler die Entschlüsselung sogenannter Krypto-Handys. Nachdem zunächst über Monate mehrere Millionen Nachrichten des Anbieters Enchro-Chat abgefangen wurden, konnten die Ermittler auch verschlüsselte Botschaften der Plattformen SkyECC und ANOM abfangen. Diese zum Teil noch laufenden Entschlüsselungen erreichen die Ermittlungsbehörden in den Bundesländern und haben auch für Niedersachsen eine außergewöhnliche Dimension erreicht. Demnach basierten 2022 landesweit mehr als 40 Prozent der Verfahren auf Erkenntnissen aus der entschlüsselten Kommunikation von Tatverdächtigen.
Cybercrime stellt Ermittler vor große Herausforderungen
Cybercrime ist ein zentrales Thema in der Organisierten Kriminalität. "Zunehmende Verschlüsselung und wahnsinnige Datenmengen" bereiteten "Polizei und Staatsanwaltschaften riesige Probleme", erklärt Thomas Hackner, der im Justizministerium die Abteilung Strafrecht leitet. Ein regelrechtes "Baukastensystem" für Betrüger mit vorgefertigten Elementen könne im Internet erworben werden. Damit stünden auch dem "technisch weniger versierten Straftäter" Mittel zur Verfügung, um Betrugsmodelle zusammenzubauen, so Hackner. Das führe dazu, dass "so ein Phänomen wie Fake-Shops explosionsartig zugenommen“ habe. Auch der Verkauf von nur scheinbar vorhandenen Finanzprodukten habe zugenommen.
Wahlmann: Kampfansage gegen Organisierte Kriminalität
Im bundesweiten Vergleich der Verfahren zur Organisierten Kriminalität liegt Niedersachsen bundesweit an zweiter Stelle. Die Straftaten würden "fast ausschließlich durch polizeiliche Maßnahmen bekannt", konstatierte Polizeipräsident Axel Brockmann. Nur Einzeltaten würden durch die Anzeigen von Geschädigten auffliegen. Die dahinterliegenden Strukturen zu erkennen und zu zerschlagen sei immer eine Frage der Ermittlungstiefe, so der Landespolizeichef. "Wir werden nicht zulassen, dass sich Organisierte Kriminalität weiter ausbreitet", sagte Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD). "Insbesondere nicht in Niedersachsen, was wir zu verantworten haben. Wir wollen hier auch keine Gewaltszenen wie in Schweden, Belgien oder den Niederlanden."
Polizei und Justiz sollen gestärkt werden
Innenministerin Daniela Behrens (SPD) kündigte an, die Täter "auch in der digitalen Welt bis ins Darknet hinein mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entschlossen" verfolgen zu wollen. Dazu solle der Einsatz von Analyse-Tools und Software bei der Polizei in Niedersachsen flächendeckend verstärkt werden. "Die kriminellen Strukturen bedrohen unseren Staat, unsere Gesellschaft und uns alle", sagte Justizministerin Wahlmann. Hier werde der Rechtsstaat "klare Kante zeigen", so die SPD-Politikerin. Dazu will Wahlmann Staatsanwaltschaften und Strafkammern der Gerichte stärken. Die Freigabe von Cannabis sieht Niedersachsens Innenministerin skeptisch. "Ich glaube nicht, dass die Strafverfolgung einfacher wird mit der Freigabe von Cannabis", sagte Behrens - und Kabinettskollegin Wahlmann fügte hinzu: "Wir wollen weiter Cannabis-Handel im großen Stil verfolgen. Das wird ja auch weiterhin illegal sein."