Staatsanwalt will lange Haftstrafe für mutmaßlichen Brandstifter
Lange Haftstrafe oder Freispruch – mit gegensätzlichen Forderungen des Staatsanwalts und des Verteidigers nähert sich der Prozess um das niedergebrannte Flüchtlingsheim in Groß Strömkendorf dem Ende.
Im Prozess um das niedergebrannte Flüchtlingsheim in Groß Strömkendorf (Kreis Nordwestmecklenburg) hat der Staatsanwalt sieben Jahre und sechs Monate Gefängnis für den angeklagten Feuerwehrmann beantragt. Er ist überzeugt, dass der 33-Jährige am 19. Oktober 2022 am Reetdach des ehemaligen Hotels "Schäfereck" Feuer gelegt hat. 14 Ukrainer und drei Betreuer konnten das Haus, das Platz für 70 Betten hatte, rechtzeitig verlassen. Der Staatsanwalt machte den Angeklagten auch für sechs weitere Brände in der Umgebung von Blowatz verantwortlich: Drei kleine Waldstücke, eine Strohmiete, ein Carport und ein Reetdachhaus gingen seit Mai 2022 in Flammen auf. Von Groß Strömkendorf nach Blowatz sind es fünf Kilometer, dort war der Angeklagte in der Freiwilligen Feuerwehr aktiv.
Staatsanwalt: Verräterische Handydaten
Laut Staatsanwalt war das Handy des Angeklagten zum Beispiel in allen Fällen in den Funkzellen registriert, in deren Gebiet kurz darauf ein Feuer ausbrach. Es widerspreche der Lebenserfahrung, dass es reiner Zufall sei, wenn auch zahlreiche Indizien auf die Täterschaft des Angeklagten hinweisen. An allen Löscheinsätzen war der 33-Jährige beteiligt. Zudem habe er sich als Zeuge in mehrere Widersprüche verwickelt und verräterische Chat-Nachrichten mit seiner Freundin ausgetauscht.
Sein Motiv sei es gewesen, Löscheinsätze zu provozieren, bei denen er beim Löschen dabei sein kann. Der Verteidiger forderte einen Freispruch. Unter anderem seien die Funkzellendaten viel zu ungenau, um auf eine Nähe zwischen Brandort und dem Handy des Angeklagten zu schließen. Zudem gebe es keine unmittelbaren Tatzeugen und keine Spuren, die auf den Angeklagten deuten. Es fehle auch ein Motiv.
Vor Gericht schwieg der Angeklagte
Während des Prozesses schwieg der Angeklagte zu den Vorwürfen. Zeugen schilderten ihn als eifrigen und ehrgeizigen Feuerwehrmann, der auch dem Wehrführer der Gemeinde die Stirn bot. Das Gericht will am 8. Dezember das Urteil verkünden. Welche Argumente die Strafkammer am ehesten überzeugen, ist offen. Allerdings hat sie im Juli während des laufenden Verfahrens den Angeklagten aus der Untersuchungshaft entlassen. Bis dahin hatte die Beweisaufnahme aus Sicht der Richter offenbar keinen dringenden Tatverdacht gegen den Angeklagten untermauern können.
Prominente Politikerinnen am Tatort
Weil kurz vor dem Feuer in Groß Strömkendorf ein Hakenkreuz an ein Schild vor dem Flüchtlingsheim geschmiert wurde, vermuteten die Ermittler anfangs einen politischen Hintergrund. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) eilten - bundesweit beachtet - zum Brandort und warnten vor Fremdenhass. Die Einheimischen fühlten sich dadurch zu Unrecht an den Pranger gestellt.
Kein Hinweis auf politisches Motiv gefunden
Fallanalytiker hatten schon vor dem Großbrand begonnen, die ungewöhnliche Häufung der Feuer in der Region unter die Lupe zu nehmen. Achtzehn Brände, so ein Profiler vor Gericht, trugen die Handschrift eines einzigen Täters. Hinweise auf politische Motive fanden sie nicht. Da habe jemand zumindest anfangs verhalten gezündelt, der löschen, aber keinen großen Schaden anrichten wollte. Als sie der Sonderkommission den Ermittlern rieten, sich auf die Feuerwehren der Region zu fokussieren, hatten diese den Angeklagten bereits im Visier. Allerdings nur für sieben der Brandstiftungen glaubt der Staatsanwalt genügend Beweise gefunden zu haben.