Reden übers Sterben: Die Rostocker Heimstiftung geht neue Wege
Sie sind so etwas wie die "Organisatoren der letzten Meter". Die Rostocker Heimstiftung hat zwei Mitarbeiterinnen eingestellt, um herauszufinden, was sich die Bewohner der Pflegeheime für ihr Lebensende wünschen.
"Früher wurde viel aus dem Bauch heraus entschieden. Da hing alles davon ab, ob derjenige, der die Sterbebegleitung macht, Fingerspitzengefühl hat oder nicht", so Susanne Schulze, Pflegedienstleiterin in Reutershagen. Sie ist froh, dass ihr Team heute einen großen Schritt weiter ist. Im August 2022 hat die Rostocker Heimstiftung eigens eine Mitarbeiterin eingestellt, die erfassen sollte, wie sich die Bewohner der sechs von der Stiftung betriebenen Pflegeheime ihr Lebensende vorstellen. Damals war es noch relativ neu, dass das über die Krankenkassen abgerechnet werden konnte. Der Erfolg des neuen Modells zeigte sich schnell, sodass Ende 2023 bereits eine weitere Kraft ihren Dienst aufnehmen konnte.
"Das ist total wertvoll"
Sabine Burmeister ist eine der beiden. Nach und nach versucht sie, mit allen Pflegeheimbewohnern an den Standorten Reutershagen und Groß Klein ins Gespräch zu kommen – freiwillig natürlich und ganz in Ruhe. Ihre Erfahrung: Viele scheuen sich davor, das Sterben sei nach wie vor ein großes Tabuthema. Ihre Hauptarbeit sei es, die Menschen zu öffnen und ihnen zu zeigen, was alles möglich ist. "Dann blühen sie meist auf und nehmen das auch an und freuen sich darüber", so Burmeister. Mit einem ernsten Lächeln setzt sie hinterher: "Das ist total wertvoll."
Nicht jeder mag es, wenn ihm die Hand gehalten wird
Die Wünsche, die in solchen Gesprächen zutage kommen, sind so unterschiedlich wie die Menschen selbst. Manche möchten in ihren letzten Tagen noch einmal ein Gläschen Eierlikör oder einen besonders edlen Whisky trinken, andere würden gerne mit lackierten Fingernägeln und ihrem Lieblingsparfüm aus dem Leben gehen. Wenn jemand sich wünscht, dass ihm etwas vorgelesen oder Musik gespielt wird, fragt Sabine Burmeister nach, was genau er hören mag. Sie erkundigt sich, wer in den letzten Stunden dabei sein soll, ob ein Pastor erwünscht ist oder nicht. Und auch darüber, ob es gut tut, wenn jemand die Hand des Sterbenden hält, gehen die Meinungen auseinander: "Wir haben manchmal Männer, denen ist das gar nix. Wir sind hier eben in Rostock, da ist man ein bisschen norddeutsch."
Noch einmal einen Broiler essen
Um auch Wünsche erfüllen zu können, die ein bisschen über das Übliche hinausgehen, hat die Heimstiftung eigens ein kleines Budget geschaffen. Pflegedienstleiterin Susanne Schulze erklärt: "Wenn zum Beispiel einer noch mal einen Broiler aus dem Broilerwagen essen will, dann können wir das damit bezahlen." Was auch immer die Menschen sich wünschen, das Mitarbeiterteam bemühe sich, es zu organisieren, betont Claudia Godejahn, Leiterin des Pflegeheimes Reutershagen. Wenn jemand mit einem ungelösten Konflikt in der Familie hadert, dann werde versucht, die Betroffenen an einen Tisch zu holen, um ihn vielleicht doch noch zu beseitigen. "Und wenn ein alter Herr sagt, dass er gerne noch einmal drei Bauchtänzerinnen sehen würde, dann kriegen wir auch das hin. Ich wüsste nicht, was dagegen spricht", so Schulze.
Das Lebensende selber mit gestalten
Es sei enorm wichtig, sich frühzeitig über die eigenen Wünsche klar zu werden und sein Lebensende selber, soweit das möglich ist, mitzugestalten, meint Sabine Burmeister – unabhängig davon, ob man schon alt oder noch sehr jung ist, ob man im Pflegeheim oder in der eigenen Wohnung lebt.
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