Auf Wolfstouren in Niedersachsen den Wolf kennenlernen
Er sorgt für Diskussionen, aber auch für Ängste: Der Wolf ist nach Norddeutschland zurückgekehrt. Auf Wolfstouren in Niedersachsen wird Kindern nun Wissen über das Tier vermittelt.
Anfang der 2000er Jahre ist der Wolf erstmals wieder in Deutschland gesichtet worden. Heute leben in Niedersachsen geschätzt 400 Wölfe. Während manche über die Rückkehr begeistert sind, fürchten vor allem Schäfer das Wildtier. Schafsrisse nehmen zu - deshalb ist der Wolf erst vor einer Woche ins niedersächsische Jagdrecht aufgenommen worden: Er steht zwar weiter unter Artenschutz, sogenannte Problem-Wölfe dürfen aber gezielt bejagt werden. Wie also mit dem Wolf umgehen? Am besten, in dem man das besondere Tier und seine Lebensweise kennenlernt, sagen Waldpädagogen. In Niedersachsen gibt es dafür Wolfstouren, auf denen sich Kinder auf die Spuren des Wolfes begeben können.
Mitten im Wolfsrevier
Naturpädagoge Volker Einhorn ist in seinem Element: "Wölfe gucken immer wach. Sie sind aufmerksam. Was haben sie noch? Spitze Ohren...?" fragt er in eine Runde von Kindern. Der junge Teilnehmer Willem meldet sich zu Wort: "Hunde haben so spitze Ohren, der Wolf hat die viel runder." Genau, das sei ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal, bestätigt Volker Einhorn. Die Ohren des Wolfes seien viel kleiner und breiter. In der Lüneburger Heide bei Uelzen haben sich an diesem Tag sieben Kinder eingefunden. Es ist kühl und nieselt leicht. Die Naturpädagogen Volker Einhorn und Ulrike Kruse bauen für die Kinder das Pappmodell eines Wolfsrudels auf. Die 8- bis 9-jährigen befinden sich mitten im Revier der Tiere und lauschen Volker Einhorns Worten: "Die Wölfe laufen um uns herum. Sie haben ja ein großes Gebiet und durchlaufen laufen ungefähr 250 bis 300 Quadratkilometer."
Spielerisch ein wildes Tier kennenlernen
In dem Wald lebt das Munsteraner Wolfsrudel. Es zeigt sich im Schutz der Nacht, wenn es still und kein Mensch unterwegs ist, also nicht jetzt an einem Vormittag. Ulrike Kruse erklärt den Kindern: "Wenn Volker trillert, dann bitte alle langsam anhalten." Einhorn ist Förster in der Gegend, Kruse von Beruf Jägerin. Zwei Mal im Jahr, im Frühling und Herbst, bieten sie Schulkindern die waldpädagogische Radtour. "Den Wölfen auf der Spur" heißt sie. Die Kinder halten nach Zeichen der Raubtiere Ausschau. Sie lesen Fährten auf dem Boden, sehen sich Beweisvideos der versteckten Kameras im Wald an, die die Rudel auf ihren Streiftouren aufnehmen. So lernen sie spielerisch, wie die Tiere leben. Ulrike Kruse hat auch einen echten Wolfsschädel aus dem Museum dabei: "Mit diesen dicken Reißzähnen hier reißen die Wölfe das Fleisch aus der Beute. Das machen sie nicht mit den Schneidezähnen, sondern mit den Reißzähnen. Die kleine Punkte hier sind Nervenbahnen, die haben wir auch im Kiefer."
Für Nutztierhalter ein Problem
Wenn es um den Speiseplan der Wölfe geht, kommt man zu einem Problem, besonders in der Lüneburger Heide, wo Schafe die Landschaft pflegen und im Freien weiden. Neben Rotwild fallen den Wölfen immer wieder Schafsherden zum Opfer - pro Jahr reißen sie in Niedersachsen mehrere Tausend Weidetiere. Ulrike Kruse und Volker Einhorn sind auch Wolfsberater im Auftrag des Landes. Das heißt, sie sprechen regelmäßig mit Schafzüchtern, unter anderem wenn ihre Tiere vom Wolf gerissen wurden: "Ich kann gut verstehen, dass die Schäfer emotional sehr stark angegriffen sind, wenn sie ihre toten Tiere möglicherweise auf der Weide finden." Er versucht das mit einer ruhigen, verständnisvollen Art auch aufzunehmen und gleichzeitig will er es nicht bewerten. Ulrike Kruse findet den Wolf spannend. Er gehöre einfach zum Ökosystem. Sie sieht aber durchaus Probleme, vor allem bei den Tierhaltern: "Wenn wir null Probleme haben wollen, dann können wir hier keine Wölfe in Deutschland haben." Eine einfache Lösung gebe es nicht.
Wissen statt Ängste und Vorurteile
Der gezielte Abschuss von sogenannten Problem-Wölfen, die viele Weidetiere reißen, könne vielleicht helfen, meint Kruse. Bisher sei das aber noch nicht geschehen. Außerdem seien bisher immer die falschen Wölfe geschossen worden. In Niedersachsen ist der Wolf seit Kurzem unter strengen Voraussetzungen ins Jagdrecht aufgenommen worden. Den Menschen meidet ein Wolf in der Regel. Auch die Kinder im Wald bei Uelzen bekommen wie erwartet keinen zu sehen. Den Pädagogen ist wichtig, ihnen das Tier ohne Ängste und Vorurteile näherzubringen. Und das ist ihnen an diesem Tag im Wald gelungen. Mit den Wolfstouren sensibilisieren sie die Kinder für die Natur und das Raubtier, das sich bei uns wieder angesiedelt hat.