Bekifft Autofahren: Ein Selbstversuch mit Cannabis
Nach der Teillegalisierung von Cannabis stellt sich NDR Reporter Jan Bockemüller einem Selbstversuch: Er fährt bekifft Auto - auf einem Testgelände. Über die Erfahrung berichtet Jan voll entspannt - und eindeutig.
Cannabis ist seit dem 1. April teillegalisiert. Konsum und Besitz in bestimmten Mengen sind legal. Doch im täglichen Leben wirft das Fragen auf. Gerade im Bezug aufs Autofahren. Ein Aspekt hat mich besonders aufhorchen lassen: Wird es mehr Verkehrsunfälle im Zusammenhang mit Cannabiskonsum geben? Zumindest hat das das niedersächsische Innenministerium prognostiziert. Ich beginne zu recherchieren. Zum Thema Verkehrstüchtigkeit und Cannabis gibt es sehr viele unterschiedliche Informationen. Und das ist auch klar, denn Cannabis wirkt einfach sehr individuell.
Polizei und ADAC beim Test zur Fahrtauglichkeit und Cannabis
Zeit für einen Test. ADAC und Polizei willigen ein. Für alle Beteiligten absolutes Neuland. Wir einigen uns darauf, dass ich erst nüchtern fahre, dann bekifft und dann mit etwas Abstand. Wie wirkt sich Cannabis auf mein Fahrverhalten aus? Ab wann darf ich eigentlich wieder ans Steuer, wie wird auf Drogen getestet, was für Strafen drohen? So viel vorweg: Lasst das Auto in jedem Fall stehen!
Autofahren unter Cannabis
Nach einer kurzen Einweisung waren die nüchternen Runden im Parcours und der Reaktionstest an der Wasserwand erwartungsgemäß gut. Interessanter wurde es, als das Cannabis ins Spiel gekommen ist. Ich habe zwar in meinem Leben schon mal gekifft, aber von einem "richtigen Kiffer" bin ich weit entfernt. Deswegen war ich bei der Dosierung vorsichtig: etwa 0,3 Gramm. Die Situation war skurril - legal kiffen vor der Polizei. Beim Rauchen merkte ich schnell die Wirkung. Was aber noch recht entspannt und witzig war, änderte sich schlagartig im Auto. Der Innenraum fühlte sich beklemmend eng an, es wirkte total falsch, auf dem Fahrersitz zu sitzen. Die Fahrt selbst fühlte sich so an, als wäre ich der Fahrer einer U-Bahn in einem Tunnel. Wie geführt, ohne geführt zu sein. Und das ist beängstigend.
Durch alle Tests der Polizei durchgefallen
Meine Runde im Parcours fuhr ich bekifft 25 Sekunden langsamer als im nüchternen Zustand. Das Einparken hat nur sehr schlecht funktioniert. Einen Pylon habe ich erwischt und überfahren. Noch schlimmer der Reaktionstest, bei dem ich - nüchtern - die Wasserwand noch lässig mit 50 Kilometer pro Stunde umfahren konnte. Bekifft habe ich sie glatt gerissen. Wäre das ein menschliches Hindernis gewesen, hätte ich die Person mit fast 50 Sachen "umgenagelt" - etwas, was ich nicht erleben möchte. Es liegt in der Natur der Sache, dass ich am Versuchstag durch alle Tests der Polizei durchgefallen bin. Es ist nicht nur der Urintest, der einen entlarvt, die Beamtinnen und Beamten sind so geschult, dass sie jedes auffällige Verhalten auch bemerken. Man hat das Gefühl, alles, was man macht, ist falsch.
So wird Cannabiskonsum im Körper nachgewiesen
Das THC im Cannabis steigt im Körper rapide an. Es geht zwar genau so schnell wieder runter, bleibt aber noch länger im Organismus, selbst wenn man sich schon wieder nüchtern fühlt. Bei einmaligem oder seltenem Konsum ist das THC im Urin nach etwa 24 bis 36 Stunden nicht mehr nachweisbar. Problematisch wird es bei starken Konsumenten. Wer regelmäßig kifft, bei dem bleibt das THC im Körper länger gespeichert und ist in Extremfällen noch Wochen nach dem letzten Konsum nachweisbar. Und neben den kognitiv-motorischen Tests kann man auch über Untersuchungen von Blut, Urin und Speichel den Drogenkonsum feststellen. Ein Speicheltest ist für die offiziellen Kontrollen der Polizei in Niedersachsen allerdings nicht zugelassen.
Wann drohen welche Strafen?
Wann eine Strafe droht und wann der Toleranzwert greift, ist sehr individuell. Der Grenzwert gilt ab einem Nanogramm THC im Blut. Würde das festgestellt werden, wäre das beim ersten Verstoß ohne Auffälligkeiten eine Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld in Höhe von 500 Euro. Ist die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigt, greift das Strafrecht. Dann ist mindestens der "Lappen weg", es gibt zwei Punkte in Flensburg. Im äußersten Fall droht auch eine Freiheitsstrafe. Und ganz wichtig: Ein "Mischkonsum" von Cannabis mit Alkohol ist generell verboten.
Hohes Risiko als Verkehrsteilnehmer
Etwa anderthalb Stunden nach meinem Joint fühlte ich mich schon klarer. Die Übungen liefen etwas besser. Mein Trainer vermutet, dass das aber auch am Trainingseffekt gelegen haben könnte. Im normalen Straßenverkehr wäre ich als aktiver Verkehrsteilnehmer nach wie vor ein zu großes Risiko - vor allem bei plötzlich eintretenden Situationen, in denen ich schnell und sicher reagieren müsste.
24 Stunden nach Joint rauchen wieder "clean"
Ich bin kein Spielverderber. Jeder kann jetzt, wenn er möchte, maßvoll Cannabis konsumieren. Die Polizei hat mir Urintests für zu Hause mitgegeben. Ich war nach gut 24 Stunden wieder komplett "clean". Für einen unerfahrenen Cannabiskonsumenten wie mich ist das ein guter Richtwert. Aber aktiv am Verkehr teilnehmen, auf keinen Fall: Don't smoke and drive.