Kommunalwahl: Das "Wolgast-Problem" der Landes-SPD
Die sechs Landtagsparteien hatten bei der Suche nach Bewerbern für die Kreistage, die Bürgerschaft in Rostock und die Stadtvertretung in Schwerin keine Probleme. Doch abseits der großen kommunalpolitischen Bühne fehlen in kleinen Gemeindevertretungen oft die Kandidaten.
Warin in Nordwestmecklenburg liefert vor den Kommunalwahlen am 9. Juni einen Beleg für den kommunalpolitischen Bedeutungsverlust der Parteien. Gleich vier Wählerbündnisse treten in der 3.100-Einwohner-Stadt an: die "Bürgerunion Wariner Seenland", das Bündnis "Gemeinsam Warin gestalten (GWG)", die Gruppe "Wir Wollen Warin" und die Gemeinschaft "Zukunft Wariner Ortsteile". 47 Kandidaten wollen in die Stadtvertretung - und alle verzichten darauf, unter einem Partei-Logo anzutreten. Dabei hat ein prominentes Mitglied der GWG in Warin ein Parteibuch: Bürgermeister Björn Griese ist Mitglied der Linken, als Landesgeschäftsführer gehört er eher nicht zur einfachen Basis. Auch die Chefin der Linksfraktion im Landtag, Jeannine Rösler, stellt ihre Parteimitgliedschaft nicht ins Schaufenster. In ihrem Heimatort Tutow tritt sie mit ihrem Bündnis "Gemeinsam für Tutow" gegen die CDU an.
Wählergemeinschaften geben den Ton an
Wählergemeinschaften geben abseits der großen Städte oft den Ton an, manchmal in einer Art Monopolstellung. In Altefähr bei Stralsund tritt ausschließlich die Wählergruppe "Pro Seebad Altefähr" an, auch in Kenz-Küstrow in der Nähe von Barth steht nur eine Wählergemeinschaft auf dem Wahlzettel, ebenso im nahen Kamin und in Briggow im Amt Stavenhagen. Klaus-Michael Glaser, Kommunalrechtsexperte beim Städte- und Gemeindetag meint, Wähler hätten es oft nicht leicht, zu erkennen, wofür Wählergruppen stehen. Parteien seien da leichter zu "identifizieren".
Jan Müller, Politikwissenschaftler an der Universität Rostock, sieht darin kaum ein Problem. In kleineren Städten und in Dörfern wüssten die Menschen ohnehin eher, wer für welche Positionen steht - auch ohne eine Parteizugehörigkeit. Müller findet es dagegen kritisch, wenn sich Wählergemeinschaften bewusst von Parteien abgrenzen und diese bei aller nötigen Kritik schlechtredeten. Hier sollte es weniger "Populismus" geben, meinte Müller, immerhin hätten Parteien in Deutschland eine zentrale Funktion.
Zwei Listen unterstützen Bürgermeister
Eine Besonderheit lässt sich in Bad Doberan feststellen. Der parteilose Bürgermeister Jochen Arenz, der als hauptamtlicher Verwaltungschef am 9. Juni nicht zur Wahl steht, lässt sich gleich durch zwei Wählerbündnisse unterstützen: die "Bürgermeisterliste" und die "Jugendliste-Bürgermeister". Beide bringen 39 Kandidaten zusammen. Die Parteien CDU, Linke, SPD und die AfD kommen insgesamt auf 26 Bewerber. Arenz versucht offenbar, sich jenseits der Parteien Mehrheiten in seiner 25-köpfigen Stadtvertretung zu organisieren.
Wie in Bad Doberan sind Wählergemeinschaften gelegentlich programmatisch eher einseitig ausgerichtet - jedenfalls bei der Namensgebung. In Strohkirchen zwischen Ludwigslust und Hagenow und in Leopoldshagen treten Sportvereine an, in Gehlsbach bei Lübz wollen sich Vertreter der Freiwilligen Feuerwehr in die Gemeindevertretung wählen lassen. In einigen Fällen reicht es aber noch nicht einmal für eine Wählergemeinschaft. Dann stehen nur Einzelbewerber auf dem Wahlzettel. In Wendisch-Baggendorf sind es gleich elf, in Splietsdorf zehn und in Verchen acht.
Kleine Parteien treten kaum in Erscheinung
Die kleineren Parteien, die eher schwach an Mitgliedern sind, treten kaum in Erscheinung. Das gilt besonders für die Grünen, aber auch für die FDP. Die Linke zeigt gelegentlich mit Einzelbewerbern Flagge. In ihrer ehemaligen kommunalpolitischen Hochburg in Sassnitz auf Rügen bewirbt sich nur noch ein Linker. Auch die AfD stellt, obwohl sie im Landtag die zweitstärkste Fraktion bildet, nur vergleichsweise wenig Kandidaten auf. Nahezu unbedeutend ist das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Ausnahmen sind Malchin und Ueckermünde, in diesen Kleinstädten kandidieren zehn beziehungsweise acht BSW-Bewerber.
Größter Player bleibt die CDU
Größter Player im Kommunalwahlkampf bleibt die CDU, sie stellt in den kleineren Gemeinden die meisten Bewerber unter den Parteien. Die Regierungspartei SPD, die rund 3.000 Mitglieder zählt, ist dagegen oft nicht wahrnehmbar. Im Amt Peenestrom mit der ehemaligen Kreisstadt Wolgast tritt kein einziger Sozialdemokrat mehr an. Dabei stellte die SPD vor Jahren dort den Bürgermeister. Das gleiche Bild im nahen Anklam: In der Stadt gibt es keine sozialdemokratische Liste mehr. Auch in den 13 Gemeinden des Amtes Uecker-Randow-Tal findet sich kein SPD-Bewerber, ebenso in den zwölf Dörfern im Amt Neverin bei Neubrandenburg.
SPD vielerorts ohne eigene Kandidaten
Fehlanzeige meldet die SPD auch im Amt Miltzow zwischen Stralsund und Greifswald, gleiches gilt für die zehn Gemeinden im Amt West-Rügen. Einzige Ausnahme hier: Hiddensee. Auf der Lieblingsinsel von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) bewerben sich auch Sozialdemokraten um einen Sitz in der Gemeindevertretung. In etlichen anderen Ämtern rangiert die SPD bei den Bewerbern im unteren einstelligen Bereich.
SPD-Landesgeschäftsführer Steffen Wehner erklärte, SPD-Mitglieder würden in verschiedenen Orten auf Bürgerlisten kandidieren. Ein prominentes Beispiel ist der Landtagsabgeordnete und Staatskanzleichef Patrick Dahlemann. Er tritt in seinem Heimatdorf Mönkebude nicht für die SPD an, sondern für ein Wählerbündnis. Wehner sagte mit Blick auf die geringe Zahl der Kandidaten, die SPD habe sich 1989/90 in der DDR - nach ihrer Zerschlagung im Dritten Reich und der Zwangsfusion mit der KPD zur SED - neu gegründet. "Da wir nicht flächendeckend Mitglieder haben, können wir auch nicht flächendeckend Kandidatinnen und Kandidaten für die Gemeinden aufstellen."