Kritik an der "widersprüchlichen" Doppelrolle des BSW-Landeschefs
Der neue BSW-Landeschef Friedrich Straetmanns will als Oppositionspolitiker weiter Staatssekretär in der rot-roten Landesregierung bleiben. Während die Linke und andere Landtagsparteien das empörend finden, hat die SPD damit kein Problem.
Torsten Koplin gerät selten in Rage. Wenn es um seinen Ex-Parteigenossen, den neuen BSW-Landesvorsitzenden Friedrich Straetmanns, geht, lässt der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion seiner Empörung freien Lauf: "Das ist wirbellos, der Mann hat kein Rückgrat und versucht jetzt einen persönlichen Schnitt zu machen." Wenn Straetmanns noch ein Mindestmaß an Anstand hätte, meinte Koplin, müsste er seinen Dienst als Staatssekretär quittieren.
Straetmanns lehnt Frühpension ab
Straetmanns aber denkt gar nicht daran. Auf die Frage, ob er denn als Oppositionspolitiker seinen 12.000-Euro-Job als Staatssekretär in der rot-roten Landesregierung aufgeben will, sagte er: "Nein, das habe ich nicht vor. Für die Frühpensionierung ist es noch zu früh." Der 63-jährige Bielefelder wartet ab, ob es mit einer Wahl in den Bundestag klappt. Die BSW-Mitglieder haben ihn am Wochenende nämlich nicht nur zum Parteichef, sondern auf Geheiß der Berliner Parteizentrale auch gleich noch zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl im kommenden Februar gekürt.
BSW-Chef will bei Wahlniederlage im Amt bleiben
Von Journalisten wurde er gefragt, ob er konsequenterweise sein Amt als Staatssekretär aufgeben müsste und sich mit seinem Festhalten am Amt nur absichern wolle. Straetmanns verneinte, es gehe nicht um Absicherung. Er machte allerdings auch klar, wenn er ein Mandat im Bundestag bekommen sollte, dann lasse er sich beurlauben. Aber wenn das BSW eine Wahlniederlage kassiert, will er als Staatssekretär weitermachen - wahrscheinlich bis zum Ende der Legislatur im Herbst 2026. Zurzeit gehen die Umfragewerte für die Wagenknecht-Partei nach unten, sie kratzt bundesweit an der Fünf-Prozent-Hürde.
SPD mit versöhnlichen Tönen
AfD-Fraktionschef Nikolaus Kramer liegt bei der Bewertung der Personalie ausnahmsweise auf der Linie der Linken. Es gehe nicht an, dass Straetmanns auf der einen Seite "Staatskohle abgreifen will, um es salopp zu sagen", und auf der anderen Seite "auf Oppositionspolitiker machen will". So weit will SPD-Fraktionschef Julian Barlen nicht gehen. Auch "ein Herr Straetmanns" dürfe sich politisch engagieren, sagte Barlen, der enger Vertrauter von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) ist.
Lob für Ministerin Bernhardt
Barlen vergab ein dickes Lob an die Justizministerin Jacqueline Bernhardt (Die Linke). Sie habe eine souveräne Entscheidung getroffen, Straetmanns weiterarbeiten zu lassen. Der trage keine politische Verantwortung. Was Barlen nicht sagt: Bernhardt hätte ihren Staatssekretär am liebsten sofort gefeuert, als er im August überraschend sein Überlaufen ins BSW bekannt gab - seine vierte politische Heimat nach SPD, WASG und Linken. Das Vertrauensverhältnis war zerrüttet. Aber Schwesig lehnte eine Entlassung Straetmanns mit Hinweis auf teure Ruhestandsgehälter ab. Bernhardt musste den Abtrünnigen zähneknirschend behalten. Nach einer kurzen Phase des internen Kaltstellens ist er seit einer Woche wieder Amtschef.
CDU sieht Schwesig gefordert
Für CDU-Fraktionschef Daniel Peters ist die ganze Sache ein Stück aus dem Tollhaus und einmalig in der Geschichte des Landes. Das oppositionelle BSW sitze jetzt indirekt mit am Kabinettstisch in Schwerin. Die Glaubwürdigkeit Schwesigs sei beschädigt, so Peters. Denn während die Regierungschefin zur Ukraine stehe, habe "ihr" Staatssekretär als BSW-Politiker eine komplett andere Haltung. Schwesig müsse Straetmanns sofort entlassen.
Grünen fordern Entlassung Straetmanns
Das fordert auch Grünen-Fraktionschefin Constanze Oehlrich. Schwesig stelle mit der Personalie Straetmanns die Handlungsfähigkeit ihrer Landesregierung infrage. Denn das BSW untergrabe mit seinen populistischen Forderungen, beispielsweise in der Migration oder bei der Haltung gegenüber Russland, die Demokratie. Gleichzeitig schwäche die Regierungschefin mit dem Festhalten an Straetmanns die eigene Justizministerin. Jacqueline Bernhardt erinnerte Straetmanns nach seiner Wahl daran, dass er in seinem Amt die Neutralitätspflicht zu wahren habe. Soll heißen: Wahlkampf als Staatssekretär geht nicht. Ansonsten ließ Bernhardt verlauten: Die Arbeitsfähigkeit des Justizministeriums und der Ministerin ist gegeben.