Landesflüchtlingsrat fordert Abbau von Diskriminierungen
Zum Weltflüchtlingstag hat der Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern auf Diskriminierungen hingewiesen - unter anderem in den Bereichen Bildung, Unterbringung und Gesundheitsversorgung.
Seine traumatische Flucht liegt einige Jahre zurück: Samer Haj Khamis kam 2015 über die Türkei und die sogenannte Balkanroute nach Mecklenburg-Vorpommern. Auf dem beschwerlichen Weg hierher habe er unter anderem im Wald schlafen müssen, berichtet er. Am schlimmsten sei aber die Fahrt über das Meer gewesen in einem unsicheren Boot aus Plastik, überfüllt mit zahlreichen Menschen. Heute blickt der 39-jährige Syrer entspannt auf den Hafen von Wismar: "Das ist jetzt meine erste Heimat, denn das hier ist Zukunft für meine Kinder und für mich, für meine Familie. Wir haben hier jetzt neue Nachbarn, neue Leben."
Landesflüchtlingsrat sieht Diskriminierungen
Das "neue Leben" begann für Samer Haj Khamis mit einem Deutschkurs, danach absolvierte er einen Bundesfreiwilligendienst und eine Ausbildung zum Sozialassistenten. Einige Monate nach der Anerkennung seines Schutzstatus konnte auch seine Familie nach Deutschland reisen. Flüchtlinge wie sie können hier zwar mit einem Dach über dem Kopf und Grundleistungen rechnen. Sie seien aber auch einigen Diskriminierungen ausgesetzt, heißt es vom Flüchtlingsrat Mecklenburg-Vorpommern.
Getrennte Bildung wird als Problem genannt
Dessen Vorsitzende, Ulrike Seemann-Katz, sagte NDR 1 Radio MV: "Die Grundrechte, die wir Deutschen haben, sollten auch für Geflüchtete gelten." Sie verweist unter anderem auf die Bildungspolitik des Landes. Seit dem Schuljahr 2022/23 gibt es in Mecklenburg-Vorpommern sogenannte Vorklassen, in denen alle ausländischen Kinder gemeinsam unterrichtet werden. Damit verlören sie den Anschluss an normale Bildung, kritisiert Seemann-Katz. Dieses Vorgehen könne auch als Segregation gesehen werden.
"Unterbringung erschwert Integration"
Auch die Unterbringung von Flüchtlingen, oftmals sehr abgegrenzt von Wohnsiedlungen, würde eine Integration erschweren. In einigen Fälle seien Unterkünfte außerhalb von Ortschaften eingerichtet worden, was laut Seemann-Katz gegen die Gemeinschaftsunterkunfts-Verordnung des Landes verstoße. Zudem lasse eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern auf sich warten. In anderen Bundesländern seien damit gute Erfahrungen gemacht worden. Auch die Hilfsorganisation "Ärzte der Welt" fordert anlässlich des Weltflüchtlingstags die flächendeckende Einführung des Systems. Die bisher geltenden Papierkrankenscheine führten zu unnötiger Bürokratie und gefährdeten die Gesundheit von Asylsuchenden.
Die meisten Geflüchteten bleiben im eigenen Land
Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) mahnte zum Weltflüchtlingstag die Unterstützung von Flüchtlingen an: "Niemand flüchtet freiwillig und die meisten Flüchtlinge wünschen sich nichts mehr, als in ihre Heimat zurückkehren zu können." Alle Flüchtlinge verdienten Schutz und die volle Solidarität der Weltgemeinschaft. Nach jüngsten Daten der UN sind rund 117 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Die Mehrheit bleibt im Herkunftsland und wird dort oft mehrfach vertrieben. Drei von vier Flüchtlingen, die ihr Land verlassen, werden von Ländern aufgenommen, denen es wirtschaftlich selbst nicht so gut geht. Verschärft hat sich die Situation aufgrund der Klimakrise. Laut der Hilfsorganisation Oxfam wurden im vergangenen Jahr weltweit 3,4 Millionen Menschen allein durch Überschwemmungen und Dürren aus ihren Häusern vertrieben.
"Rostock hilft" will Erfolgsgeschichten hervorheben
In Rostock werden Flüchtlinge unter anderem durch "Rostock hilft" beraten und unterstützt. "Wir sind der Meinung, dass nur eine tolerante und weltoffene Gesellschaft eine lebenswerte ist", sagt ein Sprecher des Vereins zum Weltflüchtlingstag. "Die Betonung positiver Aspekte der Migration und die Erfolgsgeschichten geflüchteter Menschen sind dabei eine entscheidende Würdigung im Kampf gegen Diskriminierung und Benachteiligung." Samer Haj Khamis scheint dafür ein gutes Beispiel zu sein. Er leitet mittlerweile das interkulturelle Zentrum in Wismar, wo er jungen Geflüchteten beim Ausfüllen von Formularen und Terminen mit Behörden hilft.
Flüchtlinge durch Wahlergebnisse verunsichert
Der 39-Jährige hat zudem bei den Kommunalwahlen für die SPD kandidiert. Einen Platz in der Bürgerschaft hat er nicht erhalten. Trotzdem will er sich weiter für ein friedliches Zusammenleben zwischen Menschen mit und ohne Migrationserfahrung in Wismar einsetzen. Die Wahlerfolge von Rechtspopulisten und Rechtsextremen machen ihm Sorgen, so sagt er. Auch seine kleine Tochter habe verunsichert auf die Ergebnisse der Europawahl reagiert. Fremdenfeindliche Vorfälle, die sich nach den Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern gehäuft haben, seien ein weiterer Schock gewesen, sagt Samer Haj Khamis: "Ich weiß nicht, was diese Menschen denken. Wir wollen zusammenleben, wir sind Menschen. Das ist egal ob schwarz oder weiß, aus Afrika, aus Asien, aus Europa. Am Ende wir sind alle Menschen."