Kritik an Schottergärten-Urteil: "Eingriff in Privateigentum"
Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hat entschieden: Baubehörden in Niedersachsen dürfen Schottergärten verbieten. Kommunen begrüßen das Urteil, der Grundstückseigentümer-Verband übt Kritik.
Geklagt hatten die Eigentümer eines Einfamilienhauses aus Diepholz. In ihrem Vorgarten hatten sie zwei Kiesbeete mit einer Fläche von rund 50 Quadratmetern angelegt. Nur vereinzelt wuchsen dort Pflanzen. Die Stadt erließ dagegen eine baurechtliche Verfügung wegen eines Verstoßes gegen die niedersächsische Bauordnung. Diese schreibt vor, dass nicht überbaute Flächen von Grundstücken Grünflächen sein müssen, sofern sie nicht für eine andere Nutzung erforderlich sind.
Beschluss des OVG zu Schottergärten ist unanfechtbar
Kläger Matthias Bleifuß vertrat die Ansicht, dass seine Kiesbeete wegen der vereinzelt wachsenden Pflanzen Grünflächen seien. Er habe bienenfreundliche Bodendecker gepflanzt, "denen man aber die Chance geben muss, sich auszudehnen", sagte er gegenüber dem NDR Niedersachsen. Das OVG wies diese Argumentation zurück. Grünflächen würden "durch naturbelassene oder angelegte, mit Pflanzen bewachsene Flächen geprägt", so das Gericht. Die Pflanzen müssten in einem Garten dominieren, nicht die Steine.
Stadt Diepholz drohte mit einem Bußgeld
Das hatte auch die Stadt Diepholz angeprangert. Matthias Bleifuß habe jedoch nicht auf Hinweisschreiben oder ein Vorort-Gespräch reagiert, sagte Bauamtsleiter Sebastian Dornieden dem NDR Niedersachsen. In einem Anhörungsbogen verlangte die Gemeinde daher: Garten begrünen oder bis zu 50.000 Euro Bußgeld zahlen. Die baurechtliche Verfügung sei rechtens, entschied das Oberverwaltungsgericht am Donnerstag.
Grundstückseigentümer-Verband spricht von "Einzelfall"
Der Beschluss des OVG ist nicht anfechtbar. Das bedauert der Landesverband Haus und Grund in Niedersachsen. Das Urteil sei unverhältnismäßig und ein starker Eingriff in die Eigentumsrechte, sagte der Vorsitzende Hans Reinold Horst. Es sei jedoch ein Einzelfall und kein allgemeingültiges Verbot für Schottergärten. "Grundstückseigentümer werden sich zukünftig dennoch vermehrt streitigen Auseinandersetzungen stellen müssen", vermutet Reinold Horst – zumal bereits einige Kommunen in Niedersachsen Schottergarten-Verbote verhängt haben.
Kommunen begrüßen das Urteil
In der Landeshauptstadt Hannover gehen beispielsweise zwei Mitarbeiter auf die Suche nach toten Gärten: 70 Schottergarten-Fälle sind so schon dokumentiert. Die Stadt Braunschweig ging in den vergangenen drei Jahren insgesamt 103 Fällen wegen des Verstoßes gegen das Schottergarten-Verbot nach. In 19 davon mussten die Eigentümer ihren Garten inzwischen umbauen und begrünen. Das Urteil sei eine Klarstellung, sagte ein Sprecher der Stadt Braunschweig dem NDR Niedersachsen. Ob sich dadurch viel ändert, sei aber fraglich, heißt es von einigen Kommunen. Um das Verbot durchzusetzen, fehle oftmals das Personal.
NABU: Schottergärten haben "verheerende Auswirkungen"
Der Naturschutzbund (NABU) Niedersachsen begrüßt das Urteil. "Gerade in der aktuellen Zeit, in der die Themen Insekten- und Vogelsterben leider immer mehr zu unserer bitteren Realität werden, haben Schottergärten verheerende Auswirkungen", sagte der Landesvorsitzende Holger Buschmann. Sie führen demnach zu einer Versiegelung der Böden und damit zu einem Verlust von Biodiversität. In der Gartenbau-Branche wird allerdings keine Auftragsflut zum Rückbau von Schottergärten erwartet, heißt es unter anderem vom Gartenbauer Kretschmer in Langenhagen. Oft seien Schottergärten ohnehin privat angelegt, mit Material aus dem Baumarkt.