Cannabis-Legalisierung: Streit um Grenzwert im Straßenverkehr
Der Bund will den Grenzwert für Cannabis am Steuer von 1,0 auf 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blut anheben. Niedersachsen und Hamburg sind dagegen. Am Montag wurden dazu Experten im Bundestag gehört.
Ob und wenn ja welche Folgen ein höherer Cannabis-Grenzwert im Straßenverkehr haben wird - darüber waren sich die Fachleute bei der Anhörung im Gesundheitsausschuss nicht einig. Der ADAC etwa hält den vorgeschlagenen Grenzwert von 3,5 Nanogramm für vertretbar. Er sei so niedrig, dass keine schwerwiegenden Folgen für die Verkehrssicherheit zu befürchten seien, sagt Gerhard Hillebrand vom ADAC. Das sieht auch die Bundesanstalt für Straßenwesen so. Ingo Koßmann, der Leiter der Abteilung Verhalten und Sicherheit im Verkehr geht davon aus, dass es erste Einschränkungen bei einem Wert von 2 bis 5 Nanogramm und damit Folgen für die Verkehrssicherheit zu erwarten sind. Daher hält er die 3,5 Nanogramm für einen guten Mittelwert.
Polizei befürchtet mehr Verkehrsunfälle
Anja Käfer-Rohrbach vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft ist aus rechtlichen Gründen froh, wenn es jetzt überhaupt schnell einen angepassten Grenzwert gibt. Gegen eine Anhebung des Grenzwertes ist die Deutsche Polizeigewerkschaft. Polizeirat Marco Schäler befürchtet, dass die Verkehrsunfälle unter Cannabis zunehmen werden. Denn schon jetzt machten die Verkehrspolizisten die Erfahrung, dass die Wirkung von Cannabis für die Konsumenten nicht kalkulierbar sei. Es zeigten auch schon Autofahrer ein auffälliges Fahrverhalten, die weniger als 2 Nanogramm THC pro Milliliter Blut aufwiesen, so Schäler. Er rechnet damit, dass ein höherer Grenzwert zu mehr Verkehrsunfällen führen werde. Das würden auch Beispiele aus anderen Ländern zeigen, sagt Schäler.
Bundesverkehrsministerium will höheren Cannabis-Grenzwert
Eine unabhängige Expertenkommission hatte den Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blut vorgeschlagen. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte diesen Vorschlag in den Gesetzentwurf geschrieben. Bisher hatte sich in der Rechtsprechung ein Grenzwert von 1,0 Nanogramm durchgesetzt. Das befand man aber als zu niedrig, weil dieser Wert gerade der Nachweisgrenze entspricht und nichts über die Fahrtüchtigkeit aussagt. Nach Ansicht der Expertenkommission kommt ein Cannabis-Grenzwert von 3,5 Nanogramm dem Risiko einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille gleich. Für Fahranfänger und unter 21-Jährige sollen strengere Regeln gelten: Sie dürfen gar kein THC im Blut haben.
Behrens: "Kiffen oder Autofahren, beides zusammen geht nicht!"
Wenn es nach der niedersächsischen Innenministerin Daniela Behrens (SPD) geht, sollten diese strengen Regeln für alle gelten. Sie sagt: "Die Anhebung des THC-Grenzwertes halte ich vor dem Hintergrund der ohnehin viel zu hohen Zahl von schweren Verkehrsunfällen, die auf den Einfluss von Alkohol, Drogen und Medikamenten zurückzuführen sind, für indiskutabel. Jede und jeder soll sich auch weiterhin entscheiden müssen: Kiffen oder Autofahren, beides zusammen geht nicht!"
Hamburg und Niedersachsen arbeiten gemeinsam
Behrens hofft, zusammen mit dem Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) kurzfristig einen Beschluss der Innenministerkonferenz der Länder erreichen zu können, der sich gegen die Erhöhung des Grenzwertes ausspricht. Mit dem Ziel, wie sie sagt, ein Umdenken in Berlin zu bewirken. Auch der Hamburger Innensenator befürchtet einen erheblichen Anstieg der Cannabisverstöße im Straßenverkehr mit entsprechenden Folgen. Denn, so sagt Grote: "Die Auswirkung von Cannabiskonsum auf die Fahrtüchtigkeit ist sehr schlecht berechenbar, die Lockerung des Grenzwertes führt zu zusätzlichen Risiken insbesondere für andere Verkehrsteilnehmer."
Abstimmung über neuen Grenzwert im Bundestag
Viel Zeit bleiben Niedersachsen und Hamburg für ihre Initiative nicht mehr. Denn schon am kommenden Donnerstag will der Bundestag einen neuen Grenzwert für Cannabis im Straßenverkehr beschließen.