Warnowbrücke: Kommt sie, kommt sie nicht - oder vielleicht doch?
Zur Eröffnung der BUGA 2025 sollte die 600 Meter lange Brücke über die Warnow eigentlich fertig sein. Dann wurde die Bundesgartenschau abgesagt. Doch die Stadt will an der Querung festhalten. Nun stehen mindestens drei Jahre Bauverzögerung und steigende Kosten in Millionenhöhe im Planungsbuch.
Rostocks Senatorin für Stadtplanung, Bau, Klimaschutz und Mobilität, Dr. Ute Fischer-Gäde, hat der Bürgerschaft einen neuen Sachstandsbericht zum sogenannten "Rostocker Oval" vorgelegt. Darin geht es um die Nachwehen-Projekte der abgesagten BUGA 2025. Darunter das wohl prestigeträchtigste Vorhaben: die Fußgänger- und Radfahrerbrücke über die Warnow im Rostocker Stadthafen.
Die vielseitige Präsentation wurde auf der zurückliegenden Bürgerschaftssitzung als Informationsvorlage eingebracht. Für lange Debatten oder interessierte Nachfragen sahen die ehrenamtlichen Politiker keinen Anlass. Vielleicht aber hat sich die fatalistische Einsicht breit gemacht, dass es nicht mehr lohnt, sich darüber die Köpfe zu zerbrechen. Soll sich doch das im Juni neuzuwählende Stadtparlament um die hunderte Millionen Euro teuren Investitionen kümmern. Frei nach dem Motto: Nach uns die Sintflut.
Fertigstellung der Brücke erst 2028
Als die Grüne Fraktion der Bürgerschaft Anfang März zum Infospaziergang in den Stadthafen einlädt, um unter anderem über den aktuellen Stand der Planungen für die Warnowbrücke zu berichten, wird erstmalig öffentlich die Katze aus dem Sack gelassen: Wenn das neue Volkstheater steht, werde auch die Brücke fertig sein, so die frohe Botschaft vor gut 30 Interessierten an der zugigen Pier. Und das soll 2028 sein. Was den Zuhörern nicht aufstößt - vom ursprünglichen Termin, der nach dem BUGA-Debakel, auf Ende 2026 verlegt worden war, ist keine Rede mehr.
Gründe für die Bauverzögerung unklar
Und genauso steht es jetzt auch in der Informationsvorlage für die Bürgerschaft auf Seite 14 der Präsentation (Stand 12/23). Das Genehmigungsverfahren, bislang gestoppt, soll im dritten Quartal wieder aufgenommen werden. Und, aktuell werde von einem Fertigstellungstermin Ende 2028 ausgegangen. Was weiter ausgeführt wird, liest sich so als hätten die Verantwortlichen alles im Griff. Fazit: Nicht wenig sei schon erledigt. Das andere in Arbeit. Gründe für die mehr als dreijährige Verzögerung werden nicht benannt. Der Grafik für die Zeitplanung ist immerhin zu entnehmen, dass die Planer von einer zweijährigen Bauzeit ausgehen. Aber wann es los geht, mit dem Bau, dafür wird kein Termin genannt. Abhängig sei das vom Planfeststellungsbeschluss. Also der Baugenehmigung. Wie die Autoren dann aber dazu kommen, die Fertigstellung auf Ende 2028 zu legen, dass bleibt ihr Geheimnis.
Eigenanteil steigt auf 17 Millionen Euro
Ende 2022 waren die Kosten für das ambitionierte Bauwerk noch mit 51 Millionen Euro angegeben worden. Heute sind es mehr als 53 Millionen Euro. Dass von Rechnung zu Rechnung mehr unter dem schwarzen Strich steht, bleibt im Text unkommentiert.
Vielleicht auch deshalb, weil die Stadt meint, für den Brückenschlag seit knapp vier Jahren einen Blankoscheck der Bundesregierung in der Schublade zu haben. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) hatte 2020 erklärt, Planung und Bau der Brücke mit rund 36 Millionen Euro zu fördern. Das waren damals 80 Prozent der förderfähigen Gesamtausgaben, so das Ministerium. Damals kostete die Brücke also rein rechnerisch „nur“ etwas mehr als 43 Millionen Euro. Den „Rest“ sollte die Stadt für „DAS neue Rostocker Wahrzeichen“ berappen. Bei heutiger Kosten-Kalkulation, und der Annahme, der Bund bleibt bei der 36 Millionen-Euro-Förderung, erhöht sich der Eigenanteil der Stadt von sieben auf 17 Millionen Euro.
Auf das Kleingedruckte kommt es an
Bedingung für die Fördermittelzusage des Bundes; die Brücke muss bis Ende 2026 gebaut und abgerechnet werden. So steht es im Förderbescheid des BMDV wie dem NDR auf Anfrage bestätigt wurde. Zitat: „Maßnahmen außerhalb des Bewilligungszeitraums sind grundsätzlich nicht zuwendungsfähig.“ Anträge, den Förderzeitraum zu verlängern oder gar die Zuwendungssumme zu erhöhen, liegen dem Ministerium bis jetzt nicht vor. So die Versicherung aus Berlin. Der ministeriale Hinweis, „dass Anträge auf Verlängerung der Projektlaufzeit i.d.R. nach fortgeschrittener Planung bei Vorliegen einer belastbaren Prognose hinsichtlich des Umsetzungszeitraums gestellt würden, und das Verfahren der Stadt Rostock daher keinen Sonderfall darstelle,“ könnte auch als letzter Wink mit dem berühmten Zaunpfahl verstanden werden.
Finanzierung der Brücke angeblich "sichergestellt"
Auf NDR-Anfrage äußert sich die Stadtverwaltung zuletzt wie folgt: Gegenüber dem Zuwendungsgeber, dem Bund, erfolge regelmäßig eine ausführliche Berichterstattung. Über die neue "Zeitkette", also den auf 2028 verschobene Fertigstellungstermin, seien die zuständigen Stellen im Februar informiert worden. Und, der Antrag auf Verlängerung der Projektlaufzeit werde zeitnah schriftlich nachgereicht. Bis zur Rückmeldung aus Berlin, sollen die Planungen kontinuierlich fortgeführt werden, damit kein weiterer Verzug entsteht, so die Erläuterung. Auf die Frage, ob dieses Vorgehen, ohne eine verbindliche Zahlungszusage des Bundes, nicht ein Risiko darstelle, folgt die Versicherung, dass die Finanzierung des Brückenprojektes "sichergestellt" sei. Worin diese Sicherheiten genau bestehen, bleibt offen. Ob da als Beruhigungsmittel wirkt, dass der Bund bereits mehr als ein Drittel von den zugesprochenen sechs Millionen Euro für die Brücken-Planung überwiesen hat, kann nur vermutet werden.
Gigantisches Gesamtpaket
Neben der Warnowbrücke müssen eine Reihe weiterer Projekte am „Rostocker Oval“ gewuppt werden, so ist es in der Informationsvorlage für die Bürgerschaft zu lesen. Dazu gehören auch der Umbau im Stadthafen, das Warnow-Wohn-Quartier, der Fährberg und die Greifenbrücke. In der Präsentation werden die Kosten für dieses Gesamtpaket auf mehr als 170 Millionen Euro geschätzt. Problematisch dabei ist, dass zum Beispiel die Investitionen in den Hochwasserschutz durch das Land oder die Binnenentwässerung im Stadthafen noch gar nicht eingepreist sind. Auszugehen ist wohl davon, dass allein diese beiden Maßnahmen noch einmal 100 Millionen Euro kosten könnten. Wer das am Ende bezahlen soll, sei noch unklar, heißt es.
Operation am offenen Herzen der Stadt
Klar aber ist immerhin, dass alle geplanten Großbaustellen räumlich, zeitlich und wirtschaftlich miteinander in Verbindung stehen. Die Brücke, die Stadthafensanierung, das Warnowquartier, der Hochwasserschutz, die Binnenentwässerung, der Neubau des Volkstheaters und auch der eines Archäologischen Landesmuseums im Stadthafen (von dem lange schon gar nichts mehr zu hören war) könnten nicht isoliert voneinander geplant und letztlich gebaut werden. In dem städtischen Papier wird das als eine „Herausforderung“ bezeichnet. Vielleicht aber nimmt sich die Stadt mit dem bunten Strauß der frommen Wünsche, wie das Vorhabenpaket hinter vorgehaltener Hand genannt wird, doch zu viel vor. Der Versuch, diese komplexen Projekte in den kommenden zehn Jahren realisieren zu wollen, wäre dann vergleichbar mit einer Operation am offenen Herz der Stadt. Die kann gelingen, muss es aber nicht. Die peinliche Absage der BUGA 2025 liegt noch nicht so lange zurück, als dass diese Einsicht in Vergessenheit geraten sein könnte.