Zu wenig Praxis: Angehende Lehrerin kritisiert Ausbildung
Pia Perzl ist fertig mit ihrem Studium als Lehrerin. Rückblickend hätte sie sich gewünscht, während ihrer Ausbildung mehr Erfahrung in der Praxis gesammelt zu haben.
Pia Perzl streicht ihre mittlerweile leere Wohnung in Rostock für die Übergabe weiß. Fünf Jahre lang hat sie an der Universität Rostock studiert. Mit ihrem Staatsexamen darf die 24-Jährige nun die Fächer Deutsch, Biologie und Religion am Gymnasium unterrichten. Auf ihr Studium blickt sie mit gemischten Gefühlen zurück: "Einerseits hat man sehr viele positive Erfahrungen gemacht, sowohl mit Dozierenden als auch natürlich mit anderen Studierenden, mit Freunden, die man gewonnen hat. Aber es gab auch viele Schwierigkeiten.", so Pia.
Drei Praktika in fünf Jahren Studium
Eigentlich soll das Studium angehende Lehrerinnen und Lehrer auf ihren späteren Arbeitsalltag vorbereiten. Doch die Zeit dafür, um genau das zu üben, empfand Pia als eindeutig zu wenig.
Im Laufe ihres Studiums absolvieren Studierende an der Universität Rostock drei Praktika - insgesamt über fünfzehn Wochen. Das erste sogenannte Sozialpraktikum findet in einer außerschulischen Einrichtung statt, zum Beispiel im Kindergarten oder einer Nachmittagsbetreuung. Hier sollen die Studierenden erste Erfahrungen im Umgang mit Kindern und Jugendlichen sammeln. Im darauffolgenden Orientierungspraktikum arbeiten sie an der Schule, jedoch nicht in der Schulform, an der sie später unterrichten wollen. Erst das dritte, sogenannte Hauptpraktikum im siebten Semester verbrachte Pia am Gymnasium. Darauf schaut die Absolventin gerne zurück: "Das waren unglaublich wertvolle Erfahrungen, die mich zum Teil eben auch bis zum Ende des Studiums getragen haben, weil ich mir dachte, ich weiß, wofür ich es mache. Aber so richtig weiß man immer noch nicht, wie es in der Schule aus der Lehrkräfteperspektive abläuft."
Neben den Praktika können Studierende in zusätzlichen schulpraktischen Übungen tageweise an Schulen hospitieren und erhalten dann ein direktes Feedback ihrer Dozierenden. Da diese Übungen für Pia durch die Corona-Pandemie meistens ausfielen, konnte sie hiervon kaum profitieren.
Zu viel Theorie, zu wenig Praxis?
Immer mal wieder überlegte Pia, ihr Studium abzubrechen. Für sie stand zu wenig Praxis und zu viel Theorie auf dem Stundenplan. Ein Kritikpunkt, der in Zusammenhang mit der Lehramtsausbildung immer wieder geäußert wird.
Die Studierenden früher an die Schulen zu lassen, hält Katrin Bartel vom Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung MV jedoch für keine gute Idee: "Wenn ich Fachexpertin oder Fachexperte für etwas werden möchte, dann ist es doch wichtig für unsere Schülerinnen und Schüler, dass man erstmal selbst in Saft und Kraft kommt, dass ich mich begeistern kann für ein Fach und auch eine fachliche Tiefe habe."
Der Bedarf an neuen Lehrkräften im Land ist groß. Bis 2030 scheiden laut Bildungsministerium von 12.600 Lehrerinnen und Lehrern mehr als die Hälfte aus. Doch auf aktuell knapp 800 freie Stellen kämen nur etwa 600 Bewerbungen.
Pia: "Ungerechte Platzvergabe"
Für Pia steht fest: Sie will Lehrerin werden. Doch dieser Schritt muss noch etwas warten. Durch die früh angesetzten Bewerbungsfristen auf der einen und die späte Abschluss-Notenvergabe der Uni auf der anderen Seite, konnte sich Pia nur noch auf Restplätze bewerben. Den vom Land angebotenen Referendariatsplatz - zwei Autostunden von Rostock entfernt - lehnte sie schließlich ab. Die Wartezeit bis zum nächsten Halbjahr überbrückt sie nun in ihrer Heimat Lübeck, sucht nach einer Aushilfsstelle als Lehrerin. Pia hofft, dass sie den Anforderungen ihres neuen Arbeitsplatzes gerecht werden kann: "Das ist jetzt schon bisschen Learning by doing irgendwie." Ob es für sie in dann in Mecklenburg-Vorpommern weitergehen wird, ist noch ungewiss.