Neue Technik: Ein Auto, das Schlaganfälle erkennen soll

Stand: 19.02.2025 14:49 Uhr

Rund 270.000 Menschen erleiden in Deutschland pro Jahr einen Schlaganfall. Experten sind sich einig: Es könnten weniger sein, wenn die Anzeichen früher erkannt würden. Forscher aus Braunschweig haben ein Auto entsprechend ausgerüstet.

von Sabine Hausherr

Von außen sieht das Auto ganz normal aus. Doch schon beim Einsteigen sieht man die Technik im Cockpit: Sensoren und ein Mikrofon im Gurt erfassen die Herztöne, Elektroden im Lenkrad zeichnen über die Hände ein EKG auf und während der Fahrt filmt eine Kamera das Gesicht des Fahrers. "Da machen wir eine Analyse vom Stirn- und Wangenbereich", erklärt Professor Thomas Deserno. Er hat das Auto mitentwickelt und forscht am Peter L. Reichertz Institut für Medizinische Informatik (PLRI) der Technischen Universität Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover.

Tägliche Routine perfekt für die Gesundheitsvorsorge

Das Bild zeigt ein Auto, dass über eine ausgefeilte Sensorik die Schlaganfall-Gefahr beim Fahrer erkennt. © NDR
Sensoren und ein Mikrofon im Gurt erfassen die Herztöne.

"Wenn sauerstoffreiches Blut ins Gesichtsgewebe strömt, ändert sich die Gesichtsfarbe", erklärt der Medizininformatiker weiter. Für das menschliche Auge sei das kaum wahrnehmbar. Die Wärmebildkamera allerdings könne das genau erfassen und damit feststellen, ob es dem Fahrer gut gehe. Für ihn ist das Auto der perfekte Ort, um tägliche Gesundheitschecks zu machen. "Es sind immer dieselben Bewegungsabläufe, oft auch noch zur selben Tageszeit, etwa auf dem Weg zur Arbeit oder zum Einkaufen", erklärt er. Das Auto könne damit im Laufe der Jahre verlässlich Veränderungen beim Gesundheitszustand feststellen. Laut Deserno verbringen Menschen durchschnittlich rund 43 Minuten täglich in ihrem Auto.

Symptome: Unregelmäßige Herzschläge können festgestellt werden

Das Bild zeigt ein Auto, dass über eine ausgefeilte Sensorik die Schlaganfall-Gefahr beim Fahrer erkennt. © NDR
Elektroden im Lenkrad zeichnen über die Hände ein EKG auf.

So könne das System etwa feststellen, wenn das Herz unregelmäßig schlage. Das sei in einem gewissen Rahmen normal, betont er. "Wenn das aber immer häufiger und in kürzeren Abständen passiert, könnten das Vorboten eines Schlaganfalls sein", warnt er. Seine Idee: Wenn das Fahrzeug Veränderungen feststellt, bekommt man am Abend eine E-Mail mit den festgestellten Auffälligkeiten geschickt. "Spätestens dann sollte man zum Arzt gehen und das einfach mal überprüfen lassen", sagt Deserno.

Vorsorge muss noch wichtiger werden

Vor wenigen Monaten hat er das Fahrzeug auf einer Medizintechnik-Messe in Düsseldorf vorgestellt und bekam schon erste Angebote, berichtet er. Mehrere Gurthersteller würden gerne mit ihm zusammenarbeiten und die Messelektroden quasi in den "Gurt der Zukunft" mit einweben. Auch der ADAC sieht durchaus Potenzial in dem Thema. Schon jetzt aber würden Smartwatches zur Gesundheitsvorsorge eingesetzt werden, heißt es von dort. Professor Thomas Deserno betont allerdings, dass in seinem Versuchsauto gleich mehrere Sensoren und Elektroden verschiedene Gesundheitsfaktoren gleichzeitig erheben, also nicht nur Herzschlag und Puls. 

Schlaglöcher können Messergebnisse beeinflussen

Das Bild zeigt ein Auto, dass über eine ausgefeilte Sensorik die Schlaganfall-Gefahr beim Fahrer erkennt. © NDR
Während der Fahrt filmt eine Kamera das Gesicht des Fahrers.

Noch aber ist das System nicht serienreif. Schlaglöcher zum Beispiel verfälschen derzeit noch die EKG-Messergebnisse. Und auch, wenn die Sonne zu stark ins Gesicht scheint oder der Fahrer im Winter eine zu dicke Jacke trägt, werden die Messungen erschwert oder ungenau. Doch gerade bei Risikopatienten sollte künftig der Fokus noch mehr auf Vorsorge liegen, sagt Professor Thomas Deserno von der TU Braunschweig. "Wir sollten nicht warten, bis der Schlaganfall passiert ist und dann die sehr teuren Behandlungs- und Folgekosten bezahlen, sondern lieber dafür sorgen, dass es überhaupt nicht so weit kommt", mahnt er.

Nachrüstbar mit passender App

Daran, dass das System schon bald serienmäßig von Autoherstellern in neuen Autos verbaut wird, glaubt der Medizininformatiker allerdings nicht. Er könne sich vorstellen, dass es eine nachrüstbare Technik mit einer passenden App wird und die Technik auf Wunsch schon in den nächsten Jahren Einzug ins Auto hält. So könnten gerade Risikopatienten viel früher die Anzeichen für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung erkennen und einen möglichen Schlaganfall bestenfalls sogar verhindern.

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