Täter von Magdeburg drohte 2013 in MV mit "Ereignissen"

Stand: 23.12.2024 11:49 Uhr

Der Attentäter von Magdeburg hat längere Zeit in Mecklenburg-Vorpommern gelebt. In einem Streit mit der Ärztekammer sprach Taleb A. vor rund zehn Jahren schwere Drohungen aus.

Bei einer Pressekonferenz am Sonntagvormittag berichtete Innenminister Christian Pegel (SPD) über die neuesten Erkenntnisse über den Täter von Magdeburg. Taleb A. hatte demnach von 2011 bis 2016 in Stralsund gelebt. Dort durchlief er teilweise eine Facharzt-Ausbildung. Die Ermittler haben Akten gesichtet und Gespräche geführt. Daraus geht klar hervor, dass der Mann mehrmals mit Gerichten, Behörden und der Polizei in Mecklenburg-Vorpommern in Konflikt geriet und Straftaten angedroht hat.

Mit "Handlungen von internationaler Beachtung" gedroht

In einem Streit mit der Ärztekammer sprach der heute 50-Jährige schwere Drohungen aus, sagte Pegel. Dabei verwies er auf den Anschlag in Boston 2013 - dort waren bei einem Marathon drei Menschen getötet und mehr als 140 verletzt worden. Im Jahr 2014 kam es zu einer ähnlichen Drohung, als er sich mit Behörden über soziale Unterstützung stritt. Erneut drohte er laut Innenministerium damit, er werde "Handlungen von internationaler Beachtung ausführen, an die man sich lange erinnern würde". Außerdem drohte er damit, sich das Leben zu nehmen.

Weitere Informationen
Ein Passant mit Regenschirm und Polizisten stehen vor dem geschlossenen Weihnachtsmarkt in Magdeburg. © dpa Foto: Sebastian Kahnert

Anschlag in Magdeburg: Gedenken und Schweigeminute in Norddeutschland

Weihnachtsmärkte wie in Rostock, Greifswald, Kiel und Schwerin beteiligten sich an bundesweiten Schweigeminuten für die Toten und Verletzten. mehr

Richter als Rassisten bezeichnet

Wegen seiner Äußerungen gegenüber der Ärztekammer wurde Taleb A. im Jahr 2014 zu 90 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt. Mit diesem Urteil war der Mann, der aus Saudi-Arabien stammt, nach Informationen von Pegel nicht einverstanden und wandte sich im Mai 2015 an die Justizbehörde - und beleidigte in einem Schreiben die Richter. Etwas später im selben Jahr wandte sich der Täter an die Petitionshotline der Bundesbehörde. Neben einer Beschwerde über das Urteil warf er dabei den Richtern Rassismus vor. Im Anschluss drohte er damit, sich eine Pistole zu organisieren und sich damit an den Richtern zu rächen.

Weitere Informationen
Christian Fuchs, Journalist © NDR Foto: Screenshot
5 Min

"Zeit"-Journalist Fuchs: Attentäter hatte schon früher "eine manische Art"

Vor einem Jahr sprach der "Zeit"-Reporter mit Taleb. A. über dessen Engagement für Menschenrechte und Demokratie in seinem Heimatland Saudi-Arabien. 5 Min

Hausdurchsuchung und "Gefährderansprache" durch Polizei

Nach dem ersten Vorfall im Jahr 2013 hatte die Polizei die Wohnung von Taleb A. in Stralsund durchsucht, konnte aber keine Hinweise auf Anschlagsvorbereitungen, Bedrohung und Nötigung von Beamten feststellen. Im Jahr 2014 führte die Polizei eine "Gefährderansprache" durch. Dabei wiesen die Beamten Taleb A. darauf hin, dass strafrechtliche Handlungen zu unterlassen seien und welche Folgen eine Missachtung nach sich ziehen würde.

Taleb A. 2013 nicht als "Gefährder" eingestuft

Im Interview auf NDR Info erklärte Pegel am Montagmorgen, warum Taleb A. 2013 in Mecklenburg-Vorpommern noch nicht als "Gefährder" eingestuft wurde: Sachsen-Anhalt habe nach dem Anschlag die Behörden aller Bundesländer angeschrieben, um abzugleichen, ob Erkenntnisse zu Taleb A. vorliegen. Dies sei ein "völlig normales Gebahren der Sicherheitsbehörden", so Pegel. Im Fall von Taleb A. liegen die Sachverhalte so weit zurück, dass die entsprechenden Akten aufgrund der Löschfristen nicht mehr vorlagen. Pegel zufolge musste man "auf das Wissen weniger Mitarbeiter, die sich erinnern konnten zurückgreifen". Schließlich hätten die damaligen Vorwürfe "nur" auf "Bedrohung und Beleidigung" gelautet. "Diese Dinge werden aber üblicherweise in einer bundesweiten Datenbank - wenn sie die Voraussetzungen erfüllen - abgelegt." Verurteilungen würden außerdem in einem entsprechenden Zentralregister abgelegt, so Pegel. "Gefährder- oder islamistisches Niveau hat er damals demnach nicht erreicht."

Christian Pegel (SPD), Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, spricht auf einer Pressekonferenz. (Foto vom 17.12.2024) © Markus Scholz/dpa
AUDIO: MV-Innenminister Pegel zu Taleb A.: "Gefährder-Niveau nicht erreicht" (5 Min)

Nach Hausdurchsuchungen, die bei ihm durchgeführt wurden, gab es laut Pegel keinerlei Hinweise auf Islamismus. Das scheine auch heute noch so zu sein, dass er eher das Gegenteil eines Islamisten sei. Es habe 2013, zum Zeitpunkt seiner Verurteilung kein Niveau von politischer Motiviertheit gegeben, sodass auch keine Gefährder-Einstufung erfolgte. "In diesem Fall haben wir erst mal jemanden, der damals vor allem nur an sich selber gedacht hat," sagte Pegel. Im Streit mit der Ärztekammer sei es nicht darum gegangen, ob diese für oder gegen Islamismus gewesen sei.
Das Motiv für den Anschlag in Magdeburg bleibt somit weiter unklar. Im Falle einer politischen Motivation würde der Bundesanwalt die Ermittlungen übernehmen.


23.12.2024 13:09 Uhr

Hinweis der Redaktion: In der Regel sprechen die tagesschau und NDR.de bei Gewalttaten und Verbrechen bis zu einem Urteil von "mutmaßlichem Täter/mutmaßlicher Täterin" - je nach Formulierung auch von "Tatverdächtigen/Tatverdächtiger". Denn: Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig. 
Eine Ausnahme machen wir dann, wenn die Täterschaft gut belegt ist. So ist es auch im Fall des Anschlags von Magdeburg. Hier ereignete sich die Tat in der Öffentlichkeit. Taleb A. wurde festgenommen, nachdem er aus dem Tatfahrzeug ausgestiegen war. Deshalb sprechen wir künftig von Taleb A. als Täter und Todesfahrer und verzichten auf den Zusatz "mutmaßlich".

Auch der Pressekodex sieht dieses Vorgehen vor. In Richtlinie 13.1 heißt es dazu: "Die Presse darf eine Person als Täter bezeichnen, wenn (...) er die Tat unter den Augen der Öffentlichkeit begangen hat. In der Sprache der Berichterstattung ist die Presse nicht an juristische Begrifflichkeiten gebunden, die für den Leser unerheblich sind."
Wir haben den Artikel entsprechend angepasst.

 

Weitere Informationen
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und Vertreter aus der Politik kamen zur Gedenkminute auf den Schweriner Marktplatz. © NDR/Kathrin Glüsenkamp Foto: Kathrin Glüsenkamp

Nach Anschlag in Magdeburg: Schweigeminute in Schwerin

Nach dem Anschlag in Sachsen-Anhalt fordert Ministerpräsidentin Manuela Schwesig eine konsequente Aufklärung der Tat. mehr

Porträtfoto des CDU-Politikers Alexander Throm. © Laurence Chaperon
5 Min

Throm zu Anschlag in Magdeburg: "Ein völlig atypischer Täter"

Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm, sagte auf NDR Info, Taleb A. passe in keine Schublade. Es gelte nun die Vorgeschichte aufzuklären. 5 Min

Zahlreiche Kerzen stehen zum Gedenken an die Opfer vor dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg. © Sebastian Kahnert/dpa +++ dpa-Bildfunk Foto: Sebastian Kahnert/dpa +++ dpa-Bildfunk

Mutmaßlicher Täter von Magdeburg bereits in Rostock verurteilt

2013 soll Taleb A. wegen der Androhung von Straftaten zu 90 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt worden sein. mehr

Ein Passant mit Regenschirm und Polizisten stehen vor dem geschlossenen Weihnachtsmarkt in Magdeburg. © dpa Foto: Sebastian Kahnert

Attentat von Magdeburg: Weitere Hinweise auf psychische Erkrankung

Warum wurde den zahlreichen Hinweisen nicht nachgegangen? Der Druck auf Behörden und Politik wächst. Mehr bei tagesschau.de. extern

Bundesinnenministerin Nanca Faeser (SPD) mit Kanzler Olaf Scholz (SPD), Sachsen-Anhalts-Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) und anderen Politikern auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt © Jesco Denzel/Bundespresseamt/dpa Foto: Jesco Denzel
3 Min

Anschlag auf Weihnachtsmarkt - Debatte um Sicherheit in Deutschland

Politiker fordern eine Reform der Strukturen und Befugnisse der Sicherheitsbehörden. Vizekanzler Habeck mahnt eine Diskussion "ohne Ressentiments" an. 3 Min

Magdeburg: Eine Polizeikolonne verlässt das Justizzentrum © Christoph Soeder/dpa Foto: Christoph Soeder
11 Min

Tatverdächtiger von Magdeburg in U-Haft

Nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt von Magdeburg muss der Tatverdächtige in Untersuchungshaft. Ein Richter hat Haftbefehl erlassen 11 Min

Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 23.12.2024 | 12:00 Uhr

Zahlreiche Kerzen stehen zum Gedenken an die Opfer vor dem Weihnachtsmarkt in Magdeburg. © Sebastian Kahnert/dpa +++ dpa-Bildfunk Foto: Sebastian Kahnert/dpa +++ dpa-Bildfunk

Mutmaßlicher Täter von Magdeburg bereits in Rostock verurteilt

2013 soll Taleb A. wegen der Androhung von Straftaten zu 90 Tagessätzen zu je zehn Euro verurteilt worden sein. mehr

Mehr Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Ein Polizist geht über den gesperrten Weihnachtsmarkt in Magdeburg. © dpa Foto: Sebastian Kahnert

Täter von Magdeburg drohte 2013 in MV mit "Ereignissen"

Taleb A. lebte von 2011 bis 2016 in Stralsund. In einem Streit mit der Ärztekammer sprach der heute 50-Jährige damals schwere Drohungen aus. mehr