Tag des Zweinutzungshuhns: Mit alten Hühnerrassen in die Zukunft
Vor drei Jahren hat ein Bündnis aus ökologischen Interessensverbänden, dem Bund Deutscher Rassegeflügelzücher und dem Deutschen Tierschutzbund den "Tag des Zweinutzungshuhns" ins Leben gerufen. Sie fordern, die klassische Hühnerzucht zu überdenken und wieder mehr mit alten Rassen zu züchten.
Mit dem Tag des Zweinutzungshuhns wollen die Initiatoren zum Beispiel darauf aufmerksam machen, dass das Tierleid in der Eierproduktion auch nach dem Verbot des Kükentötens in Deutschland seit Januar 2022 immer noch nicht beendet ist. Der Deutsche Tierschutzbund fordert, statt der hochgezüchteten Legehennen wieder robustere und gesündere Rassen zu züchten - die sogenannten Zweinutzungshühner. Sie basieren auf alten, lokalen Rassen, die beides können: Eier legen und Fleisch liefern, also wie die Hühner früher auf dem Dorf. Sie sind robuster als die gezüchteten Hochleistungsrassen, legen aber weniger Eier.
Projekt Regiohuhn testet Zweinutzungshühner in der Praxis
Auch andere Instituionen beschäftigen sich mit dieser Thematik: Der eigenen Angaben nach größte Verband für ökologischen Landbau aus Deutschland, "Naturland", hat das Projekt "Regiohuhn" ins Leben gerufen, das den Einsatz von Zweinutzungshühnern in der Praxis testet. Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von der Uni Bonn und dem Friedrich-Loeffler-Institut für Nutztiergenetik im bayerischen Mariensee. Martin Stein kümmert sich um die Initiative in Mecklenburg-Vorpommern. Er arbeitet beim Ökoverband Naturlandberatung auf Usedom: "Das Ziel vom Projekt Regiohuhn ist es, aus alten heimischen Rassen Kreuzungstiere zu züchten, die sowohl Eier legen in entsprechender Leistung als auch Fleisch ansetzten. Und das alles mit alten Rassen wie zum Beispiel Bielefelder. Und mit denen dann Kreuzungen zu züchten, die als Zweinutzungshuhn gebraucht werden können." 19 Betriebe in ganz Deutschland testen diese neuen Zweinutzungshühner drei Jahre lang, die meisten in Süddeutschland. Aus Mecklenburg-Vorpommern ist kein Betrieb dabei.
Zweinutzungshühner auf Gut Vorder Bollhagen
Trotzdem gibt es auch hier im Land einige kleinere Halter, die Zweinutzungshühner halten, und auch einen größeren Betrieb: Gut Vorder Bollhagen bei Heiligendamm (Landkreis Rostock). Dort leben seit vier Jahren ca. 1.600 dieser Tiere. Gutsleiter Johannes Lampen ist bislang sehr zufrieden mit den Leistungen seiner Hühner und überzeugt, er leiste Pionierarbeit und das Zweinutzungshuhn müsse die Zukunft der Hühnerhaltung sein - aus ökologischen, Klima- und Tierschutzgründen und um Ressourcen zu schonen. Bei seinem Konzept bleiben auch die Bruderhähne am Leben. Diese werden etwa 17 Wochen gemästet, liefern also Fleisch. Lampen erklärt, es rechne sich für seinen Betrieb, weil er zwei große Hotels als feste Abnehmer habe und rund 50 Prozent der Eier direkt in seinem Hofladen vermarktet.
Hoher Preis ist das Problem
Das Problem bislang: Zweinutzungshühner sind zwar robuster und leben länger als die Hochleistungsrassen. Sie legen aber weniger Eier. Zehn Eier der Größe XL dieser Hühner kosten daher 6,50 bis 7,50 Euro. Vergleichbare Bioeier kosten 4 bis 5 Euro (Stand Januar 2024). Deshalb hat der Demeter Hof Medewege bei Schwerin seine Zweinutzungshühner wieder abgeschafft. Er hatte es versucht, musste aber vor zwei Jahren aufgeben, weil es sich nicht gerechnet habe. Die Eier und das Fleisch seien den Kundinnen und Kunden noch zu teuer. So geht es auch Lukas Propp vom Biobetrieb "Hufe 8" bei Rostock. Er würde gerne die Zweinutzungshühner halten. Das müssten dann aber die Menschen auch bezahlen wollen.
Genpool alter Rassen erhalten
Martin Stein von Naturland erklärt, warum es so extrem wichtig ist, alte Hühnerrassen mit ihrem Genpool zu erhalten: "Damit wir auch weiterhin eine große Diversität im Geflügelbereich haben. Denn sonst laufen hier im Lande demnächst nur noch die Hybriden der großen Züchtungsunternehmen." Die Vielfalt, die man in der Landwirtschaft eigentlich habe, gehe dadurch verloren, so Stein.
Hochleistungs-Hennen legen bis zu 300 Eier im Jahr
Seit den 1960er Jahren werden Hühner nur noch auf Legeleistung oder Fleischansatz gezüchtet. Hochleistungs-Hennen legen bis zu 300 Eier im Jahr. Das sei eine enorme Anstrengung für die Tiere, betonen Tierschützer immer wieder. Die Hennen würden häufig an chronischer Überlastung der Legeorgane und unter Osteoporose leiden. Das führe oft zu schmerzhaften Knochenbrüchen. Die Hennen seien nach etwa eineinhalb Jahren ausgelaugt und werden geschlachtet.