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Landesrechnungshof übt massive Kritik an Landesregierung

Stand: 12.10.2023 10:41 Uhr

Der Landesrechnungshof hat der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern erhebliche Versäumnisse bei der Onlineabwicklung von Bürgerleistungen vorgeworfen. Auch innerhalb der Landesverwaltung laufe die Digitalisierung schleppend.

Die Mängelliste im neuen Landesfinanzbericht ist lang und die Landesregierung kommt dabei eher schlecht weg. Den Landesrechnungshof von Mecklenburg-Vorpommern wurmt es, dass Bürger und Bürgerinnen Behördengänge kaum Online erledigen können. Nur fünf Prozent aller Verwaltungsleistungen könnten elektronisch erledigt werden. Das Land versage bei den gesetzlichen Vorgaben des Online-Zugangsgesetzes (OZG), das für Bürger Verwaltungsleistungen schneller und einfacher erledigen soll.

Versagen im Innenministerium

Martina Johannsen, Präsidentin des Landesrechnungshofes Mecklenburg-Vorpommern © Landesrechnungshof Mecklenburg-Vorpommern
"Es hapert an der Umsetzung und das geht an manchen Stellen schon in Richtung Organisationsversagen", so Rechnungshofpräsidentin Martina Johannsen.

Rechnungshofpräsidentin Martina Johannsen erklärte, "am Geld hapert es nicht". Das Land habe in den vergangenen Jahren Überschüsse erwirtschaftet. "Es hapert an der Umsetzung und das geht an manchen Stellen schon in Richtung Organisationsversagen", sagte Johannsen dem NDR. Geld, das für die Digitalisierung bereitstehe, werde nicht abgerufen. Im Bericht werden handelnde Personen zwar nicht genannt. Dennoch gilt auch in der Prüfbehörde die Staatssekretärin im Innenministerium, Ina-Maria Ulbrich (SPD), als Hauptverantwortliche für die Digital-Misere. Die Juristin ist seit Jahren zuständig für die Digitalisierung im Land.

Ulbrich: "Prüfer offenbar nicht auf dem neuesten Stand"

Im Gespräch mit dem NDR hat Ulbrich der Darstellung des Rechnungshofs widersprochen. Die Prüfer seien offenbar nicht auf dem neuesten Stand, meinte sie. Mittlerweile seien 245 Verwaltungsleistungen online verfügbar, 187 davon flächendeckend im ganzen Land wie beispielsweise Wohngeldanträge. Im Ländervergleich liege Mecklenburg-Vorpommern damit auf Platz 6, vor großen Bundesländern wie Baden-Württemberg oder Nordrhein-Westfalen. Wichtig sei bei dem Thema aber auch, dass die Kommunen mitziehen - im Landkreis Vorpommern-Rügen könnten beispielsweise noch immer keine Bauträge online gestellt werden - anders als in Nordwestmecklenburg oder in der Mecklenburgischen Seenplatte.

Veraltete und überteuerte Software

Die Prüfer haben allerdings weitere Schwachpunkte ausgemacht: In der Staatskanzlei, dem Finanzministerium und dem ehemaligen Energieministerium sei mit "vITA 3.0" eine veraltete Standardlösung für einen IT-Arbeitsplatz eingeführt worden - inklusive Rechner, Software, Bildschirm und Tastatur. Das Land habe da auf das landeseigene Datenverarbeitungszentrum (DVZ) gesetzt, ohne die Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Die Kosten von bis zu 1.700 Euro pro Jahr und IT-Arbeitsplatz seien zu hoch, am freien Markt seien die Leistungen preisgünstiger zu bekommen. Auch diesen Aussagen hat Ulbrich widersprochen. "vITA 3.0" sei während der Pandemie angeschafft worden, um Homeoffice zu ermöglichen. Das DVZ habe in der Sache wirtschaftlich gehandelt.

Kritik an landeseigenem IT-Zentrum

Der Prüfbericht bemängelt auch den Einsatz veralteter Betriebssysteme auf Rechnern der Landesverwaltung. In einzelnen Fällen werde mit Software gearbeitet für die keine Sicherheitsupdates mehr angeboten würden. Heißt: in der Landesverwaltung sind Uralt-Rechner im Einsatz. Auch das DVZ bekommt bei der Prüfung schlechte Noten. Der zentrale IT-Dienstleister für die Landesverwaltung beschäftigt Software-Experten als Leiharbeiter "rechtswidrig und unwirtschaftlich". Die IT-Leistungen, die das DVZ dem Land anbietet, seien oft zu teuer. Eine Wirtschaftlichkeit werde zu selten geprüft.

Zu viele Posten in der Verwaltung

Genauer hinschauen sollte die Landesregierung auch beim Personal. Dass in den Ministerien und Landesbehörden immer mehr Stellen geschaffen werden, geht den Prüfern zu weit. Mehr als 35.000 Posten sind vorgesehen - ein Plus von fast 3.000 gegenüber dem Jahr 2013. Mittlerweile werde fast jeder dritte Euro im Landeshaushalt für das eigene Personal ausgegeben. Das verenge die finanziellen Spielräume. "Eine große Verwaltung ist nicht automatisch eine gute Verwaltung", so Johannsen. Das Land nutze auch beim Personaleinsatz nicht die Möglichkeiten der Digitalisierung.

Kritik von der Opposition

Im Landtag sehen sich zwei Oppositionsfraktionen bestätigt. Von einer "schallenden Ohrfeige für die Landesregierung" spricht die AfD, das Land müsse endlich ein Personalkonzept erstellen. Die FDP erklärte, "der Landesrechnungshof spricht uns aus der Seele". Rot-Rot sei im strategischen Blindflug unterwegs. Zu anderen Schlüssen kommt die SPD. Die Regierungsfraktion meint, der Landesrechnungshof habe der Landesregierung eine solide Haushaltsführung bescheinigt - zur massiven Kritik bei Digitalisierung und Personal sagte die Fraktion nichts. Das verwundert den Bund der Steuerzahler: Es bleibe wohl das Geheimnis der SPD angesichts der Kritik des Rechnungshofs von einem "soliden Haushalt zu sprechen". Die Prüfbehörde haben an mehreren Stellen fehlende Klarheit und Wahrheit im Haushalt moniert.

Forderungen an Backhaus

Im gut 200-seitigen Bericht bekommt auch Agrar- und Umweltminister Till Backhaus (SPD) zwischenzeitlich schlechte Noten. Der von ihm propagierte Waldumbau von Nadelholz hin zu klimafesten Forst-Standorten komme kaum voran. Auch neuer Wald - sogenannte Erstaufforstungen - werde kaum geschaffen. "Die Fortschritte beim geförderten Waldumbau haben sich seit 2017 verlangsamt", heißt es in einer Mitteilung des Rechnungshofs. Das muss in den Augen der Prüfer mehr werden, das Land müsse seine gesamte Förderstrategie überprüfen. Anerkennend heißt es in dem Bericht, das Hinweise bereits umgesetzt würden. Darauf verweist auch das Ministerium. Es erklärte, die Empfehlungen des Rechnungshofes seien eher "formeller Art". Der Bericht beziehe sich nicht auf den Landeswald, sondern vor allem auf die Förderung des Privatwaldes.

Zweifel an Sinn der Klimaschutzagentur LEKA

Die obersten Finanzprüfer fragen auch nach Sinn und Zweck der Landesenergie- und Klimaschutzagentur (LEKA) in Neustrelitz, die in der Zuständigkeit des Wirtschaftsministeriums liegt. Die LEKA soll Kommunen, Unternehmen und Bürger in Fragen rund um die Fragen des Energiesparens beraten. Die landeseigene GmbH beschäftige immer mehr Personal und bekomme immer mehr Geld, 2021 seien es bereits zwei Millionen Euro gewesen. Eine Erfolgskontrolle fehle, es sei nicht klar, ob die Fördermittel sinnvoll ausgegeben wurden.

Unkontrolliert Geld vom Landtag

Auch um Details kümmert sich der Rechnungshof: Er moniert, dass der Landtag die Anreise von Besuchergruppen einzelner Abgeordneter ungefragt bezahlt. Die Kontrolleure finden es nicht Ordnung, dass die Gruppen von privaten Busunternehmen in die Landeshauptstadt gefahren und dass Vergleichsangebote dabei nicht eingeholt werden. Gerade bei Gruppen aus der Nähe von Schwerin sollte eine Anreise mit Bahn oder anderen öffentlichen Verkehrsmitteln geprüft werden. Jeder der 79 Abgeordneten kann zwei Mal pro Jahr Besuchergruppen einladen. Die Kosten für Anreise, Verpflegung und Rundgang durch das Schlossmuseum übernimmt der Landtag.

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NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 05.10.2023 | 06:00 Uhr

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