MV: Land sperrt sich gegen Tariflohn in eigenen Unternehmen
Viele Beschäftigte in Landesunternehmen bekommen keinen vollen Tariflohn. Das geht aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Anfrage der CDU-Fraktion hervor. Die sieht die Glaubwürdigkeit der rot-roten Koalition gefährdet.
Die rot-rote Landesregierung will künftig öffentliche Aufträge nur an Unternehmen vergeben, die Tariflohn oder eine vergleichbare Vergütung zahlen. Das sogenannte Tariftreuegesetz gehört zu den Kernprojekten der rot-roten Koalition. Es soll in knapp zwei Wochen im Landtag verabschiedet werden und dann zu Jahresbeginn greifen. Allerdings: Das Land geht nicht überall mit gutem Beispiel voran. Die gut 130 Beschäftigten auf einer der größten Sondermülldeponien Europas in der Nähe von Schönberg werden nach einer Betriebsvereinbarung bezahlt. Die gilt noch bis Ende Juni 2024 und schreibt Löhne fest, die sich an einem Tarifvertrag der Entsorgungsbranche orientieren, aber nicht an den Tariflöhnen im öffentlichen Dienst.
Kein Weihnachtsgeld, keine betriebliche Altersversorgung
Auch rund 700 Mitarbeiter in elf weiteren Landesunternehmen müssen Abstriche vom üblichen Tariflohn machen - beispielsweise bekommen sie kein Weihnachtsgeld, keine betriebliche Altersversorgung oder keine Nacht- und Feiertagszuschläge.
Als Begründung wird in einigen Fällen die wirtschaftliche Lage genannt. In der LMS Agrarmarketing GmbH konnten wegen der "wirtschaftlichen Situation nicht alle Erhöhungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder umgesetzt werden", heißt es in der Antwort auf die Fragen der CDU-Fraktion. Beim Berufsförderungswerk in Stralsund, das vom ehemaligen SPD-Landtagsabgeordneten Klaus Mohr geleitet wird, gibt es kein Weihnachtsgeld und "keine Verlängerung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall".
Ziel: Tariflöhne in allen Landesunternehmen
CDU-Fraktionschef Franz-Robert Liskow sieht die Glaubwürdigkeit der rot-roten Koalition angeknackst: "Es mag gute Gründe dafür geben, dass die Regierung in ihrem eigenen Zuständigkeitsbereich nicht immer nach Tarif bezahlt". Es passe aber nicht zusammen, wenn das Land die Wirtschaft über das neue Gesetz zu Tariflöhnen zwingen wolle, selbst aber keine zahle.
Die Landesregierung erklärte, Ziel sei, Tariflöhne in allen Landesunternehmen zu zahlen. Im kommenden Monat werde der vom Finanzministerium geführte "Lenkungsausschuss Landesbeteiligungen" Leitlinien beschließen. Diese würde sich an dem geplanten Tariftreue- und Vergabegesetz orientieren. Das Land erklärte auch, dass es über die Lohnsituation in Unternehmen, an denen es nur Minderheitsgesellschafter ist, keine Angabe habe.
Finanzministerium: Sorge ums Betriebsgeheimnis
Unterm Strich zeigte sich das federführende Finanzministerium zugeknöpft. Staatssekretärin Carola Voß (SPD) empfahl in einem Brief an Landtagspräsidenin Birgit Hesse (SPD), die von der CDU-Fraktion angefragten Angaben zu den Unternehmen nicht zu veröffentlichen. Denn die "berühren Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse". Voß fürchtet "Auswirkungen auf das Agieren der Unternehmen auf dem Markt." Wettbewerbsnachteile seien jedenfalls nicht auszuschließen. Dennoch gab das Finanzministerium grünes Licht dafür, die komplette Antwort "in Papierform" an die Fraktionen zu verteilen. Eine Geheimhaltung war damit nicht verbunden.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es in einer Zwischenüberschrift, Ziel des Landes sei es, Tariflöhne in allen Handelsunternehmen zu zahlen. Tatsächlich waren an dieser Stelle nur die Unternehmen des Landes gemeint. Wir haben unseren Tippfehler korrigiert.