Rostock: Das große Schweigen nach der BUGA-Absage
Die Bundesgartenschau 2025 sollte ein "Booster" für die Stadtentwicklung werden. Nach dem Aus für die Schau im Juni hat die Stadt Rostock beschlossen, einige Großprojekte - darunter auch die Warnowbrücke im Stadthafen - trotzdem zu realisieren. Ein halbes Jahr später aber ist anscheinend noch nicht klar, wie das gehen soll.
Noch längst ist Rostock nicht aus dem ernüchternden Schatten der BUGA-Absage herausgetreten. Der Imageschaden wiegt schwer; noch niemals in den 70 Jahren Bundesgartenschau-Geschichte hat eine Stadt das Event absagen müssen. Warum das Projekt in den Sand gesetzt wurde und wer die Verantwortung zu tragen hat, ist immer noch nicht geklärt. Unbeziffert ist auch weiterhin, welch wirtschaftlicher Schaden für die Stadt durch das Debakel entstanden ist. Die Bürgerschaft war am 22. Juni darüber informiert worden, dass eine externe Wirtschaftsprüfungsgesellschaft den Auftrag habe, diese und andere Zahlen in einem Gutachten vorzulegen. Seitdem aber ist anscheinend nichts passiert. Oder es darf darüber nicht laut gesprochen werden.
Nach sechs Monaten keine Schlussrechnung
Aus der Stadtverwaltung heißt es auf Nachfrage, es werde am Zahlenwerk gearbeitet oder aber, so die Mitteilung aus dem Finanzministerium MV,, dass eine solche Schlussrechnung nicht vorliegt und auch nicht angekündigt ist - obwohl jetzt schon sechs Monate vergangen sind. Nicht nur in Sachen Transparenz machen die Akteure anscheinend da weiter, wo sie bis zum mehr als peinlichen BUGA-Fehlschlag aufgehört haben.
Neue Senatorin will aufräumen
Seit wenigen Tagen ist Ute Fischer-Gäde (Die Grünen) als neue Umweltsenatorin im Amt. Von ihrem Vorgänger Holger Matthäus (Die Grünen) hat sie damit auch die Ressorts Infrastruktur und Bau geerbt - und auch die Aufräumarbeiten in Sachen BUGA. Fischer-Gäde bittet um Aufschub bei der Frage nach den finanziellen Auswirkungen des BUGA-Desasters und dem Stand der "geretteten" Stadtentwicklungsprojekte. Mitte Januar will sie die Ergebnisse ihrer ämterübergreifenden Nachforschung offenlegen. Gibt es so viel zu berichten oder ist einfach nichts passiert, fragen sich Kritiker.
Bürgerschaft scheint ahnungslos
Auf der Dezember-Sitzung war die BUGA dann doch noch Thema. Im nichtöffentlichen Teil ging es um die Abwicklung der Vereinbarungen zwischen der Hansestadt und der Deutschen Bundesgartenschaugesellschaft. Nach NDR Informationen hat das Rostock noch einmal eine knappe Viertelmillion Euro gekostet. Womit die Stadt noch ganz gut weggekommen zu sein scheint; es hätte per Schadensersatzklage noch viel teurer werden können, wird im entsprechenden Antrag dargelegt.
Laut Tagesordnung sollte es dann tatsächlich auch um die auf ihre Wiedergeburt wartenden BUGA- Projekte gehen. Das sind die, die ungeachtet der Pleite für die Gartenschau 2025 in der Hansestadt, trotzdem realisiert werden sollen. Zuallererst die Rad- und Fußgängerbrücke über die Warnow, das als beispielhaft postulierte Warnow-Quartier, den hochwasser- und tourismustauglichen Umbau des Stadthafens. Bei diesem Thema bekamen die Mitglieder der Bürgerschaft eine Informationsvorlage auf den Tisch. Sachstand: Juli des Jahres. Sechs Monate alt. Neuere Daten könne man nicht vorlegen, unterschreibt der amtierende Oberbürgermeister Chris von Wrycz Rekowski (SPD). Ein Eingeständnis?
Ernst der Lage nicht erkannt?
Reaktionen aus den Fraktionen gab es jedenfalls keine. Kritik schon gar nicht. Und da liegt die Schlussfolgerung nahe, dass in dem letzten halben Jahr nichts oder nur wenig bei der Fortschreibung der Projekte getan worden ist und nicht einmal die Bürgerschaft soll erfahren, wie prekär die Lage wirklich ist. Das war schon bei der "verbockten" BUGA so. Einzig Sybille Bachmann vom Rostocker Bund klopft mahnend auf den Busch: "Irgendwie scheint man in Rostock den Ernst der Lage nicht erkannt zu haben", warnt sie zum wiederholten Male. Und auch sie befürchtet, dass im vergangenen halben Jahr nichts oder kaum etwas passiert ist bei den Ex-BUGA-Vorhaben. Mehr noch, bei der zurückliegenden Bürgerschaftssitzung hatte sie gefordert, den "abgewanderten" Ex-OB Claus Ruhe Madsen in Regress zu nehmen für die Gartenschau-Pleite. Antrag abgelehnt.
Brückenschlag - aber kein Ufer in Sicht
So viel dann doch: Bei der geplanten Fußgänger- und Radfahrerbrücke über die Warnow ist in der Vorlage für die Bürgerschaft von einem Planungsstopp zu lesen. Die genannten Gründe gehen ans Eingemachte. Da ist in Stichworten von einer Grundlagenprüfung zur Statik der Brücke die Rede. Der sogenannte Anprallschutz sei ungeklärt, ebenso ein Nutzungsplan für die Warnow hinter und vor der Brücke. Und auch Schlick und Mergel am Grund der Warnow scheinen nicht das zu halten, was vorhergesagt worden war. Im besten Fall verwunderlich, wenn man bedenkt, dass das Bauwerk das Herzstück der BUGA hätte werden sollen. "Kein Hexenwerk", meinten die Planer damals. Insgesamt sei das sogenannte Planfeststellungsverfahren, der Weg hin zur Baugenehmigung, ins Stocken geraten. Nicht zuletzt auch, weil Anlieger wie zum Beispiel einzelne Segelvereine an der Warnow offensichtlich massive Bedenken und Kritik geäußert hatten, die nun geklärt werden müssen. Was, so die Rückmeldung der Segler, noch nicht oder nur unbefriedigend passiert sei.
Offene Fragen
Auch von abermals gestiegenen Kosten ist wieder einmal zu lesen: Mit Stand Juli werden diese mit 50,9 Millionen Euro angegeben. Eine Prognose ohne jede Verbindlichkeit, muss man wohl heute sagen. Ursprünglich waren einmal knapp 37 Millionen Euro geplant. Mehr als 1,5 Millionen Euro sollen nach den "letzten" aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2021 bereits ausgegeben worden sein. Fragen, was genau das Planungsverfahren so schwierig macht, wie sich die Kosten bis Ende des Jahres entwickelt haben oder wann gegebenenfalls die Arbeiten ausgeschrieben werden können, wurden bis heute nicht beantwortet. Antrag auf Akteneinsicht? Abgelehnt.
Ein Hoffnungsschimmer aus Sicht der Rostocker Planer: Der Bund, der rund 80 Prozent der Kosten für die Brücke übernehmen will, der scheint immer noch zur Stange zu halten - trotz der gestiegenen Kosten und der massiven Verspätung schon bei der Planung. Das gab das Bundesverkehrsministerium jedenfalls im Juni noch zur Kenntnis. Wie lange das Angebot aber noch steht, kann hier und heute wohl kaum jemand sagen. Und auch nicht, wie teuer das Ganze am Ende werden könnte. Für den Eigenanteil beim Brückenbau wird die Stadt, je länger es dauert, auf jeden Fall immer tiefer in die Tasche greifen müssen.
Auf die lange Bank oder Ende mit Schrecken?
Während die Stadtväter das gescheiterte Projekt BUGA nebst Schuld und Schulden in die Schuhe der neuen Senatorin schaufeln, und die offenbar mühsam versucht, sich einen Überblick zu verschaffen, kommen erste ernst zu nehmende Signale aus der Landesregierung. Im ersten Quartal müsse es eine Einigkeit über das weitere Verfahren geben, ist aus dem Finanzministerium zu lesen. Dann soll die "neu" eingesetzte Arbeitsgruppe "Rostock Plan" zu ihrem zweiten Treffen seit dem Sommer zusammenkommen. Ein Gremium mit Vertretern aller Ministerien und der Stadtverwaltung. Rund 60 Millionen Euro will Schwerin in die weiterhin "priorisierten" Projekte stecken. Aber das nicht per Blankoscheck.
So ist es wohl zu verstehen, wenn es in einem Statement des Finanzministeriums heißt: "Dabei gibt es aber keinen Automatismus, wonach die Landesmittel, die im Zusammenhang mit der BUGA zugesagt waren, nun auch für diese Projekte zur Verfügung stehen. Jedes einzelne Projekt ist daher erneut auf seine Förderfähigkeit zu prüfen." Was bei den Verantwortlichen in Rostock noch nicht angekommen zu sein scheint: Auch das neue Volkstheater und auch das Archäologische Landesmuseum könnten aus Sicht des Landes als Geldgeber erneut zur Disposition gestellt werden, wenn die Stadt nicht schleunigst deutlich machen kann, dass sie aus dem selbstverschuldeten BUGA-Desaster gelernt hat. Auch daran wird sich wohl die neue Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger (Die Linke) bereits vor Ende ihrer ersten hundert Tage im Amt messen lassen müssen.
Die Rostock-Falle
Die städtischen Verwalter stehen offenbar enorm unter Druck. Auch wenn das keiner so richtig wahrhaben will - oder eben kann. Weil die Entscheider in der Bürgerschaft im Unklaren gelassen werden. Bis spätestens Ende März will das Land konkrete Planungs-, Finanzierungs- und Terminstände vorgelegt bekommen. Auf dieser Grundlage soll dann entschieden werden, welche Projekte in welchen Zeiträumen und in welchem Finanzrahmen realisiert werden können. Spätestens dann wird - auch ohne externes Gutachten - klar werden, wie teuer die BUGA-Nachwehen der Hansestadt wirklich zu stehen kommen. Und es könnte offenbar werden, dass sich die Stadt erneut weit mehr vorgenommen hat, als sie zu leisten in der Lage ist. Wegducken ist allein schon deshalb keine empfehlenswerte Strategie. Unter den Teppich kehren wird sich auch diesmal nicht bewähren. Wer das immer noch nicht gelernt hat, dem droht schon bald die nächste Pleite.