LNG, Nord Stream, Flüchtlinge: Schwesig im Live-Interview
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) steht in der Kritik. Vom geplanten LNG-Terminal des Bundes rückt sie ab, von verbrannten Steuerunterlagen will sie erst aus den Medien erfahren haben und Kommunen beklagen mangelnde Unterstützung bei der Unterbringung von Flüchtlingen. In der Sendung Nordmagazin - Land und Leute war die Landeschefin am Freitagabend live zu Gast.
Im vergangenen September hatte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig bei einem Vororttermin mit Bundesumweltminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) noch für ein LNG-Terminal vor Rügen geworben. Erst in dieser Woche die Kehrtwende: Infolge der Proteste aus Wirtschaft und Bevölkerung lehnt Schwesig die Pläne für das Flüssigerdgas-Terminal vor Rügen ab - auch überraschend für die Bundesregierung. Nun schiebt die Ministerpräsidentin die Bedingung nach, der Standort für ein solches Terminal müsse zum Land passen. "Wir sehen doch, dass es weder zum Tourismus noch zur Umwelt passt", so Schwesig.
Rolle rückwärts bei LNG-Terminal vor Rügen
René Domke, Landesvorsitzender der FDP in Mecklenburg-Vorpommern, findet es "ein bisschen traurig, dass diese Wechselstimmung erst entsteht, wenn die Leute protestieren". Schon im Voraus hätte man darauf drängen können, dass Alternativen geprüft würden. "Dass genau dargelegt wird, ob der Bedarf da ist, wie wirtschaftlich das ist." Wichtig sei zudem, wie die Terminals mit grünen Alternativen nachgenutzt werden können, so Domke - beispielsweise für den Transport von Ammoniak oder grünem Wasserstoff. In diesem Punkt schiebt Schwesig die Verantwortung weiter an die Bundesregierung. "Wenn das Terminal nicht kommen sollte, was würde das konkret für die Versorgung und die Preise bedeuten?" Dies müsse die Bundesregierung prüfen.
Schwesig sieht Schmutzkampagne gegen Landesregierung
Das Thema Energiepolitik ist für die SPD-Politikerin auch auf einer anderen Ebene seit längerem ein Reizthema. Mit dem Ende der Klimaschutz-Stiftung kamen immer wieder Ungereimtheiten ans Licht. Zuletzt kam heraus, dass eine Mitarbeiterin des Finanzamts die Steuerakte der umstrittenen Stiftung verbrannt hatte. Schwesig wiederholt, sie habe erst aus den Medien von dem Vorfall erfahren. "Als dieser Artikel erschien, habe ich den Finanzminister angerufen und gesagt, das muss bitte erklärt werden", so die Regierungschefin. Insider sind überzeugt, Finanz- und Justizministerium hätten seit Anfang Mai von der verbrannten Steuererklärung gewusst.
Für Nikolaus Kramer, AfD-Fraktionsvorsitzender im Landtag, ist die Darstellung der Landesregierung völlig unglaubwürdig. "Ich kann mir das einfach nicht vorstellen. Frau Schwesig ist so machtbesessen, die will immer alles wissen, die weiß immer Bescheid, was bei ihr im Haus passiert. Dass sie davon nicht gewusst haben will, nehme ich ihr einfach nicht ab." Nun müsse im Untersuchungsausschuss aufgeklärt werden. Sollten sich die Vorwürfe erhärten oder gar bestätigen, so Kramer, müsse Schwesig ihren Hut nehmen. Schwesig aber spricht bei den Vorwürfen von "Behauptungen, Unterstellungen, bis hin zu Verschwörungstheorien". Sie sieht die aktuelle Landesregierung in einer Schmutzkampagne - unterstützt von der Opposition, insbesondere der CDU, die zur Zeit der Gründung der sogenannten Klimaschutzstiftung selbst Teil der Landesregierung war. Mit diesem "Krawall", so Schwesig, schade die Union unserem Land. In dieser Sache treffen sich am kommenden Dienstag die Parteien zum verbalen Schlagabtausch in einer Sondersitzung im Schweriner Landtag.
Flüchtlingssituation: Kommunen fühlen sich alleingelassen
Aus fast allen Landkreisen kommen Klagen, die vorhandenen Wohnraumkapazitäten seien weitgehend erschöpft. Einige Landräte beklagen, dass sievom Land nicht genügend Unterstützung bekommen. Insbesondere die Vorgänge um die Containersiedlung für bis zu 400 Flüchtlinge in dem kleinen Dorf Upahl in Nordwestmecklenburg hatten den Konflikt deutlich gezeigt. Der Bürgermeister der Gemeinde Dorf Mecklenburg (Landkreis Nordwestmecklenburg) hat unter anderem deshalb seinen Rücktritt angekündigt.
Schwesig reagiert mit Ankündigungen: Das Land Mecklenburg-Vorpommern würde weitere Erstaufnahmeeinrichtungen bauen, die Arbeitsaufnahme für Flüchtlinge erleichtern, zusätzliche Mittel für den Spracherwerb zur Verfügung stellen und die Kosten für die Geflüchteten voll und ganz übernehmen. All das sind Ergebnisse des Flüchtlingsgipfels von Land und Kommunen. Für Anne Shepley, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag, kommt die Reaktion zu spät: "Wir beobachten seit Wochen, dass sich der Diskurs nach rechts verschiebt, dass die Ängste und Vorurteile, die wir am Anfang bei den Bürgen hatten immer weiter in Richtung Rassismus und in fremdenfeindliche Parolen umschlagen." Diese Bewegung habe Schwesig zu lange überhaupt nicht kommentiert. "Das kritisieren wir natürlich massiv", so Shepley.
Politikwissenschaftler Muno: Schaden für die Demokratie
Dass die Kritik an Manuela Schwesig und der Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern nicht lediglich parteipolitisch motiviert ist, zeigen die Einschätzungen neutraler Beobachter. Professor Wolfgang Muno, Politikwissenschaftler an der Universität Rostock, sieht gerade in der Fehlerkultur in Schwesigs Umfeld und in ihrem Umgang mit Transparenz und Aufarbeitung ein "Trauerspiel", das auch demokratische Prozeduren in Mitleidenschaft zieht und auch die Zustimmung der Bevölkerung negativ beeinflusst. "Wir sehen ja bei Umfragen, dass die Regierung in Schwerin immer stärker an Beliebtheit verliert. Aber auch die Demokratie verliert an Zustimmung", so Muno.
In ganz Deutschland sei zuletzt noch etwa die Hälfte der Bevölkerung zufrieden mit der Demokratie. In Ostdeutschland sei es gerade einmal etwas über ein Drittel. Verschleppungen und Trauerspiele - wie etwa bei dem Umgang mit dem Untersuchungsausschuss zur Nord-Stream-Stiftung - würden letztlich der Demokratie schaden.