Cybercrime in Niedersachsen: Zahl der Fälle hoch wie nie

Stand: 03.06.2024 20:57 Uhr

Im vergangenen Jahr registrierte die Polizei in Niedersachsen 13.218 Fälle von Cyberkriminalität - ein Anstieg um 1.000 Fälle. Auch die Zahl der entdeckten kinder- und jugendpornografischen Inhalte ist gestiegen.

von Oliver Jürgens

Noch nie war die Zahl der über das Internet begangenen Straftaten in Niedersachsen so hoch wie im vergangenen Jahr. In den vergangenen fünf Jahren ist sie um 40 Prozent gestiegen. Der Bereich Kinderpornografie verzeichnet im selben Zeitraum sogar einen Anstieg von 45 Prozent. Das geht aus dem "Lagebericht Cybercrime und Kinderpornografie" hervor, den Innenministerin Daniela Behrens (SPD) vorgelegt hat.

Privatcomputer im Visier der Hacker

Ein Schwerpunkt der Internetkriminellen ist das Onlinebanking. Dadurch sei im vergangenen Jahr in Niedersachsen ein Schaden in Höhe von 14,4 Millionen Euro entstanden. 2.800 Fälle registrierten die Ermittlungsbehörden. Die Täter würden zum Beispiel Internetseiten für nicht existierende Shops einrichten. Wer dann beim Bestellvorgang seine Bankdaten eintippt, gibt diese an die Täter weiter. Die würden damit dann oft Waren für sich bestellen. "Onlinebanking ist eine gute Sache, aber man muss sich schützen", so Innenministerin Behrens. Viele täten das erst, wenn es zu spät ist.

Ministerin fordert Datenspeicherung

Deutlich gestiegen ist auch die Zahl der Fälle im Bereich der Kinder- und Jugendpornografie. Die Innenministerin kritisiert, dass Deutschland bei der Verfolgung dieser Straftaten oft auf Daten aus den USA angewiesen sei. "Deshalb fordere ich, dass wir IP-Adressen der Computer speichern dürfen." Diese individuelle Adresse eines Computers sei die einzige Möglichkeit, der Täter habhaft zu werden. Bislang ist das in Deutschland aber nicht möglich. "Diese Rechtsgrundlage muss die Bundesregierung schaffen", fordert Behrens. Bislang sei in Deutschland Datenschutz wichtiger als Kinderschutz. Eine IP-Speicherpflicht hatte auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gefordert. Wie eine Nachfolgeregelung der vom Europäischen Gerichtshof kassierten Vorratsdatenspeicherung aussehen kann, ist innerhalb der Bundesregierung jedoch weiterhin umstritten.

Täterjagd mit Künstlicher Intelligenz

Rund 600 Menschen beschäftigen sich inzwischen in spezialisierten Dienststellen in Niedersachsen mit Fällen der Cyberkriminalität. "Wie sind hochkompetent und entwickeln zum Beispiel selber Software im Bereich Kinder- und Jugendpornografie", so Daniela Behrens. So wird seit Anfang des Jahres mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz kinder- und jugendpornografisches Material analysiert. "So können wir mit den unfassbar großen Mengen an Bildern und Videos umgehen." Wir sind in der Lage mitzuhalten, aber das Phänomen wächst sehr und fordert uns heraus, sagt Behrens.

Dunkelziffer von Cyberkriminalität ist hoch

Das Ausmaß von Cyberkriminalität ist noch viel größer. Nur ein Viertel aller über das Internet begangenen Straftaten würden angezeigt. Dabei werden laut Innenministerium täglich Unternehmen, Firmen und Behörden angegriffen und dabei Opfer von Cyberspionage- und sabotage. Oft werden die Computer gesperrt. Die Daten gibt es nur gegen die Zahlung eines hohen Geldbetrages zurück. Doch nur 24 Prozent aller Angriffe würden angezeigt.

Schwierige Begriffe: Kinderpornografie und Missbrauch

  • Kinderpornografie ist die fotorealistische Darstellung des sexuellen Missbrauchs einer Person unter 14 Jahren. Der Herstellung solcher Darstellungen liegt ein realer, oft schwerer sexueller Missbrauch zugrunde. Delikte in diesem Straftatbestand werden mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bestraft. (Quelle: BKA)
  • Die Aufarbeitungskommission, die sexuellen Kindesmissbrauch in Deutschland unabhängig aufarbeitet, kritisiert die Bezeichnung: Kinderpornografie sei ein verharmlosender und ungenauer Begriff für Missbrauchsdarstellungen von Kindern auf Fotos, in Filmen und Texten. Der Griff vermag darüber hinwegtäuschen, dass jede derartige Darstellung eine schwere Straftat ist, so die Kommission.
  • Der Verein "Wendepunkt" betont, dass bei der Herstellung von Pornografie die Teilnahme in der Regel freiwillig sei. Dafür könne bei Videos oder Fotos, auf denen sexuelle Handlungen mit Kindern gezeigt würden, nicht die Rede sein. Auch der Begriff "Missbrauch" sei nicht angebracht - er schließe ein, dass es im Umkehrschluss so etwas wie einen zulässigen Gebrauch von Kindern geben könne. Stattdessen solle der Begriff "sexuelle Gewalt" genutzt werden, weil sexuelle Handlungen mit Kindern nichts anderes seien.

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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 03.06.2024 | 19:30 Uhr

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