Comeback der Wehrpflicht? So reagiert Niedersachsen auf die Debatte
55 Jahre lang musste in Deutschland ein Wehr- oder Zivildienst abgeleistet werden. CSU-Politiker Florian Hahn fordert eine Wiedereinführung und zwar noch in diesem Jahr. Ein Blick nach Niedersachsen zeigt, wie schwierig das ist.
Zu wenig Ausbilder und kaum Möglichkeiten der Wehrerfassung - nur zwei Baustellen, die laut niedersächsischem Landeskommando einer schnellen Einführung der Wehrpflicht entgegenstehen. Denn um tausende Menschen für den Dienst bei der Bundeswehr zu gewinnen, müssten diese erstmal erfasst und gemustert werden. Ressourcen, über die Deutschland nicht verfüge, sagt Severin Pleyer, Politikwissenschaftler an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. "Wir können nicht einfach zurückgehen zum alten Modell, weil wir schlicht und ergreifend seit 2011 keine Menschen mehr erfasst haben, die Wehrdienst leisten sollen", erklärt er.
Auch die Politik sieht das Vorhaben skeptisch
Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hält das Vorhaben für utopisch. "Die Diskussion muss sicherlich geführt werden, das ist gar keine Frage." Aber die Forderung nach einer unverzüglichen Wiedereinführung, die gehe an der Realität vorbei, sagt Weil. Kritik an dem Vorstoß gibt es zudem von CDU-Fraktionsvorsitzendem Sebastian Lechner. "Dass wir das in diesem Jahr schaffen, das glaube ich nicht, aber wir müssen jetzt möglichst zügig die Strukturen schaffen", sagt er.
"Die Politik hat keinen konkreten Plan"
Doch genau hier sieht Politikwissenschaftler Severin Pleyer die nächste Schwachstelle. Er kritisiert, dass es keine konkrete Idee gibt, wie sich Deutschland strategisch ausrichten will. "Das bleibt die CDU und CSU genauso, wie die SPD nach wie vor schuldig, wie denn eigentlich genau die Bundeswehr in zehn Jahren aussehen soll. Denn wir haben jetzt gekauft und gekauft, aber nicht wirklich in einem abgestimmten Prozess", sagt Pleyer. Entscheidende Fragen blieben unbeantwortet. Dazu zähle auch die Frage, wie der Zivilschutz im Falle eines Krieges gestärkt werden könne, welche Rolle Nuklearwaffen bei einem Krieg spielen würden und wie die Folgen für die Wehrhaftigkeit dabei konkret aussehen.
Wehrpflicht trotz Herausforderungen nicht vom Tisch
Trotz der Herausforderungen sprechen sich die SPD und auch die CDU in Niedersachsen dafür aus, mehr Menschen für die Bundeswehr zu gewinnen. "Wir haben Nachwuchsmangel in der Bundeswehr, wir brauchen mehr Menschen", sagt Sebastian Lechner. Insofern werde man mittelfristig gar nicht an einer Wehrpflicht vorbeikommen. Wichtig sei, das pragmatisch und vernünftig zu tun, so Lechner. Ministerpräsident Stephan Weil verweist zudem auf die Herausforderungen, vor denen die Bundeswehr schon jetzt bei der Reform stehe. Eine Wiedereinführung der Wehrpflicht würde diesen Prozess zusätzlich belasten.
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