Ausbilder aus Niedersachsen trainieren Ukrainer für die Front
Seit drei Jahren herrscht in der Ukraine Krieg. Der NDR hat an geheim gehaltenen Orten in Deutschland die Bundeswehr-Ausbildung ukrainischer Soldaten begleitet.
Einer der ukrainischen Soldaten ist Sergii. Eigentlich arbeitet er in der Ukraine als Bauarbeiter, doch nun soll er Zugführer werden - verantwortlich für gleich drei Panzerbesatzungen. Wann er das erste Mal einen Panzer gesehen hat? Vor drei Wochen als er nach Deutschland kam. Schon in einem Monat soll Sergii mit diesem Panzer an die Front fahren. Normalerweise dauert die Ausbildung zum Panzer-Zugführer bei der Bundeswehr mehrere Jahre. Bei Sergii nur einige Wochen. Er habe sich freiwillig gemeldet, wollte schon immer ein "Panzermann" sein, erzählt der 44-Jährige. Doch nicht alle hier kommen freiwillig.
Oberst: Immer mehr "Gezogene"
Oberst Stephan Kirchhoff ist verantwortlich für bis zu 500 Bundeswehrausbilder aus der Niedersachsenbrigade. Er leitet aktuell die Ausbildung der Ukraine in einem von zwei deutschen Ausbildungszentren. Längst kämen nicht mehr nur erfahrene Soldaten oder Freiwillige für die Ausbildung nach Deutschland. Es sind immer mehr "Gezogene" dabei - also eingezogene Männer. Mit denen müsse man anders umgehen als mit erfahrenen Soldaten, erklärt der Kommandeur.
Ausbildung an geheimen Orten
Es ist kalt an diesem Morgen Anfang Februar auf einem Truppenübungsplatz irgendwo in Sachsen-Anhalt. Der genaue Ort muss geheim bleiben, so die Auflage der Bundeswehr. Zu groß ist die Sorge vor Spionage. Auf einer großen Betonfläche stehen mit Planen abgedeckte Kampfpanzer. Leopard 1 A5. Bei der Bundeswehr und anderen Armeen in Europa längst ausgemustert, wurden die Panzer nun wieder überholt - für die Ukraine. Vor den Panzern haben sich Sergii und seine Kameraden aufgereiht. Sie sind alle vermummt, auch das eine Auflage der Bundeswehr. Keiner soll hier erkannt werden, während der NDR Reporter mit der Kamera dabei ist.
Rüstungsindustrie übernimmt technische Einführung
Ein Major der Bundeswehr tritt vor die Gruppe, er spricht Deutsch. Nach jedem Satz übersetzt ein Sprachmittler der Bundeswehr. "Ich bin Major Heiko, der Chef der Ausbildungskompanie. Sie haben bereits drei Wochen Ausbildung in der Industrie durchgeführt. Und nun setzen wir das fort, mit dem Ausbildungsanteil durch das Militär". Der Panzerzug von Sergii und seinen Kameraden hat eine Stunde später eine Schießbahn erreicht. Das erste Fahren mit dem Panzer hat geklappt. Ausbilder Heiko ist zufrieden: "Die haben sehr wenig Erfahrung, die wir jetzt hier in diesem Durchgang haben. Die sind gerade frisch in der Grundausbildung gewesen und machen aber einen sehr guten Eindruck, sind sehr wiss- und lernbegierig und zeigen auch deutliche Ausbildungsfortschritte".
Panzer sind alt
Und das ist auch nötig. Waffen einstellen, Ziele anvisieren und mit den Tücken des alten Panzers klarkommen. Das müssen Sergii und seine Kameraden in nur wenigen Wochen allein können - ohne Unterstützung. Sergii sagt, er vertraue dem Gerät. Doch nur wenige Minuten später, bei seiner ersten Schießübung, klemmt das Maschinengewehr des Panzers. Die Übung muss abgebrochen werden und kann erst nach einer halben Stunde weitergehen.
Ausbilder machen sich Sorgen
Es ist keine normale Ausbildungsmission - da sind sich hier alle einig. Denn die Ausgebildeten sind nur wenige Tage nach dem Lehrgang wieder im Krieg. Und so versuchen die deutschen Ausbilder keine engen Beziehungen zuzulassen. Deshalb sind sie auch an einem anderen Ort untergebracht. Ein Selbstschutz - und dennoch bleibt die Sorge, sagt der Ausbilder Heiko: "Natürlich denkt man darüber nach, dass die fallen oder verwundet werden könnten. Aber ein Gefühl von Angst entwickle ich jetzt nicht - nur natürlich ein bedrückendes Gefühl, dass die dann eben auch im Krieg für ihr Vaterland fallen könnten".
Soldaten sollen fiktives Dorf einnehmen
Ein neuer Tag, ein anderer Truppenübungsplatz. Schwer bewaffnete Soldaten drücken sich an eine Hauswand, schreien Kommandos, feuern um die Hausecke. Es ist die Abschlussübung für Dmytro und seine Mannschaft. Sie sollen ein fiktives Dorf einnehmen - ihre Gegner im Häuserkampf sind die deutschen Ausbilder. Geschossen wird nur mit Platzpatronen. Schiedsrichter überwachen, wann ein Soldat getroffen wurde.
Ukrainer: Werde Ausbilder vermissen
Alle, die hier kämpfen, waren bereits an der Front - auch Dmytro. Der 34-Jährige kam vor zehn Jahren zur ukrainischen Armee. Was er in den vergangenen Wochen in Deutschland gelernt habe, das habe er aufgesogen, erzählt er im NDR Interview. Seine deutschen Ausbilder werde er sehr vermissen.
Gefallen in der Übung
Über Stunden kämpfen sie hier - rücken in dem Übungsdorf von einem Gebäude zum nächsten vor. Immer wieder gibt es laute Gewehrsalven, Rauchgranaten fliegen aus den Fenstern der eingenommenen Häuser. Dann passiert, was eigentlich nicht passieren darf. Ein "Gegner" trifft Dmytro, ein Schiedsrichter sagt ihm, dass er gefallen sei. Ob ihm das Angst macht? Dmytro verneint. "Ich bin schon das dritte Jahr im Krieg und jeder von uns ist mehr als einmal auf Messers Schneide gelaufen. Wir haben einen Spruch: Wenn du einen Fehler machst, dann bist du tot. Und ich habe einen Fehler gemacht und der Gegner hat mich ausgeschaltet - so ist das".
Ukrainer wünscht Deutschland Frieden
"Besser hier als in echt", sagt Dmytro und er möchte noch etwas loswerden. "Ich wünsche euch, dass ihr das, was wir erleben, niemals erleben müsst. Auch eure Kinder und Enkel und Urenkel und ich wünsche euch, dass ihr die Fehler, die wir gemacht haben, nicht macht. Ich wünsche euch Frieden! Ihr müsst immer stark sein und eure Stärke immer zeigen". In wenigen Tagen wird Dmytro wieder an der ukrainischen Front kämpfen. Auch Panzer-Zugführer Sergii soll schon in wenigen Wochen in seinen ersten Einsatz starten. Die Ausbilder der Niedersachsenbrigade bereiten sich derweil bereits auf die nächsten ukrainischen Soldaten vor.
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