E-Roller: Angriff auf die Barrierefreiheit in den Städten?

Stand: 26.03.2025 14:57 Uhr

E-Roller führen sowohl zu Begeisterung als auch zu Unmut. Zuletzt in Rostock: Dort ist ein Mensch, der nicht sehen kann, über einen E-Roller gestürzt und hat sich verletzt. Die Stadt Rostock hat jetzt eine Kampagne gestartet.

von Maya Rollberg

Christian Leu ist viel unterwegs. Sein Blindenstock hilft ihm, Hindernisse auf dem Weg zu erkennen. Doch bei den E-Rollern, die manchmal mitten auf dem Fußweg stehen, ist das schwieriger. Im Januar ist es dann passiert: Auf dem Weg zur Arbeit stürzt er über einen E-Roller, dieser kippt um, er kann nicht mehr alleine aufstehen. Ein Moment der Hilflosigkeit, der sich ins Gedächtnis eingebrannt hat. "Ich konnte mich dann nicht mehr bewegen und lag dann dort. Es waren vielleicht nur zwei Minuten, aber es hat sich angefühlt wie eine Ewigkeit", erinnert sich Christian Leu an seinen Unfall.

Schwerer Unfall durch falsch geparkten E-Roller

Mitten auf dem Fußgängerweg stand der Roller. Das ist nicht nur eine Barriere für alle, die den Gehweg benutzen, sondern besonders gefährlich ist der E-Roller für die, die ihn nicht sehen können. Mit der Höhe des Lenkers droht eine zusätzliche Barriere, die oft zu spät vom Blindenstock erfasst wird. Die ständige Gefahr: Den E-Roller mit dem Fuß mitzunehmen, statt ihm ausweichen zu können und zu stürzen.

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Ein Mann fährt auf einem E-Scooter. © picture alliance/dpa | Sina Schuldt Foto: Sina Schuldt

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Unfälle verbreiten Angst unter Menschen mit Beeinträchtigung

Die Folgen für Christian Leu: Ein Sehnenriss im Oberschenkel, mehrere Monate Pflegebedarf und Arbeitsunfähigkeit. So eine Geschichte ist kein Einzelfall. Auch Robert Jaurich, ein ebenfalls vollblinder Arbeitskollege, ist bereits auf dem bekannten Arbeitsweg über unvorhersehbar geparkte Roller gestürzt. Er hat sich dabei bisher "nur" den Zeh verletzt, lebt aber in ständiger Angst, dass ihm bald bei seinem Sturz etwas Schlimmeres passieren könnte.

Gefühl der Freiheit geht verloren

Weniger schnell gehen können, ständig mit Gefahren rechnen - ein Lebensgefühl, das niemand haben will und das auch für Menschen mit Beeinträchtigung nicht sein muss, wenn eine Stadt barrierefrei gestaltet ist. Durch die E-Roller ist das oft nicht mehr der Fall, sagt Robert Jaurich: "Ich habe meist einen relativ zackigen Schritt drauf, aber jetzt hat man schon eine gewisse Angst, weil man rechnet mittlerweile mit diesen Rollern auf den Weg."

Stadt plant mehr feste Parkflächen für E-Roller

2.000 E-Roller gibt es in Rostock. Die drei betreibenden Unternehmen sagen auf NDR-Anfrage, es gebe klare Regeln für das Abstellen der E-Roller. Sie dürfen nur am Rand von Gehwegen oder auf vorgesehenen Abstellflächen geparkt werden.

Doch von diesen offiziellen Flächen gibt es derzeit nur sechs in Rostock. Zwei wurden im vergangenen Jahr in der Innenstadt realisiert, die Stadt plant 30 weitere Abstellflächen für die Zukunft in der Innenstadt und an Mobilpunkten bei Haltestellen. Doch diese Genehmigungs- und Bauvorhaben dauern. Im engen Austausch mit den E-Roller Unternehmen überprüfe man Fahr- und Abstellverhalten, heißt es.

Foto als Beweis für Fehlverhalten

Beim Parken müssen Nutzer außerdem ein Foto des Fahrzeugs schicken. Die Fotos würden mit Künstlicher Intelligenz analysiert, um Falschparker, zum Beispiel auf Blindenleitstreifen oder anderen sensiblen Bereichen, zu erkennen und entsprechend zu reagieren, so die E-Roller-Unternehmen. Sonst drohten Bußgelder.

Kampagne für mehr Achtsamkeit

Ein Plakat in der Rostocker Innenstadt soll auf das Thema "smart scootern" hinweisen. © Screenshot Foto: Maximilian Pilz
Die Kampagne in der Rostocker Innenstadt soll zum "smart scootern" sensibilisieren.

Statt auf Verbote, wie zum Beispiel beim E-Roller-Verbot in Paris, setzt die Stadt gemeinsam mit den Roller-Unternehmen auf einen verantwortungsvollen Umgang. Eine Plakat-Kampagne zum Thema "Smart Scootern" soll in Rostock Hinweise zum korrekten Abstellen geben und nochmal sensibilisieren, so Steffen Nozon vom Amt für Mobilität. Die Kampagne läuft bereits zum zweiten Mal und soll einmal jährlich Aufmerksamkeit zum Thema schaffen. Auch auf Beschwerdemöglichkeiten verweist die Stadt, um Falschparken, zum Beispiel auf Blindenleitstreifen oder anderen sensiblen Bereichen, zu ahnden.

Verantwortungsbewusstes Handeln gefragt

Ob das reicht, bezweifeln die Betroffenen. Sie wünschen sich dringend mehr Abstellflächen, Parkverbotszonen und höhere Bußgelder bei Fehlverhalten. Es sei oft Unwissenheit, die zu Fehlverhalten führe, oder Dritte, die die E-Roller umwerfen, so Steffen Nozon vom Rostocker Amt für Mobilität.

Außerdem komme es immer wieder zu Sachschäden an Autos oder anderen Gegenständen, wenn die E-Roller umkippen. "Der Leidtragende ist nie der Nutzer, sondern es sind immer andere. Und ich wünsche mir, dass es ein bisschen mehr Achtsamkeit in Zukunft gibt", so Robert Jaurich.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern | 26.03.2025 | 17:15 Uhr

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Straßenverkehr

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