Staatsanwalt will lange Haftstrafe für mutmaßlichen Brandstifter

Stand: 30.11.2023 21:18 Uhr

Lange Haftstrafe oder Freispruch – mit gegensätzlichen Forderungen des Staatsanwalts und des Verteidigers nähert sich der Prozess um das niedergebrannte Flüchtlingsheim in Groß Strömkendorf dem Ende.

von Andreas Frost

Im Prozess um das niedergebrannte Flüchtlingsheim in Groß Strömkendorf (Kreis Nordwestmecklenburg) hat der Staatsanwalt sieben Jahre und sechs Monate Gefängnis für den angeklagten Feuerwehrmann beantragt. Er ist überzeugt, dass der 33-Jährige am 19. Oktober 2022 am Reetdach des ehemaligen Hotels "Schäfereck" Feuer gelegt hat. 14 Ukrainer und drei Betreuer konnten das Haus, das Platz für 70 Betten hatte, rechtzeitig verlassen. Der Staatsanwalt machte den Angeklagten auch für sechs weitere Brände in der Umgebung von Blowatz verantwortlich: Drei kleine Waldstücke, eine Strohmiete, ein Carport und ein Reetdachhaus gingen seit Mai 2022 in Flammen auf. Von Groß Strömkendorf nach Blowatz sind es fünf Kilometer, dort war der Angeklagte in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv.

Staatsanwalt: Verräterische Handydaten

Laut Staatsanwalt war das Handy des Angeklagten zum Beispiel in allen Fällen in den Funkzellen registriert, in deren Gebiet kurz darauf ein Feuer ausbrach. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass es reiner Zufall sei, wenn auch zahlreiche Indizien auf die Täterschaft des Angeklagten hinweisen. An allen Löscheinsätzen war der 33-Jährige beteiligt. Zudem habe er sich als Zeuge in mehrere Widersprüche verwickelt und verräterische Chat-Nachrichten mit seiner Freundin ausgetauscht.

Sein Motiv sei es gewesen, Löscheinsätze zu provozieren, bei denen er beim Löschen dabei sein kann. Der Verteidiger forderte einen Freispruch. Unter anderem seien die Funkzellendaten viel zu ungenau, um auf eine Nähe zwischen Brandort und dem Handy des Angeklagten zu schließen. Zudem gebe es keine unmittelbaren Tatzeugen und keine Spuren, die auf den Angeklagten deuten. Es fehle auch ein Motiv.

Vor Gericht schwieg der Angeklagte

Während des Prozesses schwieg der Angeklagte zu den Vorwürfen. Zeugen schilderten ihn als eifrigen und ehrgeizigen Feuerwehrmann, der auch dem Wehrführer der Gemeinde die Stirn bot. Das Gericht will am 8. Dezember das Urteil verkünden. Welche Argumente die Strafkammer am ehesten überzeugen, ist offen. Allerdings hat sie im Juli während des laufenden Verfahrens den Angeklagten aus der Untersuchungshaft entlassen. Bis dahin hatte die Beweisaufnahme aus Sicht der Richter offenbar keinen dringenden Tatverdacht gegen den Angeklagten untermauern können.

Prominente Politikerinnen am Tatort

Weil kurz vor dem Feuer in Groß Strömkendorf ein Hakenkreuz an ein Schild vor dem Flüchtlingsheim geschmiert wurde, vermuteten die Ermittler anfangs einen politischen Hintergrund. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) eilten - bundesweit beachtet - zum Brandort und warnten vor Fremdenhass. Die Einheimischen fühlten sich dadurch zu Unrecht an den Pranger gestellt.

Kein Hinweis auf politisches Motiv gefunden

Fallanalytiker hatten schon vor dem Großbrand begonnen, die ungewöhnliche Häufung der Feuer in der Region unter die Lupe zu nehmen. Achtzehn Brände, so ein Profiler vor Gericht, trugen die Handschrift eines einzigen Täters. Hinweise auf politische Motive fanden sie nicht. Da habe jemand zumindest anfangs verhalten gezündelt, der löschen, aber keinen großen Schaden anrichten wollte. Als sie der Sonderkommission den Ermittlern rieten, sich auf die Feuerwehren der Region zu fokussieren, hatten diese den Angeklagten bereits im Visier. Allerdings nur für sieben der Brandstiftungen glaubt der Staatsanwalt genügend Beweise gefunden zu haben.

Weitere Informationen
32-jähriger Feuerwehrmann im Landgericht Schwerin. © NDR Foto: Andreas Frost

Brand in Groß Strömkendorf: Prozess kurz vor Abschluss

Ende des Monats soll ein Urteil gesprochen werden. Der Angeklagte schweigt weiterhin. mehr

Groß Strömkendorf: Die ukrainische Fahne weht auf dem Dach eines Nebengebäudes vor den Resten des abgebrannten Hotelgebäudes. © Jens Büttner/dpa Foto: Jens Büttner/dpa

"Seele des Dorfes" in Schutt und Asche: Neuanfang in Groß Strömkendorf

Die Ereignisse aus dem Herbst 2022 wirken nach. "Wir bleiben das Dorf der Schande", sagt Bürgermeister Tino Schmidt. mehr

32-jähriger Feuerwehrmann im Landgericht Schwerin. © NDR Foto: Andreas Frost

Brand eines Flüchtlingsheims in Groß Strömkendorf: Wende im Prozess

Der Haftbefehl gegen den Feuerwehrmann wurde aufgehoben, es bestehe kein dringender Tatverdacht mehr. mehr

Dieses Thema im Programm:

Nordmagazin | 30.11.2023 | 19:30 Uhr

Mehr Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern

Ein Polizist geht über den gesperrten Weihnachtsmarkt in Magdeburg. © dpa Foto: Sebastian Kahnert

Mutmaßlicher Täter von Magdeburg drohte in MV mit "Ereignissen"

Taleb A. lebte von 2011 bis 2016 in Stralsund. In einem Streit mit der Ärztekammer sprach der heute 50-Jährige damals schwere Drohungen aus. mehr