Schwesigs SPD feiert 25-jähriges Regierungsjubiläum in MV
Seit einem Vierteljahrhundert stellt die SPD die Ministerpräsidenten im Land. Ein Empfang der Landtagsfraktion erinnert einen Tag vor dem Termin an den Jahrestag. Ein altgedienter Sozialdemokrat schickt mahnende Worte, aber nicht nur der.
Eine Analyse von Stefan Ludmann
Früher gab es bei der SPD zu größeren Anlässen gerne auch mal Kuchen. Ob der an diesem Donnerstag beim Jubiläums-Empfang der Fraktion im Schweriner Schloss serviert wird, ist nicht sicher. Die Sozialdemokraten backen momentan eher kleine Brötchen, aktuell liegen sie in Umfragen bei 23 Prozent, deutlich hinter der AfD. Zwei Stunden am Vormittag mit dem Festredner, Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), sollen für einen Rückblick auf 25 Jahre SPD-Regentschaft reichen. Außerdem geht es um den Blick nach vorn. Das staatstragende Motto der Veranstaltung lautet: "Verantwortung für MV - Verpflichtung für die Zukunft."
Sellering setzte sich gegen Backhaus durch
Wie diese Zukunft aussieht für die Partei ist - weniger als ein Jahr vor der Kommunalwahl - offen. Gemeinsam mit dem Koalitionspartner Die Linke hätte sie nach jetzigem Stand bei einer Wahl keine Mehrheit mehr. Nur ein Dreier-Bündnis könnte die SPD an der Macht halten. Eine ungewöhnlich Perspektive für eine Partei, die sich selbstbewusst immer als "stärkste Kraft" feierte. Zum Feiern ist nur wenigen zu Mute: Aus der SPD-Bundesspitze schaut niemand beim Jubiläums-Empfang der Nordost-Genossen vorbei.
Einer, der von Anfang an dabei ist, hätte den Top-Genossen einiges zu sagen. Landwirtschaftsminister Till Backhaus, SPD-Urgestein im Land und mittlerweile neben Umwelt auch für den Klimaschutz zuständig, sorgt sich um seine SPD: "Sie muss zu ihrem Markenkern zurückfinden - wir sind die Partei der sozialen Gerechtigkeit", appellierte der Minister im Gespräch mit dem NDR. Backhaus wäre vor vielen Jahren fast Ministerpräsident geworden - als Nachfolger von Harald Ringstorff. Doch der Chef der ersten SPD-geführten Landesregierung wählte seinen damaligen Sozialminister Erwin Sellering aus. Backhaus blieb Minister und sagt heute: "Der Platz der SPD ist in der Mitte und sie muss die Menschen zurückgewinnen, die sich abgewandt haben."
Kritik an Sozialdemokraten in MV
Einer, der nicht ganz so lange dabei ist wie Backhaus, blickt etwas anders auf die SPD. Der CDU-Abgeordnete Harry Glawe, zu rot-schwarzen Regierungszeiten Wirtschaftsminister, meint, die SPD rede mittlerweile viele Probleme schön - wie zum Beispiel die Mängel in der Gesundheitsversorgung. Dabei sei der Bürger deutlich kritischer geworden, er nehme der SPD nicht mehr alles ab, hat Glawe beobachtet. Der Christdemokrat kommt zu diesem Schluss: "Das Thema 'Soziale Gerechtigkeit' scheint mir bei der SPD so langsam verloren zu gehen."
Eine "Arroganz der Macht" warf die Linke der SPD schon vor Jahren vor. Seit sie aber mit am sozialdemokratischen Regierungstisch sitzt, sind solche Töne nicht mehr von ihr zu hören. Die Vizeministerpräsidentin Simone OIdenburg (Die Linke) meint, wer wie die SPD 25 Jahre an der Spitze der Regierung stehe, "kann nicht ganz so viel falsch gemacht haben". Die SPD sei ein "Anker" für die Menschen im Land. Oldenburg hat eine Empfehlung an den Koalitionspartner SPD. "Weg aus der Staatskanzlei, weg aus den Ministerien und hin zu den Menschen. Das ist das, was im Moment gebraucht wird".
Die Stärken der Landes-SPD
Für den Rostocker Politikwissenschaftler Jan Müller ist gerade das ein Erfolgsrezept der SPD. Die Partei habe es trotz ihrer vergleichsweise geringen Mitgliederzahl immer wieder geschafft, die Zivilgesellschaft zu mobilisieren. Ein Grund für die lange Regierungszeit sei auch die Fähigkeit, offen für ganz verschiedene Koalitionspartner zu sein. "An der SPD ging nichts vorbei", sagt Müller. Der Politikwissenschaftler hat allerdings beobachtet, dass die SPD ihre Kritikern immer wieder abbügele mit dem Vorwurf, "das Land schlecht zu reden". Dabei sei Kritik nützlich, so Müller, um Dinge zu verbessern. Dagegen sollte sich die SPD nicht verwehren.
Öffentlicher Mittel: Vorwürfe der Vetternwirtschaft
Der zunehmend gereizte Ton der SPD-Chefetage fällt auch außerhalb der Landesgrenzen auf. So berichtete die Süddeutsche Zeitung im Sommer über den Vetternwirtschafts-Verdacht in der SPD-Fraktion. Unter der Überschrift "Im Hotel des Ehemanns" ging es darum, dass die SPD-Fraktion ein mehrere tausend Euro teures Bürgerforum quasi bei der Vize-Fraktionschefin Christine Klingohr zu Hause veranstaltete - der Saal gehört ihrem Ehemann. Und dass die Ministerpräsidentin eine kritische Nachfrage dazu mit dem Vorwurf konterte: "Was haben Sie eigentlich gegen die starken Frauen in der SPD?", machte die Zeitung aus München fast sprachlos. Sie nannte Schwesig Attacke "dreist" und "pampig". Nicht nur Vetternwirtschaft habe schon manche in Schwierigkeiten gebracht, schrieb das Blatt, sondern schon bereits der Fehler, den Anschein davon zu erwecken - "zum Beispiel auch, indem man versucht, Fragen abzutun".
Der Landesrechnungshof rückte die SPD-geführte Landesregierung jüngst in die Nähe von Kungelei. Bei der Vergabe von Posten für Spitzenbeamte habe die Bestenauslese nicht immer die alleinige Rolle gespielt. Und weil die Ministerpräsidentin das letzte Wort bei der Bestellung der Spitzenbeamten hat, geriet Schwesig in den Mittelpunkt der Kritik. Rechnungshofpräsidentin Martina Johannsen warnte davor, zu überziehen. "Es ist nicht alles Filz und Vetternwirtschaft", sagte sie im Interview mit dem NDR. Allerdings habe der Rechnungshof mehrfach festgestellt, dass bei der Landesregierung "Ordnungsmäßigkeit nicht mehr ganz oben steht auf der Prioritätenliste". Das sei bei Prüfungen zur Vergabe von Aufträgen und bei der Verwendung öffentlicher Mittel immer wieder aufgefallen.
Kritik an Finanzpolitik der Landesregierung
Johannsen ermahnt die Landesregierung, nicht nur die Prinzipien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beherzigen. Die seien zwar wichtig, aber: "Das ist kein Tauschgeschäft, dass man diese Prinzipien gegen Ordnungsmäßigkeit tauschen kann." Die Landesregierung müsse sich an Recht und Gesetz halten: "Die Ordnungsmäßigkeit darf nicht umgegangen wird", meinte Johannsen.
Die Rechnungshof-Präsidentin sieht auch den finanzpolitischen Kurs der Landesregierung mit Argwohn. Seit 2017 seien die Zügel gelockert worden. Angesichts zurückgehender Einnahmen müsse die Finanzpolitik das Geld wieder stärker zusammenhalten und auf Konsolidierung der Landesfinanzen ausgerichtet sein. Seit Mitte 2017 - diesen Zusammenhang nennt Johannsen nicht ausdrücklich - regiert Manuela Schwesig in der Staatskanzlei. Johannsens´ Appell an die SPD-geführte Landesregierung: "Die Bodenhaftung nicht verlieren".