Stand: 18.09.2018 16:49 Uhr

Tiny Houses: Das Wohnen der Zukunft?

von Marc Hoffmann

Wer in Großstädten wie Hamburg oder Berlin eine halbwegs bezahlbare Wohnung sucht, muss Zeit und vor allem Nerven mitbringen. Das Problem ist seit Langem bekannt: Die Mieten steigen schneller als die Einkommen und es werden zu wenig neue Wohnungen gebaut, die sich Menschen mit durchschnittlichem Einkommen leisten können. Während die Politik verzweifelt nach Lösungen sucht, werden immer mehr Menschen auch bei uns in Norddeutschland selbst aktiv: Sie entscheiden sich für ein sogenanntes Tiny House. Das bedeutet Wohnen auf kleinster Fläche, ohne dabei auf Küche, Bad und Bett zu verzichten. Im Rahmen eines größer angelegten Projektes gibt es auch in Mecklenburg-Vorpommern einen Bauherrn, der gerade an seinem Minihaus baut, wie die NDR Info Perspektiven berichten.

Ein Tiny House steht im Rahmen des Projektes "Wir bauen Zukunft" umgeben von Bäumen. © NDR Foto: Marc Hoffmann
Für viele ist das Thema Tiny House eher eine Lösung für den städtischen Raum. Das Haus von Aurèle Haupt steht mitten in der Natur.

Noch fehlt die Treppe zur Eingangstür. Aurèle Haupt steigt über eine Aluminiumleiter in sein kleines Häuschen. Der bewohnbare Holzkasten lagert auf einem knapp einen Meter hohen Fahrgestell. Wie ein übergroßer Schuhkarton steht der umgebaute DDR-Bauwagen mit dem Flachdach mitten auf einem wild bewachsenen Zehn-Hektar-Areal südlich des Schaalsees in Mecklenburg-Vorpommern. Dort entsteht ein sogenanntes Tiny House. Steigende Wohnungsmieten und Immobilienpreise haben den aus Amerika stammenden Minihaustrend noch einmal befeuert. Mit 10.000 bis 15.000 Euro rechnet Aurèle für Baumaterial, hinzu kommen seine Arbeitsstunden. Architektonisch ausgefallene Modelle können auch gut und gerne 100.000 Euro oder mehr kosten, meint der gelernte Bauingenieur.

Mit ausgefallenen Ideen jeden Quadratmeter nutzen

Aurèle weiß genau, wo das Bett stehen müsste, damit alles in dem Häuschen seinen Platz findet. Damit Wohnen auf beengtem Raum funktioniert, sei ein ausgefeiltes Einrichtungskonzept entscheidend. Der Kleiderschrank muss beispielsweise nicht zwingend an der Wand stehen - daher wird er unter das Bett gebaut. Die platzsparenden Lösungen gibt es allerdings noch gar nicht. Lose Kabel hängen aus den Wänden, Sägespäne liegt in den Ecken. Seit über einem Jahr werkelt Aurèle schon an seinem Einraum-Minihaus - nach Feierabend und an Wochenenden, wenn er gerade Zeit hat.

17 Quadratmeter für zwei Personen - ganz komfortabel

Vor dem UNO Hauptquartier in New York steht das Modell eines Tiny Houses. © United Nations
AUDIO: Kleine Häuser, große Zukunft? (5 Min)

"Hier hätten wir Stufen, die du aufmachen kannst, in denen dann die Schränke oder die ganzen Schubladen versteckt sind." Aurèle hat sein mobiles Eigenheim selbst entworfen und geplant. Tipps und Baupläne findet man auch im Internet. Die gehörige Portion Idealismus gehört dazu. Aurèle ist überzeugt: Die Wohnungsnot in den Großstädten ließe sich lindern, wenn jeder seinen persönlichen Flächenverbrauch senken würde. "10 Quadratmeter können für eine Person reichen, wenn es dann 15 Quadratmeter werden ist das auch okay", sagt er. Wie groß ein Tiny House sein darf, ist nicht verbindlich festgelegt. Aurèle kommt beim Messen seiner Wohnfläche auf insgesamt 17 Quadratmeter Wohnfläche. Das ist der Raum für ihn und seine Freundin, samt Miniküche und Toilette, plus Mini-Terrasse auf dem Dach. Aurèle lächelt zufrieden: Weniger Fläche bedeute auch geringere Energiekosten. "Bei zwei Personen ist das ein super Schnitt!"

Tiny Houses können das Problem nicht allein lösen

Tatsächlich kommt, Zahlen des Umweltbundesamtes zufolge, jeder Deutsche im Schnitt auf 46,5 Quadratmeter Wohnfläche - Tendenz steigend. Auch weil die Zahl der Ein-Personen-Haushalte immer weiter zunimmt. Trotz der aktuellen Minihausmode dürfte nicht jeder bereit sein, den neuen Wohnminimalismus mitzumachen. Und selbst wenn - das Wohnraumproblem werde dadurch nicht gelöst, meint der Wissenschaftler für Baukunst und Metropolenforschung Prof. Bernd Kniess von der HafenCity Universität Hamburg: "Wenn wir nicht weiter ausufernd in die grünen Außenbereiche wachsen wollen, müssen wir unsere bestehenden Städte nachverdichten und das kann ich alles mit dem Tiny House gar nicht machen. Was würde das heißen, wenn jeder von uns sein kleines Häuschen auf Rädern in dieser Stadt parkt."

Eine Siedlung aus kleinen Häusern

Es sei auch nicht damit getan, kleine Wohnkästen auf freien Gebäudedächern zu stapeln, wie es bereits ein Start-up aus Berlin praktiziert. Bauherr Aurèle geht es ebenfalls um generelles Umdenken. Als Mitgründer der Genossenschaft "Wir bauen Zukunft" plantauf dem 10 Hektar großen Projektgelände zwischen Schaalsee und Boizenburg eine Forschungssiedlung. In den kommenden Jahren sollen auf einem dafür vorgesehen Areal individuell gestaltete Tiny Häuser entstehen um an unterschiedlichen Dämm-und Baustoffen, sowie der Energieeffizienz zu forschen. Schon jetzt gibt Aurèle regelmäßig Seminare zum nachhaltigen Bauen von Minihäusern, um über Baurecht, Herstellung und Planung aufzuklären.

Mehr gemeinsam - weniger allein

"Einfach mal herauszufinden, was ich denn alles persönlich brauche und was ich mir eventuell auch mit anderen Leuten teilen kann." In der entstehenden Forschungssiedlung sollen Seminargäste und Interessierte die Möglichkeit haben, für eine oder mehrere Nächte "Probe zu wohnen".
Generell könnte in einer Tiny House Siedlung jeder seinen privaten Rückzugsraum haben. Sanitäranlagen, Küche und Wohnzimmer könnte man gemeinschaftlich nutzen, um Ressourcen zu sparen. Das Prinzip Wohngemeinschaft als Zukunftslösung. Aurèle findet: alles eine Frage der Einstellung.

 

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Tiny House von außen © BR

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Perspektiven - auf der Suche nach Lösungen | 21.09.2018 | 10:08 Uhr

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