Regionalchef der Arbeitsagentur: Druck beim Bürgergeld bringt nichts
Die Debatte um Jobverweigerer und Langzeitarbeitslose tobt seit Monaten. Der Geschäftsführer der Regionaldirektion Nord der Arbeitsagentur fordert eine Versachlichung der Diskussion.
70.000 Arbeitslose in Mecklenburg-Vorpommern im Februar, aber immerhin 16.000 gemeldete offene Stellen - wie kann das sein? "Wir Arbeitsmarktpolitiker sprechen von 'mismatch'. Das ist ein sehr technischer Begriff für: Die Dinge passen nicht immer zusammen", fasst Markus Biercher die Lage zusammen. Für den Chef der Arbeitsagentur Nord spielen mehrere Faktoren eine Rolle. In Mecklenburg-Vorpommern sei die Situation, dass es ein starkes Stadt-Land-Gefälle gebe, Job und Mensch finden also schon rein geografisch oft nicht zusammen. Außerdem gebe es auf dem Arbeitsmarkt ein Ungleichgewicht zwischen touristisch hochdynamischen Regionen und eher abgelegen Landstrichen im Binnenland. Seit vielen Jahren werde auch daran gearbeitet, Menschen fortzubilden und für Jobs zu qualifizieren, denn viele Unternehmen suchten Bewerber für hochspezialisierte Berufe, die nicht besetzt werden könnten.
"Druck und Zwang bringen nichts"
Seit Monaten tobt die Diskussion darüber, ob bei Bürgergeldempfängern mehr Druck ausgeübt werden soll, um sie dazu zu bringen, einen Job anzunehmen. "Fördern und Fordern" hieß mal das Motto der Hartz-IV-Reformen. Jetzt soll vor allem das Fordern im Vordergrund stehen, so sieht es vor allem die CDU. Biercher kennt diese Debatte seit Jahrzehnten, immer wieder flamme sie auf. "Alle Erfahrungen der Vergangenheit haben uns gezeigt, dass mehr Druck und Zwang nicht die richtige Rezeptur ist, um Menschen in Arbeit zu bringen", meint der Chef der Arbeitsagentur Nord. Der Anteil der notorischen Jobverweigerer sei verschwindend gering, Biercher schätzt ihn auf weniger als zwei Prozent. Für die allermeisten Menschen sei der Verlust des Arbeitsplatzes ein persönliches Drama. Dazu komme noch eine Zahl von Jobsuchenden, die zum Beispiel psychisch erkrankt sind und deshalb nicht vermittelt werden könnten.
"Bezahlkarte für Bürgergeldempfänger stigmatisiert"
Kürzungen beim Bürgergeld oder eine Bezahlkarte für Bürgergeldempfänger, wie sie für Flüchtlinge geplant ist, lehnt Biercher rundweg ab: "Ich halte davon gar nichts. Für mich hat das auch etwas Diskriminierendes." Ein Mensch, der unverschuldet arbeitslos geworden ist, werde bei jedem Gang an die Kasse eines Supermarkts stigmatisiert, wenn er dort seine Bezahlkarte vorzeigen müsste. Man solle die Kirche im Dorf lassen, meint Biercher auch zur Diskussion um niedrigere Bürgergeldsätze. Die Beträge würden nicht aus der Luft gegriffen, sondern anhand von Verbraucherstichproben erhoben und der allgemeinen Preisentwicklung angepasst. Das Bürgergeld bette Menschen nicht auf Rosen, sondern sichere das Existenzminimum. Das habe mit Sozialromantik nichts zu tun, meint der Chef der Arbeitsagentur Nord.