Bundestagswahl: Niedersachsen zwischen Freude und "Niederlage"

Stand: 24.02.2025 13:29 Uhr

Am Tag nach der Bundestagswahl haben sich Vertreter der Parteien in Niedersachsen am Montag in der Landespressekonferenz (LPK) geäußert: Freude bei CDU, AfD und Linken, die SPD spricht von einer "schweren Niederlage".

Zu Gast in der LPK in Hannover waren SPD-Generalsekretärin Dörte Liebetruth, CDU-Generalsekretär Marco Mohrmann, die Landesvorsitzenden der Grünen Greta Garlichs und Alaa Alhamwi, der AfD-Landesvorsitzende Ansgar Schledde, Anja Schulz von der FDP und Linke-Landesvorsitzender Thorben Peters. Die Vertreter des BSW hatten wegen Gremiensitzungen kurzfristig abgesagt.

"Hannoversche Runde" am Wahlabend

Erste Reaktionen hatte es bereits am Sonntagabend gegeben. In der "Hannoverschen Runde" stellten sich Spitzenpolitiker den Fragen von Martina Thorausch, Leiterin der Redaktion Landespolitik im NDR. Zu Gast im Studio von Hallo Niedersachsen waren die stellvertretende Ministerpräsidentin Julia Willie Hamburg (Grüne), Oppositionsführer und CDU-Chef Sebastian Lechner (CDU) und der AfD-Fraktionsvorsitzende Klaus Wichmann. Ministerpräsident Stephan Weil war live aus Berlin zugeschaltet. Er hatte als erster Stellung beziehen müssen zu der krachenden Niederlage der SPD im Bund und in Niedersachsen.

SPD will Wahlergebnisse genau analysieren

Dörte Liebetruth (SPD) bei der Landespressekonferenz Niedersachsen nach der Bundestagswahl 2025 © NDR
Kommt eine schwarz-rote Koalition? SPD-Generalsekretärin Dörte Liebetruth sieht die CDU am Zug.

Für Niedersachsens Ministerpräsident Weil ist das Wahlergebnis eine schwere Niederlage. "Da müssen wir nicht drumherum reden", so Weil am Sonntag im Video aus Berlin. Es gelte, nun genau zu analysieren, warum die SPD so viel Vertrauen verloren habe. Auch wenn die SPD in Niedersachsen teils mehr Stimmen geholt hat als bundesweit, könne man in keiner Weise zufrieden sein mit diesen Ergebnissen, so der Landes-SPD-Chef. Die SPD verlor in Niedersachsen - einer ihrer Hochburgen - 10,1 Prozentpunkte gegenüber 2021. Die Frage, ob Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, der zuvor Innenminister in Niedersachsen war, am Ende nicht doch der bessere Kanzlerkandidat gewesen wäre, wollte Weil nicht beantworten. "Wir gewinnen zusammen und wir verlieren zusammen - heute haben wir zusammen verloren", sagte Weil. Das bekräftigte auch die SPD-Generalsekretären Doris Liebetruth am Montag. Sie sprach von einer "ganz schweren Niederlage". Zur Frage nach einer Koalition mit der CDU erklärte sie, es liege jetzt an der Union, auf die SPD zuzugehen, und dann werde verhandelt. Der SPD gehe es darum, die Demokratie zu verteidigen. "Das wird in die Gesamtabwägung einfließen". Man werde nun genau analysieren, wie die SPD wieder zu einer "starken Volkspartei in der linken Mitte" zurückkommen könne. "Unser Anspruch ist es und bleibt es, stärkste politische Kraft in Niedersachsen zu sein und auch bundesweit."

CDU: "Gräben zuschütten und Brücken bauen"

Marco Mohrmann (CDU) bei der Landespressekonferenz Niedersachsen nach der Bundestagswahl 2025 © NDR
CDU-Generalsekretär zeigt sich in der LPK zuversichtlich für konstruktive Verhandlungen.

Mit dem Ergebnis der Bundestagswahl hat die CDU der SPD in Niedersachsen den Rang abgelaufen. CDU-Chef Sebastian Lechner freut sich über den Wahlsieg seiner Partei und über einen klaren Regierungsauftrag. Er betonte in der "Hannoverschen Runde": Es gelte nun, Gräben zuzuschütten und Brücken zu bauen, um schnell eine handlungsfähige Bundesregierung zu bilden. Obwohl sich die Parteien im Wahlkampf hart angegangen sind, zeigte er sich überzeugt: "Der Verantwortungsgeist ist vielen klar." Er sehe eine gute Chance, gemeinsam eine gute Regierung auf den Weg zu bringen. Auch mit Blick auf die Landtagswahl in zwei Jahren sieht sich Lechner auf einem guten Weg. Er will als Ministerpräsident kandidieren. CDU-Generalsektretär Marco Mohrmann zeigte sich am Montag ebenfalls sehr zufrieden mit dem Wahlergebnis. Es zeige deutlich, dass die CDU mit der SPD eine Koalition bilden könne, so Mohrmann. Er sei zuversichtlich, dass es konstruktive Verhandlungen und Gespräche geben werde. Mit Blick auf das Ergebnis der AfD erklärte Mohrmann, man müsse nun deutlich machen, dass die Parteien der demokratischen Mitte die Probleme der Menschen erkennen und daran interessiert seien, sie zu lösen. "Das kann der einzige Weg sein, Vertrauen wiederzugewinnen."

AfD: "Unsere Hand ist ausgestreckt"

Ansgar Schledde (AfD) bei einer Pressekonferenz nach der Bundestagswahl 2025 © NDR
"Unsere Hand ist ausgestreckt", sagt AfD-Landesvorsitzender Ansgar Schledde in Richtung der CDU.

Der niedersächsische AfD-Fraktionschef Klaus Wichmann sieht die Union im Bund vor schwierigen Fragen. "Wir stehen zur Verfügung, wenn die CDU uns braucht," sagt er mit Blick auf die Regierungsbildung. Zwar wolle es die Union erst ohne die AfD probieren. "Wir sind da aber skeptisch, ob das klappt", so Wichmann. In Niedersachsen habe die AfD ihr Ergebnis mehr als verdoppelt, ein fantastisches Ergebnis, so Wichmann. Auch der AfD-Landesvorsitzende sprach am Montag von "großer Freude über das Ergebnis". In Zukunft wolle man noch härter arbeiten, um zu überzeugen. Angesprochen auf die anderen Parteien, die eine Zusammenarbeit mit der AfD ausschließen, sagte Schledde: "Unsere Hand ist ausgestreckt im Bund und im Land für einen politischen Wechsel. Wir stehen zur Verfügung, aber können es nicht erzwingen."

Grüne: "Müssen ordentlich einen draufsetzen"

Greta Garlichs(links), Alaa Alhamwi (rechts, beide Bündnis 90/Die Grünen) und Fabian Köhler (Landespressekonferenz) bei einer Pressekonferenz nach der Bundestagswahl 2025 © NDR
Die Grünen-Landtagsvorsitzenden Greta Garlichs (links) und Alaa Alhamwi (rechts) sehen Handlungsbedarf in der Partei.

Weniger zufrieden zeigte sich die stellvertretende Ministerpräsidentin Niedersachsens, die Grünen-Politikerin Julia Willie Hamburg. Zwar hätten die Grünen Vertrauen zurückerobert nach dem Aus der Ampelkoalition, der Anspruch sei aber "natürlich ein anderer". Trotzdem sei das jetzige Ergebnis erst einmal ein gutes. Die Rot-Grüne Koalition in Niedersachsen übernehme gute Regierungsverantwortung und streite wenig - so habe sie sich auch von der Ampel abgesetzt. Auch die Landesvorsitzende der Grünen, Greta Garlichs, sprach in der LPK von einer "guten stabilen Ausgangslage, auf der wir aufbauen wollen." Allerdings habe sich die Partei höhere Ziele gesteckt. In Zukunft wolle man stärkere Akzente setzen und die Sorgen und Probleme der Bevölkerung stärker adressieren. "Ein diffuses 'Weiter so' ist für uns keine Option, wir müssen ordentlich einen draufsetzen", so Garlichs.

FDP will "verlorenes Vertrauen zurückgewinnen"

Anja Schulz (FDP) bei einer Pressekonferenz nach der Bundestagswahl 2025 © NDR
Die Themen der FDP seien auch in Zukunft relevant, meint Anja Schulz.

Die FDP ist an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und fliegt damit nach dem vorläufigen Ergebnis aus dem Bundestag. FPD-Politikerin Anja Schulz sprach am Montag von einem "sehr bitteren Abend" mit einem "deutlichen Ergebnis". Das Thema Wirtschaft sei in den vergangenen Wochen nicht im Fokus gewesen und von Themen wie der Migration überlagert worden, so Schulz. Auch die Ampel habe eine Rolle gespielt, in den vergangenen drei Jahren seien viele Probleme nicht gelöst worden oder hätten sich sogar verschärft. Es brauche nun eine Aufarbeitung. Für die FDP sei aber klar, "dass unsere Ideen nicht weniger wichtig sind". "Unsere Aufgabe ist es jetzt, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen und unsere Positionen mutig zu vertreten", sagte die Politikerin.

Linke feiert "Comeback des Jahres"

Thorben Peters (Die Linke) bei einer Pressekonferenz nach der Bundestagswahl 2025 © NDR
Linken-Landesvorsitzender Thorben Peters sieht seine Partei als klare Opposition.

"Überwältigt" vom Wahlergebnis zeigte sich am Montag in der LPK die Linke. Nach einer langen Talfahrt feiere die Partei das "Comeback des Jahres", sagte der Landesvorsitzende Thorben Peters. In den vergangenen Wochen habe die Linke auch einen großen Zuwachs an Mitgliedern verzeichnen können - so viele, dass die Mitgliederverwaltung aktuell überfordert sei. Als Gründe für das Wahlergebnis nannte er unter anderem die "super Zusammenarbeit" der Partei auf Bundes- und Landesebene und, dass die Partei in der Debatte um die Migration klare Kante gezeigt habe. Auf den Sieg der CDU und das Erstarken der AfD blicke er allerdings mit großer Sorge, so Peters. "Es ist daher unbedingt notwendig, dass wir als klare Opposition in den Bundestag gekommen sind."

Landesbischof: Neue Bundesregierung muss Sorgen ernst nehmen

Der evangelische Landesbischof Christoph Meyns spricht im Dom St. Mariä Himmelfahrt in Hildesheim. © picture alliance / dpa Foto: Ole Spata
Landesbischof Christoph Meyns zeigte sich angesichts des Wahlergebnisses besorgt. (Archivbild)

Auch Kichenvertreter in Niedersachsen riefen angesichts des Zuspruchs für die AfD zum Einsatz für die Demokratie auf. Es sei besorgniserregend, dass rechtsextreme, demokratiefeindliche Kräfte weiter Zulauf erhielten, sagte der evangelische Landesbischof Christoph Meyns aus Braunschweig. Nicht alle Menschen, die eine rechtsextreme Partei wählten, seien rechtsextrem, sondern häufig enttäuscht von anderen Parteien. Von der neuen Bundesregierung forderte er daher, die Sorgen und Ängste der Menschen ernst zu nehmen. Gleichzeitig müsse der ideologische Hintergrund politischer Kräfte analysiert werden. Auch die Kirche sieht der Landesbischof dabei in der Verantwortung: Wenn ein völkischer Nationalismus zu menschenfeindlichen politischen Positionen führe, könne die Kirche nicht schweigen, so Meyns.

IG Metall fordert Milliardeninvestitionen

IG Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger spricht bei einer Pressekonferenz. © picture alliance / dpa Foto: Alicia Windzio
IG Metall-Bezirksleiter Gröger fordert von der neuen Bundesregierung Investitionen in die Industrie. (Archiv)

Nach der Bundestagswahl drängt die IG Metall in Niedersachsen darauf, schnell eine Bundesregierung zu bilden. Die Zeit dränge, "denn immer mehr Unternehmen bauen Arbeitsplätze ab und treffen Investitionsentscheidungen gegen unsere Standorte hier im Land", sagte IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger. Um die deutsche Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, seien in den nächsten zehn Jahren rund 600 Milliarden Euro an zusätzlichen öffentlichen Investitionen erforderlich. "Es geht auch darum, Sorge dafür zu tragen, dass Grundstoffindustrien wie die Stahlbranche weiter in Deutschland produzieren oder aber, dass wir Autoland Nr. 1 bleiben", so Gröger. Um die Industrie gezielt zu unterstützen, fordert die IG Metall klare Anreize wie Investitionsprämien, steuerliche Abschreibungen und wettbewerbsfähige Energiepreise.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Niedersachsen | Aktuell | 24.02.2025 | 08:00 Uhr

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