Rot-rotes Großprojekt: Landtag beschließt Tariftreuegesetz
Die rot-rote Koalition hat eines ihrer wichtigsten Vorhaben verabschiedet. Nach dem neuen Tariftreuegesetz gehen ab Januar öffentliche Aufträge nur noch an Betriebe, die ihren Beschäftigten Tariflöhne oder tarifähnliche Bezahlung garantieren.
"Versprochen - gehalten" - mit diesem kleinen Selbstlob stieg Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) in die Debatte ein. Meyer nahm einen Werbespruch der Gewerkschaften auf und meinte, "Gute Arbeit" das sei das Kernstück des Gesetzes. Noch immer sei Mecklenburg-Vorpommern das Land mit den geringsten Löhnen. Und daran will die Koalition aus SPD und Linke etwas ändern. Das Lohnniveau soll nach oben gehen - der Staat, meinte Meyer, dürfe die Regeln, nach denen er Aufträge vergibt, doch selbst bestimmen.
Tariflohn oder tarifähnliche Bezahlung bei öffentlichen Aufträgen
Nach dem neuen Tariftreuegesetz gehen ab Januar öffentliche Aufträge von Land und Kommunen nur noch an Betriebe, die ihren Beschäftigten Tariflöhne oder - wenn die nicht vorliegen - tarifähnliche Bezahlung garantieren. Zu den neuen Regeln gehört auch der Vergabemindestlohn. Dieser liegt bei 13,50 Euro pro Stunde, dem Tariflohn für Gebäudereiniger. Er greift bei Aufträgen, wenn es in der betreffenden Branche keinen Tariflohn oder ähnliche Regelung gibt - als eine Art "unterste Linie", so der Minister. Meyer hofft, mit höheren Löhnen Fachkräfte zu halten.
Schwesig in Hamburg statt im Landtag
Fast aber hätte der Minister seine Rede zum Tariftreuegesetz verschieben müssen. Und das hatte mit seiner Chefin, Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD), zu tun. Denn Schwesig hatte sich zugunsten eines royalen Termins in Hamburg für die Landtagssitzung entschuldigen lassen. Sie nahm mit ihren norddeutschen MP-Kollegen an Gesprächen mit dem norwegischen Kronprinz Haakon teil.
Ihre SPD-Fraktion wollte das Tariftreuegesetz als Kernstück rot-roter Koalitionsarbeit allerdings nicht ohne die Regierungschefin über die Bühne bringen. Sie fragte kurzerhand bei den anderen Fraktionen an, ob das Gesetz "ausnahmsweise" nicht auch am Freitag verabschiedet werden könne. An dem Tag ist Schwesig wieder im Landtag. Von der Opposition gab es auch mit Hinweis auf parlamentarische Gepflogenheiten einen Korb: Schließlich sei der Mittwoch der Tag, an dem Gesetze verabschiedet würden.
Kritik aus der Opposition: "Scheinheilig und schäbig"
Auch ohne Schwesig am Rednerpult hagelte es Kritik aus der Opposition. Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Waldmüller nannte das Gesetz ein "Projekt der Arroganz". Statt Auftragsvergabe zu erleichtern, werde sie aus "ideologischen Gründe" erschwert. Die Unternehmen sollten auch in der aktuellen schwierigen Wirtschaftslage nicht zusätzlich belastet werden, forderte er. Außerdem müsse die Verwaltung, die die Einhaltung des Gesetzes prüfen solle, mit Extra-Bürokratie fertig werden. "Scheinheilig und schäbig" nannte Waldmüller außerdem die eigenen Praxis des Landes. In einer Antwort auf eine Parlamentsanfrage hatte die Regierung eingeräumt, dass in mehr als zehn eigenen Landesunternehmen Beschäftigte auf einen Tariflohn verzichten müssen.
FDP: Gesetz ist "sozialistisches Manifest"
Ähnlich äußerte sich David Wulff von der FDP. Das Gesetz sei ein "sozialistisches Manifest", schimpfte der Liberale. Statt der Wirtschaft immer mehr Bürokratie aufzubürden, brauche sie "Freiräume". Das, so Wulff, sei die Lösung für höhere Löhne. Der AfD-Abgeordnete Michael Meister meinte, das "untaugliche" Gesetz bringe keinen zusätzlichen Job. Kleine Unternehmen würden sich künftig nicht mehr an öffentlichen Ausschreibungen beteiligen, auch weil sie die Bürokratie-Lasten nicht schultern könnten, befürchtete Meister. Die Koalition wolle offenbar nur ihr "schlechtes soziales Gewissen beruhigen", noch immer sei Mecklenburg-Vorpommern das "Armenhaus Deutschlands".
Grüne weisen Kritik zurück und stimmen zu
Der Linken-Abgeordnete Henning Foerster wies die Kritik zurück. Mit Blick auf die hitzige Debatte sagte er: "Die Galle kann das Hirn nicht ersetzen." Und der junge SPD-Abgeordnete Christian Winter griff auf die Rhetorik vieler Altvorderer in der SPD zurück. Vor allem die AfD-Opposition mache das Land schlecht, verliere jedes Maß und ziehe es in den Dreck. In der Sache stimmten aus der Opposition nur die Grünen für das rot-rote Tariftreue-Gesetz. Die Abgeordnete Jutta Wegner forderte allerdings, dass bei Vergaben auch die Nachhaltigkeit von Angeboten berücksichtigt werden soll. In ihren Augen wäre das ein Plus für die Umwelt.
Wirtschaft spricht von "Schlag ins Gesicht"
Harsche Kritik gab es nach der Abstimmung aus Wirtschaft. Der Arbeitgeberverband sprach von einem "Schlag ins Gesicht der kleinst- und mittelständischen Wirtschaft". Die Koalition schaffe "neue Bürokratie für wenig bis gar keinen Nutzen". Die Regelung bringe Unfrieden in die Betriebe, so der Vize-Hauptgeschäftsführer Sven Müller. Er spielt damit darauf an, dass möglicherweise Beschäftigte, die öffentliche Aufträge abarbeiten, nach Tariflohn bezahlt werden und andere nicht. Der DGB hatte das Gesetz dagegen als Beitrag für mehr Tariflohn und bessere Bedingungen für Arbeitnehmer gelobt.